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C1 Frei in die eigene Wohnung starten

29.11.2018

Einleitung
Bezahlbarer Wohnraum ist knapp. Gerade in den Städten, die von arbeits- und ausbildungsbezogenen Zuzug profitieren, stellt sich für viele die Frage, ob sie sich das Wohnen in der Stadt noch leisten können. Die steigenden Mietpreise und der finanzkräftige Zuzug setzen eine Dynamik in Gang, die zur Verdrängung der normalverdienenden Bevölkerung zu führen droht. Längst ist diese Entwicklung nicht mehr nur auf die Kerngebiete der Städte begrenzt sondern zieht sich weit hinein in ländlichere Gebiete. Immer weitere Wege müssen für die Suche nach bezahlbarem Wohnraum in Kauf genommen werden, denn weite Teile der Region in den Verbundräumen der europäischen Metropolregionen Nürnberg-Fürth-Erlangen und München erfahren Wachstum und in vergleichsweise gut erschlossenen Lagen wird bezahlbarer Wohnraum knapp.
 
In Artikel 106 Abs. 1 der bayerischen Verfassung wird der “Anspruch auf eine angemessene Wohnung” für jede*n Bewohner*in Bayerns unter den Grundrechten geführt. Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum ist Aufgabe des Staates und der Gemeinden. Bayern muss endlich diesem Anspruch gerecht werden, die Rahmenbedingungen zu schaffen, die es den Gemeinden ermöglichen, einen wirksamen Schutz vor Verdrängung zu gewährleisten und für den Erhalt und die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum zu sorgen.
 

Regionalentwicklung und Bodenordnung
Grundlage für eine zielgerichtete regionale Entwicklung und funktionierende Infrastruktur ist eine abgestimmte Landesentwicklungs- und Regionalplanung. Die Landesentwicklungsplanung konkretisiert die Ziele der Raumordnung und schafft einen Handlungsrahmen für die zukünftige regionale Entwicklung. Dafür bedarf es eines abgestuften Konzeptes der zentralen Orte, welches in der Landesplanung wieder sinnvoll verankert werden muss. Das übergeordnete raumordnerische Ziel der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse muss verbunden werden mit einer nachhaltigen Regionalentwicklungsplanung, die erst eine zielgerichtete Gestaltung der räumlichen Entwicklung ermöglicht. Dabei kommt es darauf an, die vorhandenen Qualitäten auch des ländlichen Raumes überhaupt nutzbar zu machen, indem Nachteile durch die Förderung von Infrastruktur behoben oder gemildert werden. Dazu bedarf es insbesondere des flächendeckenden Ausbaus der Breitbandinfrastrukur sowie der Bereitstellung eines möglichst engmaschigen Netzes an öffentlichen Verkehrsmitteln.
 
Grundsatz der Entwicklung muss es sein, Innenentwicklung und Verdichtung vor weiterer Außenentwicklung zu setzen. Wir brauchen keinen weiteren Wettbewerb unter den Gemeinden um die Ausweisung von immer noch einem neuem Baugebiet im Außenbereich und den damit verbundenen Flächenfraß, sondern die Priorisierung von qualitätvoller Weiterentwicklung und Verdichtung von gemischten Nutzungsstrukturen im Innenbereich unter der Wahrung und Schaffung gemischter Sozialstrukturen und der Wahrung und Schaffung von bezahlbaren Wohnraum. Diese Entwicklung muss in enger regionaler Kooperation verbindlich zwischen den Gemeinden abgestimmt werden.
 
Grundlage aller Wohnbaupoltik und der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum ist immer auch die Frage nach Bodenordnung und Bodenwert. Die Bayerische Verfassung legt in Artikel 161 Abs. 2 klare Maßstäbe für die Sozialverpflichtung des Bodeneigentums an, indem sie erklärt, dass  “Steigerungen des Bodenwertes, die ohne besonderen Arbeits- oder Kapitalaufwand des Eigentümers entstehen, […] für die Allgemeinheit nutzbar zu machen” sind. Daher fordern wir die Einführung einer Bodenwertzuwachssteuer, die den leistungslosen Wertzuwachs auf Basis der Bodenpreisentwicklung für die Finanzierung von sozialer und technischer Infrastruktur, sowie der Gewährleistung von bezahlbarem Wohnraum zum Zeitpunkt der Inwertsetzung heranzieht.
 
Gleichfalls muss sich der Freistaat auf Bundesebene für eine Erneuerung der Grundsteuer einsetzen, die auf Basis der, im Vergleichswertverfahren erhobenen Bodenrichtwerte das Eigentum an Grund und Boden besteuert. Die der Grundsteuer als bisherige Bemessungsgrundlage zu Grunde liegenden Einheitswerte stammen in Westdeutschland noch aus dem Jahr 1964 und in den neuen Bundesländern sogar aus dem Jahr 1935 und haben mit den realen Wertverhältnissen nur noch wenig zu tun. Die Umlagemöglichkeit der Grundsteuer auf die Mieten muss abgeschafft werden, schließlich ist der Zweck nicht die Schaffung von Belastungen für die Mieter*innen, sondern eine Besteuerung des Eigentums an Grund und Boden. Gleichzeitig schafft die Beschränkung auf die Besteuerung des Bodenwerts einen Anreiz zur Ausnutzung der vorhandenen Baurechte.
 
Um Bodenpreisspekulation zu bekämpfen, fordern wir die Wiedereinführung der Grundsteuer C auf nicht oder nur geringfügig genutzte Grundstücke bei bestehendem Baurecht im Zusammenhang bebauter Gebiete oder bei Vorhandensein eines Bebauungsplans.
 
Um den Kommunen eine aktive Bodenbevorratungspolitik zu ermöglichen sollen die landesrechtlichen Voraussetzungen für die Einrichtung von Bodenfonds in kommunaler Hand geschaffen werden und die Gemeinden finanziell und fachlich bei der Einrichtung dieser Fonds unterstützt werden.
 
Deshalb fordern wir:

  • Schaffung einer zielgerichteten, nachhaltigen und verbindlichen Regionalplanung
  • Ausbau und Förderung von Breitbandausbau sowie die Schaffung eines engmaschigen und bezahlbaren Angebots an öffentlichem Nahverkehr
  • Einführung einer Bodenwertzuwachssteuer
  • Reform der Bemessungsgrundlage der Grundsteuer auf Basis der Bodenrichtwerte und Abschaffung ihrer Übertragbarkeit auf die Mieten
  • Einführung einer Grundsteuer C auf nicht- oder untergenutzte Flächen im Innenbereich
  • Ermöglichung der Einrichtung von Bodenfonds durch die Kommunen

 
Schutz vor Verdrängung
In den Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt müssen die Kommunen nachhaltig in die Lage versetzt werden, wirkungsvoll Verdrängungs- und Entmischungsprozesse aufzuhalten. Dafür bedarf es eines wirksamen Instrumentariums den Mietanstieg zu begrenzen und für den Erhalt von bezahlbarem Wohnraum zu sorgen.

Miet- und Baurecht fallen grundsätzlich in die Zuständigkeit der Bundesgesetzgebung. Es wird jedoch erst  durch den Erlass von Rechtsverordnungen wirksam, für deren Erlass die Länder zuständig sind. Ebenso wie für die Rahmenbedingungen und die Überprüfung der Satzungen der jeweiligen Gemeinden, womit auch eine landesrechtliche Einflussnahme möglich ist.

Mit der Mietpreisbremse und dem Mietspiegel wurde in den letzten Jahren schon einiges für die Mieter*innen erreicht. Allerdings bedürfen diese Instrumente noch weiterer Ergänzungen, um einen effizienten und sozialen Rechtsschutz zu gewährleisten.
 
Die Mietpreisbremse regelt, dass bei der Wiedervermietung von Wohnungen in Gebieten mit einem angespannten Wohnungsmarkt die zulässige Miete höchstens auf das Niveau der ortsüblichen Vergleichsmiete + 10% angehoben werden darf.
 
Welches Gebiet dabei eines mit „angespanntem Wohnungsmarkt“ ist, wird  von den Ländern für jeweils maximal 5 Jahre bestimmt. Dadurch entsteht jedoch ein undurchsichtiger Flickenteppich mit Orten, an denen die Mietpreisbremse gilt und Orten, die ausgenommen sind. Wird fordern daher, dass die Mietpreisbremse in Bayern künftig überall flächendeckend gilt und nicht nur in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt.
 
Ebenso soll sich der Freistaat Bayern auf Bundesebene für Verbesserungen einsetzen. Neubauwohnungen, die erstmals vermietet werden, sind von der Mietpreisbremse ausgenommen, ebenso wie die erste Vermietung nach einer umfassenden Modernisierung. Dies dient der Investitionsförderung und soll Neubau und Modernisierung von Wohnungen fördern. Dabei ist klar, dass wir die Frage nach dem „ob“ einer solchen Förderung bejahen. Hinsichtlich des „wie“ fordern wir jedoch, dass diese Investitionsförderung nicht zu Lasten der Mieter*innen geschieht, sondern durch staatliche Investitionen und Unterstützungsmaßnahmen. Die Ausnahme von Neubauwohnungen und umfassend modernisierten Wohnungen von der Mietpreisbremse soll daher künftig nicht mehr bestehen und Investitionen stattdessen von staatlicher Seite ermöglicht werden.
 
Der Mietspiegel gibt einen Überblick über die „ortsübliche Vergleichsmiete“. Sie wird gebildet aus den üblichen Entgelten, die in der Gemeinde für Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage einschließlich der energetischen Ausstattung in den letzten vier Jahren vereinbart worden sind. Dieser kurze Zeitrahmen von vier Jahren und die Tatsache, dass im Mietspiegel nur Neuvermietungen berücksichtigt werden und nicht etwa bereits bestehende, meist wesentlich günstigere Mietverträge, kann die Realität jedoch nicht ausreichend widerspiegeln. Wir fordern daher, den für den Mietspiegel maßgeblichen Zeitrahmen über vier Jahre hinaus auszudehnen und im Mietspiegel nicht nur Neuvermietungen, sondern auch bereits bestehende Altverträge mit zu berücksichtigen.
 
Auch hinsichtlich der Bemessungsgrundlage der Miethöhe besteht Nachbesserungsbedarf.
Die Höhe von Kaltmiete und Nebenkosten soll sich zukünftig nach der tatsächlichen Größe der Wohnung in Quadratmetern bemessen. Das Risiko von Abweichungen wegen möglichen Messungenauigkeiten sollen künftig die Vermieter als Eigentümer tragen und nicht die Mieter. Wir fordern, dass die bisherige Rechtsprechung des BGH durch eine gesetzliche Regelung aufgehoben wird, nach der derzeit bis zu 10% Abweichung zugunsten der Vermieter durch die Mieter toleriert werden müssen.
 
Schließlich muss dem Verlust von Wohnraum durch Zweckentfremdung entgegengewirkt werden. Durch Internetplattformen wie Airbnb lässt sich durch eine zweckentfremdete und meist dauerhafte Nutzung als lukrative Ferienwohnung viel mehr Gewinn erzielen, als durch eine reguläre Vermietung als Wohnraum. Gleichzeitig ist die Gewerbesteuer eine der wichtigsten Einnahmequellen von Gemeinden, so dass die Gefahr einer Umwandlung von Wohnraum in Gewerbeflächen besteht. Der dringend benötigte Wohnraum wird dadurch weiter reduziert. Um Wohnraum zu schützen und gleichzeitig die kommunale Selbstverwaltung zu wahren, sind Zweckentfremdungen von Wohnraum nur nach Genehmigung durch die Gemeinden möglich. Dies gilt jedoch nur, wenn die jeweilige Gemeinde dies ausdrücklich durch Erlass einer Satzung geregelt hat. Ist dies nicht geschehen, kann der Wohnraum je nach Belieben der Eigentümer*innen umgenutzt werden. Dadurch besteht eine Gefahr der Verdrängung von Mieter*innen aus ihren Wohnungen wegen meist profitablerer Gewerbemietvertragseinnahmen oder spekulativen Leerstand sowie eine uneinheitliche und undurchsichtige Rechtslage je nach Gemeindegebiet. Wir fordern eine bayernweit einheitliche Regelung, nach der das Genehmigungserfordernis der Gemeinden flächendeckend besteht und die weitere Verschärfung des Strafmaßes bei Verstoß gegen die Regelungen der Zweckentfremdungssatzungen. Leerstehender oder zweckentfremdeter Wohnraum soll durch die Gemeinden zwangsweise wiedervermietet werden können. Dabei soll eine soziale Bindung der Mieten etabliert werden um einen etwaigen spekulativen Mietanstieg zu vermeiden.
 
Daher fordern wir

  • Flächendeckender Einsatz der Mietpreisbremse
  • Streichung der Ausnahmetatbestände “möblierte Wohnung” und “Neubau” für die Gültigkeit der Mietpreisbremse
  • Weiterentwicklung des Mietspiegels, sodass dieser nicht länger den bedingten, erwarteten Mietpreis der in den letzten vier Jahren neuvermieteten Wohnungen im freifinanzierten Wohnungsbau mit Ausnahme von Ausreißern darstellt, sondern durch Einbeziehung von Bestandsmieten auch im nicht gewinnorientierten Wohnungsbau den tatsächlichen Mietpreis vergleichbarer Wohnobjekte abbildet. Zur Etablierung allgemeiner, gerichtlich anerkannter wissenschaftlicher Maßstäbe zur Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels ist ein Standard-Modellrahmen durch das Statistische Bundesamt zu erarbeiten, welcher als Vorlage für das Erstellen von Mietspiegeln dienen soll. Ferner ist die Möglichkeit, anstelle des Mietspiegels die Vergleichsmiete gutachterlich durch Mitteln der Mieten sog. vergleichbarer Objekte bei Existenz eines qualifizierten Mietspiegels zu streichen.
  • Berechnungsgrundlage der Mieten sollen die tatsächlichen Wohngrößen sein.
  • Verschärfung des möglichen Strafmaßes für Zweckentfremdungen und zentrale Wiederbelegung zweckentfremdeten Wohnraums unter sozialen Bindungen durch die Kommunen

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Schaffung von bezahlbarem Wohnraum

Eine der größten Herausforderungen in der Wohnungspolitik stellt die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum dar. Die Zahl der Menschen, derer Einkünfte nicht mehr ausreichen, um die hohen Mietpreise zu bezahlen oder sich gar Wohneigentum zu erarbeiten, steigt stetig. Für viele Menschen mit geringem oder mittlerem Einkommen wird es immer schwerer, in den bayerischen Städten und Gemeinden noch bezahlbaren Wohnraum zu finden. Und selbst dann, wenn nach langer Suche geeigneter Wohnraum gefunden wurde, geht ein unverhältnismäßig hoher Prozentanteil des monatlichen Einkommens für die Zahlung der Miete drauf. Die Wohnungspreise in München gehören sogar zu den höchsten in Deutschland und auch längerfristig ist auf dem Wohnungsmarkt im Freistaat mit keiner Entspannung zu rechnen.
 
Eine zentrale Maßnahme, um gegen die Wohnungsnot in Bayern vorzugehen, ist ein Anstieg der Bautätigkeit. Daher muss in den nächsten Jahren von staatlicher Seite ein erhöhtes Engagement gezeigt werden und der Neubau vieler bezahlbarer Wohnungen mit finanziellen Mitteln gefördert werden. Dabei sind insbesondere die Kommunen bei der Schaffung oder der Ausweitung von sozial gefördertem Wohnraum im Kommunalen Bestand zu unterstützen.
 
Aber auch der Freistaat soll wieder als Akteur auf dem Wohnungsmarkt auftreten und seiner Verpflichtung gerecht werden, bezahlbaren Wohnraum – insbesondere auf für seine eigenen Beschäftigten – zu schaffen. Der Verkauf tausender GBW Wohnungen im Zuge der Pleite der Landesbank an ein privates Investorenkonsortium war ein fataler Fehler und verantwortlich für den Wegfall großer Bestände bezahlbaren Wohnraums. Die eingegangenen Sozialverpflichtungen haben sich fortlaufend als leere Versprechungen erwiesen.
 
Zu diesem Zweck soll eine staatliche Wohnungsbaugesellschaft gegründet und mit den entsprechenden Mitteln ausgestattet werden um dauerhaft bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
Wo der Freistaat nicht selber aktiv wird sollen Flächen im staatlichen Besitz den Kommunen zweckgebunden für sozialen Wohnungsbau verbilligt zur Verfügung gestellt werden. Die von der Immobilienverwaltung des Freistaates Imby betreuten Liegenschaften sollen nicht zu marktüblichen Preisen sondern zu einem deutlich reduzierten Preis für gemeinnützige, soziale Zwecke zur Verfügung gestellt werden. Dies gilt nicht nur für bisher nicht bebaute Flächen, sondern auch für die Flächen, die derzeit in Erbbaurecht an Genossenschaften vergeben sind.
 
Genossenschaften, als selbstorganisierte Form der nicht gewinnorientierten gemeinnützigen Wohnungsbewirtschaftung sollen von staatlicher Seite unterstützt und Neugründungen durch Beratung und organisatorische Hilfe gefördert werden.
 
Insbesondere auch für Junge Menschen fehlt es in Bayern an bezahlbaren und an ihre Bedarfe angepassten Wohnraum. Hier muss staatliche Förderung ansetzten um Jungen Menschen, Student*innen, Auszubildenden und jungen Arbeitnehmer*innen einen Start in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen. Grade ihnen fällt es oft besonders schwer sich auf dem Wohnungsmarkt überhaupt zu versorgen, sind doch häufig hohe Bürgschaften und Kautionen zu stellen sowie unbefristete Festanstellung Voraussetzung für den Zuschlag zu einer Wohnung.
 
Daher braucht es ein Landesförderprogramm für “Junges Wohnen” das die zweckgebundene Errichtung von bedarfsgerechtem Wohnraum für junge Menschen insbesondere durch kommunale und gemeinnützige Träger ermöglicht.
 
Gleichzeitig muss der Freistaat Bayern die bedarfsangemessene Ausstattung der Student*innenwerke sicherstellen. Insbesondere in den Universitätsstädten mangelt es an bezahlbarem Wohnraum, häufig gibt es viel zu wenige Plätze in den Wohnheimen. In Kooperation mit kommunalen und gemeinnützigen Trägern muss daher neuer Wohnraum für Studierende geschaffen werden.
 
Insbesondere Auszubildenden und Berufseinsteiger*innen fällt es schwer eine bezahlbare Wohnung zu finden. Projekte für “Auszubildenden Wohnen” in kommunaler oder gemeinnütziger Hand sollen durch den Freistaat gefördert werden. Auch müssen die Investitions- und Erhaltungskostenzuschüsse für Auszubildenden- und Blockschulwohnheime durch die Landesebene wieder eingeführt und erhöht werden, um die angemessene Unterbringung von Berufsschulpflichtigen während ihrer Schulzeiten sicherzustellen.




Daher fordern wir:

  • Schaffung einer staatlichen Wohnungsbaugesellschaft, die zweckgebunden bezahlbaren Wohnraum schafft
  • Förderung und Unterstützung der Gemeinden bei der Schaffung sozial geförderten und preisgedämpften Wohnraums
  • Preislimitierte Abgabe von Liegenschaften des Freisaats an Kommunen und gemeinnützige Träger*innen zur zweckgebundenen Errichtung von sozial gefördertem und preisgedämpften Wohnungbau
  • Preislimitierte Verlängerung der Erbbaurechte oder Flächenabtretung für die bestehenden Genossenschaftswohnungen auf Liegenschaften des Freistaats Bayern
  • Förderung von Genossenschaften und Unterstützung von Genossenschaftsneugründungen
  • Einrichtung eines Förderprogramms “Junges Wohnen” für zweckgebundenden kommunalen oder gemeinnützigen Wohnungsbau
  • Verbesserung der Ausstattung der Studierendenwerke
  • Förderung von Projekten zur Schaffung von Wohnraum für Auszubildende
  • Wiedereinführung eines Investitions- und Erhaltungskostenzuschusses für Auszubildenden- oder Blockschulwohnheime

B5 Erste-Hilfe-Kurs für alle Schüler*innen!

29.11.2018

Wir fordern die Einführung eines verpflichtenden, kostenfreien Erste-Hilfe-Kurses für alle Schüler*innen der 8. Jahrgangsstufe in allen Schularten. Zudem soll es darauf aufbauend jährlich einen Erste-Hilfe-Auffrischungskurs geben.

B4 Bildung – jetzt mal richtig!

29.11.2018

Freie, solidarische und demokratische Bildung ist ein zentrales Anliegen der Arbeiter*innenbewegung.
Bildung darf nicht nur Ausbildung und Qualifizierung für das Berufsleben sein. Bildung ist ein Mittel zur sozialen Inklusion, zum sozialen Aufstieg und zur Teilhabe an einer demokratischen Gesellschaft. Wir bekennen uns zu einem sozialistischen Bildungsideal.
Frei – Die Finanzierung von Bildung ist eine staatliche und gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wer die Kosten von Bildung privatisiert, schließt Menschen von dieser aus. Denn Chancengerechtigkeit ist nur möglich, wenn der Zugang zu Bildung nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängt. Deshalb muss Bildung für alle kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. Weder Gebühren oder das Geld für den Schulbus, noch Kosten für Arbeitshefte und Malkästen dürfen eine Hürde darstellen.
Daher fordern wir: Freie Bildung von der Kita bis zum*zur Meister*in/Master*in!
Solidarisch – Wir stehen für eine inklusive Gesellschaft und ein inklusives Bildungssystem. Wir wollen ein gemeinschaftliches Lernen aller Menschen unabhängig von ihrer sozialen Herkunft, ihrer sexuellen Identität, ihrem kulturellen Hintergrund oder ihrer Religion. Ein sozialistisches Bildungssystem fördert den offenen Austausch zwischen verschiedenen Gruppen innerhalb der Gesellschaft. Dies ist mit dem dreigliedrigen Schulsystem nicht möglich. Die Aufteilung in Schularten mit unterschiedlicher gesellschaftlicher Anerkennung manifestiert soziale Ungerechtigkeit.
Wir bekennen: Bildung ist ein Menschenrecht!
Demokratisch – Bildung muss selbstbestimmt sein. In einer demokratischen Gesellschaft sind Mitbestimmung und Partizipation in Bildungseinrichtungen selbstverständlich. Individuelle Bildungsansätze ermöglichen die Emanzipation von gesellschaftlichen Normen, stärken die eigenständige und kritische Meinungsbildung und lehren die Wertschätzung anderer Meinungen im demokratischen Diskurs. Frontalunterricht und starre Lehrpläne haben also ausgedient. Es bedarf der flächendeckenden Umsetzung neuer Lernkonzepte. Die rückständige Disziplinierung durch Strafen muss durch eine menschenfreundliche Feedbackkultur, die Lernfortschritte dokumentiert und würdigt, ersetzt werden. Oberste Aufgabe von Bildung ist die Förderung der persönlichen Entwicklung.
Deshalb fordern wir: Mehr Demokratie und Mitbestimmung!
Immer wieder haben reaktionäre Kräfte versucht, Bildung zu einem exklusiven Luxusgut zu machen. Sei es durch die Einführung von Studiengebühren, die Abschaffung der Lernmittelfreiheit oder der Verfassten Studierendenschaft. Nach wie vor finden sich diese reaktionären Ansätze in unserem Bildungssystem. Jetzt sind wir am Zug: Weg damit! Hin zu einem sozialistischen Bildungssystem.
A – Frühkindliche Bildung
1. Ausbau der Kita- und Krippenplätze
Kindertageseinrichtungen stellen insbesondere für Alleinerziehende und Familien, in denen beide Elternteile arbeiten, eine bedeutende Entlastung dar.
Zum 01. März 2016 lag die Betreuungsquote für Kinder unter drei Jahren in Bayern bei 27,2%. Bundesländer wie Brandenburg (57,2%) oder Sachsen-Anhalt (57%) und zahlreiche Bedarfserhebungen in Bayern zeigen, dass der Bedarf an Betreuungseinrichtungen weit über den in Bayern zur Verfügung stehenden Kapazitäten liegt. Da der Betreuungsbedarf für unter 1-Jährige sehr gering ist, der Betreuungsbedarf für 2- bis 3-Jährige aber bei etwa 90% liegt, ist eine Betreuungsquote von circa 60% der unter 3-Jährigen als bedarfsdeckend zu betrachten. Um diese Zielzahl zu erreichen ist ein massiver Ausbau der Kindertageseinrichtungen zu forcieren.
2. Beitragsfreiheit für Kitas und Krippen
Um frühkindliche Bildung für alle zu ermöglichen, braucht es neben dem dringenden Ausbau von Kita- und Krippenplätze auch die Beitragsfreiheit. Diese entlastet vor allem einkommensschwache Familien und stärkt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Um die Kommunen nicht übermäßig zu belasten muss der Freistaat Bayern in vollem Umfang für die entfallenden Beiträge aufkommen.
3. Schwimmunterricht schon im Kindergarten
Das Durchschnittsalter beim Erlernen des Schwimmens beträgt laut Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS) Welle 1 des Robert-Koch-Instituts etwa sechs Jahre. Des Weiteren stellt die Studie fest, dass Schwimmenlernen stark mit dem sozialen Status korreliert. So erlernen Kinder mit niedrigem Sozialstatus das Schwimmen im Durchschnitt erst mit knapp sieben Jahren, Kinder mit hohem Sozialstatus bereits mit fünfeinhalb Jahren.
Wir fordern daher die bayernweite Einführung des kostenlosen Schwimmunterrichts ab dem zweiten Kindergartenjahr. Ein Schwimmbadbesuch oder gar die Finanzierung eines privaten Schwimmkurses stellen eine finanzielle Belastung dar, die gerade von finanzschwachen Personen nicht getragen werden kann. Hier müssen deshalb staatliche Angebote geschaffen werden, um schon das Schwimmenlernen sicherzustellen. Dazu bieten sich insbesondere Kindergärten an, da sie von einem hohen Prozentsatz der Kinder besucht werden und das Kindergartenalter dem Alter entspricht, in dem Kinder de facto das Schwimmen erlernen.
Um dem dadurch entstehenden Bedarf gerecht zu werden, fordern wir des Weiteren ein flächendeckendes Ausbau- und Sanierungsprogramm für öffentliche Schwimmbäder.
B – Schulische Bildung
1. Gemeinschaftsschulen
Als Beitrag zur Chancengerechtigkeit wollen wir eine Schule für Alle. Wir bekennen uns zur Gemeinschaftsschule und möchten, dass alle Kinder und Jugendlichen gemeinsam lernen können. Innerhalb der Gemeinschaftsschulen sollen einzelne Fächer in unterschiedlicher Stundenzahl angeboten werden, sodass die Schüler*innen je nach individuellen Interessen wählen können.
Voraussetzung für eine gelingende Gemeinschaftsschule ist ein hoch individualisierter Unterricht, der am Wissensstand jeder*s Einzelnen ausgerichtet ist. Die Wahlmöglichkeiten müssen – insbesondere in höheren Jahrgangsstufen – im Vergleich zum heutigen Stand massiv erweitert werden. Dies führt zu einem erhöhten Bedarf an pädagogischem Personal, der durch die Schaffung neuer Stellen abgedeckt werden muss. An jeder Schule ist ein breites Angebot von naturwissenschaftlichen bis hin zu künstlerischen oder sprachlichen Schwerpunkten zu schaffen. Es darf kein Schulwechsel erforderlich sein, um die gewünschten Inhalte belegen zu können.
An der Gemeinschaftsschule können je nach den Zukunftswünschen der Schüler*innen unterschiedliche Bildungsabschlüsse erreicht werden. Hierfür findet eine frühzeitige individuelle Beratung zur Entwicklung des Bewusstseins über Stärken und Interessen für jede*n Schüler*in statt. Auch die Schwerpunktsetzung in den Abschlussprüfungen erfolgt individuell.
2. Inklusion
Die Schule für Alle muss auch eine inklusive Schule sein, bei der Schüler*innen mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf gemeinsam unterrichtet werden. Wir Jusos sind uns sicher, dass alle Menschen unterschiedlich sind. Für uns gibt es keinen Grund, einzelne Menschen aufgrund ihrer Andersartigkeit auf eigene Schulen zu schicken. Wir begreifen Vielfalt als eine Bereicherung für die Gesellschaft.
Von einem inklusiven Bildungssystem, das mit der Schule für Alle gefordert wird, profitieren nicht nur Schüler*innen mit Förderbedarf, sondern alle. Beim gemeinsamen Lernen werden nicht nur kognitive Fähigkeiten erlernt, vor allem die sozialen und mitmenschlichen Umgangsformen werden gefördert.
Inklusion an Schulen ist mehr als eine bloße Forderung, sondern vielmehr ein Menschenrecht! Die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) schreibt vor, dass Menschen mit Behinderungen in allen Bereichen des Lebens das Recht auf Teilhabe besitzen. Insbesondere im Bereich der inklusiven Bildung wirkt dieses Recht auf einen Paradigmenwechsel im Bereich der Schule hin, da es bis zur Ratifizierung der UN-BRK im Jahr 2009 für Schüler*innen mit Beeinträchtigungen nahezu unmöglich war, eine allgemeine Schule zu besuchen. Dies änderte sich durch den Artikel 24 UN-BRK, welcher Menschen mit Behinderungen das Recht auf die Beschulung an einer allgemeinen Schulen zuspricht und so einen entsprechenden gesetzlichen Anspruch darauf formuliert. Leider ist die separate Beschulung von Menschen mit Behinderungen heute noch weit verbreitet. Die Gründe dafür sind vielfältig und liegen nicht nur daran, dass sehr viele Schulen nicht die Grundstandards der Barrierefreiheit erfüllen. Inklusive Beschulung ist geht ebenfalls mit einem Mehrbedarf an Unterrichtsstunden einher, da sich vielmals die Unterstützung durch eine sonderpädagogische Fachkraft als sinnvoll erweist und so zwei Lehrkräfte in einer Klasse gebraucht werden. Deswegen fordern wir mehr Unterrichtsstunden für sonderpädagogische Fachkräfte an allgemeinen Schulen zur Umsetzung der Inklusion sowie Unterrichtsprogramme zur Sensibilisierung von Menschen ohne Behinderung, um latenten Berührungsängsten entgegenzuwirken.
3. Alternative Bewertungsformen – Abschaffung von Noten
Differenzierte Rückmeldung und Feedback sind für die Beobachtung des Lernerfolgs notwendig. Noten tragen wenig zu dieser notwendigen Reflektion des Wissensstandes bei: Mangelnde Objektivität bis hin zu Willkür, insbesondere bei mündlichen Noten, schränken die Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit massiv ein. Statt Schüler*innen auf einer Skala einzuordnen sollten differenzierte Lernfortschrittsgespräche mit den Pädagog*innen geführt und dokumentiert werden. So wird klar, an welchen Schwächen die Kinder und Jugendlichen im nächsten Lernabschnitt fokussiert arbeiten und welche Stärken weiter ausgebaut werden sollen. Sie sollen dabei gemessen an ihrer individuellen Förderbedürftigkeit gefördert werden – dies gilt auch, oder besonders, für Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf.
Aus der Abschaffung von Noten resultiert auch die Forderung nach der Abschaffung des Sitzenbleibens. Sowohl Noten als auch das Sitzenbleiben bauen Leistungsdruck auf, der zu Schulangst und Schulverweigerung führen kann. Mit der Abschaffung von Noten und des Sitzenbleibens wird den Schüler*innen dieser Druck genommen.
4. Kleinere Klassen, mehr Lehrer*innen
Je kleiner eine Schulklasse ist, desto stärker kann ein*e Lehrer*in auf jede einzelne Person eingehen – also sowohl für Schüler*innen mit als auch ohne sonderpädagogischen Förderbedarf. Dadurch verbessert sich der Unterricht maßgeblich. Wir fordern daher, dass Bayern mehr Lehrer*innen einstellt.
Dies führt zur Möglichkeit der Individualisierung der Lehrangebote. Unterrichtsinhalte führen durch Einbezug der Stärken und Schwächen der jeweiligen Schüler*innen an den Bedürfnissen ausgerichtet zu einer nachhaltigeren Nutzung der Unterrichtszeit und sorgen für bessere Lernerfolge.
Langfristig sind nicht mehr als 18 Kinder pro Klasse zu unterrichten. Bei der Anzahl der Schüler*innen ist darauf zu achten, dass Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf meist mehr Zuwendung durch die Lehrkraft benötigen. Wenn in einer Klasse mehr Schüler*innen mit Förderbedarf unterrichtet werden, sollte die Klassengröße kleiner sein.
Eine Aufstockung der Stellen für Lehrer*innen sorgt außerdem dafür, dass bei Ausfall einer Lehrkraft das Abhalten des Unterrichts weiterhin sichergestellt ist. Die Einstellung der Lehrkräfte muss unbefristet erfolgen. Die derzeitige Politik des Kultusministeriums, Lehrkräfte maximal mit 1-Jahres-Verträgen anzustellen, führt vor allem im letzten Teil des Schuljahres zu massiven Qualitätseinbußen im Unterricht. Die betroffenen Lehrkräfte müssen nicht nur Zeit dafür verwenden, eine neue Stelle zu finden, sondern sind auch psychisch aufgrund der fehlenden Zukunftsperspektive belastet.
5. Beratungsangebote an Schulen stärken
Die Beratungsteams an bayerischen Schulen müssen massiv ausgebaut werden. Schulpsycholog*innen und Beratungslehrkräfte müssen ausreichend Anrechnungsstunden für ihre beratende Tätigkeit erhalten. Hier veranschlagen wir für die Lehrkräfte des Beratungsteams mindestens zwei Anrechungsstunden pro 100 Schüler*innen. Zusätzlich ist eine Stunde pro Woche zur Vernetzung des Teams, für Supervision und kollegiale Fallberatung einzuplanen.
Darüber hinaus fordern wir, dass an jeder Schule mindestens eine*n Sozialarbeiter*in in Vollzeit und unbefristet eingestellt werden muss. An größeren Schulen müssen mehr Sozialarbeiter*innen eingestellt werden. Außerdem müssen Schulen die Möglichkeit haben, besonderen Bedarf an Sozialarbeitenden melden zu können. In dem Fall muss das Land Bayern dazu verpflichtet werden können, an diesen Schulen schnellstmöglich zusätzliche Sozialarbeitende einzustellen.Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass die Beratungsteams angemessen ausgestattet sind.
6. Mehr Politikunterricht
In jeder Schule in Bayern soll es ab der 5. Klasse bis zum Abschluss mindestens eine Stunde in der Woche Politikunterricht geben. Dieser Unterricht darf sich dabei nicht auf die theoretische Vermittlung von Wissen über politische Systeme beschränken, sondern muss konkrete Demokratieerlebnisse schaffen. So soll in einem Teil der Stunde über aktuelle Themen, welche von den Schüler*innen kurz vorgestellt werden, diskutiert werden. Den Schüler*innen muss gezeigt werden, dass ihre Beiträge zum demokratischen Diskurs für unsere Gesellschaft wichtig sind. Nicht mehr nur die formal-institutionellen Strukturen der Demokratie sollten auf den Lehrplänen stehen, sondern gesellschaftliche Streitthemen, Mitmachmöglichkeiten und der praktische Austausch mit Parteien, Politiker*innen und Aktiven. Demokratie muss praktisch erprobt und kennengelernt werden. Die Durchführung von “Politiktagen“, bei denen Bürger*inneninitiativen, Parteien, Gewerkschaften und Verbände Workshops an Schulen anbieten, regelmäßige Demokratietrainings und ein regelmäßiger Kontakt zu den Wahlkreiskandidat*innen sind neben den neuen Instrumenten der Netzdemokratie nur einige Beispiele, um den Sozialkundeunterricht lebensnäher und interessanter zu gestalten.
7. Digitalisierung der Bildung
Die fortschreitende Digitalisierung aller Lebensbereiche bietet Potentiale für die Bildungseinrichtungen. Wir stellen fest, dass die Lebensrealität von jugendlichen insbesondere im Hinblick auf Kommunikation bereits wesentlich digital geprägt ist.
Technologien ermöglichen an vielen Stellen eine anschauliche und einfacher zugängliche Darstellung von Lerninhalten. Diese Potentiale sollen ergänzend zu bestehenden Methoden genutzt werden. Grundlage hierfür ist einerseits die entsprechende Qualifizierung der Lehrkräfte. Jugendliche bringen die notwendigen Qualifikationen oft bereits mit: Eine Fokussierung auf individuelle Lernmethoden statt reinem Frontalunterricht macht die bereits vorhandenen Erfahrungen der Schüler*innen nutzbar.
Andererseits muss die Schule aber auch klar die Risiken und Probleme
der Digitalisierung adressieren und eine kritische Auseinandersetzung fördern. Dies beginnt bei der Nutzung von reichweitenoptimierten sozialen Netzwerken und deren Auswirkung auf das Verhalten von Kindern und Jugendlichen und reicht von digitalen Geschäftsmodellen, bei denen wenige vom Inhalt vieler profitieren, bis hin zu politischen Dimensionen von Digitalisierung wie dem Eigentum an Daten oder ähnlichem. Dabei muss die Thematisierung dieser Inhalte in kritischen Reflexionsprozessen abgebildet sein.

Die Schule muss Medienkompetenzen vermitteln. Schüler*innen sollen motiviert werden ihr Konsumverhalten im Bezug auf digitale Medien kritisch einzuschätzen und zu hinterfragen. Auch die Bewertungskompetenz unterschiedlicher Qualitäten von Quellen im Internet oder Recherchekompetenzen können hier als Beispiele genannt werden.
Schule muss sich an der Lebensrealität der Jugendlichen orientieren. Hierzu gehört zuvorderst die Abschaffung des Handyverbots zugunsten von individuellen Regelungen, die das Schulforum an jeder Schule unter Beteiligung der Schulfamilie festlegen soll. Verbote verhindern den kritischen Umgang. Dass außerhalb der Schulen viele der Probleme, die als Gründe für das Handyverbot angeführt werden, weiterhin existieren, wird ignoriert.
Die Abschaffung des Verbots digitaler Speichermedien bietet auch Potentiale für die Unterrichtsgestaltung: Jugendliche können bei Verständnisproblemen einzelner Aspekte selbstständig recherchieren.
Wir sehen die öffentliche Hand in der Pflicht für eine angemessene Infrastruktur und Ausstattung an den Schulen zu sorgen. Dies beinhaltet schnellen und hochverfügbaren Internetzugang sowie unterschiedliche Endgeräte für unterschiedliche Zwecke. In einer Übergangszeit ist dafür zu sorgen, dass auch privat mitgebrachte Geräte barrierefrei nutzbar sind und beispielsweise keine Limitierungen im Hinblick auf WLAN-Netze existieren.
Die Digitalisierung der Bildung muss gestaltet und unter Einbeziehung der Schüler*innen entwickelt werden. Es reicht nicht, Hefte durch iPads zu ersetzen: Der Freistaat Bayern soll ein umfassendes und ganzheitliches Konzept erstellen.
Damit Schüler*innen einen kompetenten Umgang mit diesen Medien erlernen, braucht es endlich ein fundiertes medienpädagogisches Konzept für alle bayerischen Schulen. Das Konzept muss sich insgesamt auf drei Ebenen widerspiegeln: in verbesserten Lehrplänen, in einer gezielteren Lehrer*innenfortbildung zu diesem Thema und ganz besonders im Aufbau des Lehramtsstudiums. Für die Lehramtsstudiengänge an den bayerischen Universitäten und Hochschulen fordern wir konkret eine Reform beim Erweiterungsfach Medienpädagogik. Es soll in seiner jetzigen Form aufgelöst werden und seine Lehrinhalte zu Pflichtveranstaltungen für alle Lehramtsstudent*innen in Bayern werden.
Dafür braucht es Anpassungen beim bayerischen Lehrerbildungsgesetz, bei der Lehramtsprüfungsordnung (I+II), sowie den Studien- und Prüfungsordnungen der einzelnen Universiäten. Hat eine Universität oder Hochschule das Fach noch nicht in seinen Angebot, ist sie dazu aufgefordert, so schnell wie möglich passende Strukturen und Inhalte zu schaffen. Das Kultusministerium soll hierbei unterstützen und entsprechende Finanzmittel zur Verfügung stellen.“
8. Demokratie an Schulen
Eine der Kernaufgaben von Schule ist die Vorbereitung auf eine demokratische Gesellschaft. Positive demokratische Erfahrungen sind hierfür die Grundvoraussetzung. Jugendliche brauchen Erlebnisse, die ihnen deutlich machen, dass jede Meinung wichtig ist und berücksichtigt wird.
Die Schule muss dabei in zwei Bereichen ansetzen: Erstens in der Demokratisierung des Unterrichts, bei der Jugendliche selbst bestimmen können, welche Lerninhalte sie vertiefen möchten und wie der Unterricht inhaltlich und methodisch aufgebaut sein soll. Die Lehrmethoden sollen dabei durch Alternativen zum Frontalunterricht weniger auf die Lehrkraft sondern mehr auf die Schüler*innen ausgerichtet sein. Teamarbeit und eigenständiges Arbeiten fördern dabei Kompetenzen, die im Rahmen der Meinungsbildung unabdingbar sind.
Daneben ist aber auch eine Förderung der Schüler*innenmitverantowrtung notwendig. Schüler*innen müssen die Möglichkeit haben, ihren Schulalltag mitzugestalten und bei Fragen der Organisation des Schulalltags mitzubestimmen. Die SMVen müssen zu einer Schüler*innenvertretung werden, die echte Mitspracherechte und Kompetenzen hat. Die Vertretung der Meinungen soll auf Schulebene sowie übergreifend in bildungspolitischen Diskussionen eingebracht und gehört werden.
In den Schulen ist die Arbeit der SMVen durch die Zurverfügungstellung von Räumlichkeiten (SMV-Zimmern) verpflichtend zu unterstützen.
Des Weiteren erachten wir die Abschaffung des Führens von Absentenbüchern durch zwei Schüler*innen als längst überfällig. Mittels neuer Programme fordern wir, dass Fehltage und Fehlstunden von den Lehrkräften zu Beginn der Stunde am PC eingetragen werden. Die Klassenleitung ist ebenfalls dafür zuständig, die Entschuldigungen selbst einzusammeln. Dass diese Aufgabe von Schüler*innen, welche in diesem Fall lediglich als Gehilf*innen von Lehrkräften fungieren, übernommen wird, ist für uns unter anderem auch aus dem Aspekt des Datenschutzes inakzeptabel. Wir lehnen es außerdem ab, dass einzelnen Schüler*innen eine Kontroll- und Überwachungsfunktion über den gesamten Klassenverband zugesprochen wird. Dadurch wird der Zusammenhalt innerhalb des Klassenverbandes unterwandert.
C – Hochschule und Forschung
1. Solide Grundfinanzierung, Drittmittel und Entfristungsoffensive
Die Grundfinanzierung der bayerischen Hochschulen ist massiv zu erhöhen. Zustände wie an der Technischen Universität München, die sich zu einem Drittel aus Drittmitteln finanziert, sind untragbar. Drittmittel verbessern nicht Lehre und Studium, sie stehen nur für einen begrenzten Zeitraum für sehr spezifische Spitzenforschung zur Verfügung. Weder die über Drittmittel finanzierten Wissenschaftler*innen noch die Hochschulen verfügen über langfristige Planungssicherheit.
Außerdem fällt das Gros der Drittmittel im Bereich der sogenannten MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) an. Es fehlt dadurch insbesondere im geistes- und kulturwissenschaftlichen Bereich an Forschungsgeldern. Da die Höhe der eingeworbenen Drittmittel zu Unrecht als Qualitätsmerkmal einer Hochschule gilt, geht damit eine Abwertung der geistes- und kulturwissenschaftlichen Disziplinen innerhalb der Hochschulen und letztlich in der gesamten Hochschullandschaft einher.
Zudem kaufen sich private Unternehmen auf diesem Weg billig in Forschungsprojekte ein. Mit dem Ergebnis, dass ihre Forschungsprojekte von der staatlich finanzierten Infrastruktur profitieren. Von der erbrachten Forschungsleistung und etwaigen Patenten, die aus der Forschung resultieren, profitieren aber meist nur die Unternehmen. Dafür stehen staatliche Institutionen nicht zur Verfügung. Ihre Forschung dient der Allgemeinheit!
Die Grundfinanzierung ist daher soweit zu erhöhen, dass sie den Großteil der bisher durch Drittmittel finanzierten Forschung und Lehre trägt. Die Drittmittelfinanzierung der Hochschulen ist entsprechend zu beschränken, insbesondere im Bezug auf Forschungsgelder nicht-staatlicher Einrichtungen.
Über die Erhöhung der Grundfinanzierung sind auch neue Dauerstellen einzurichten, bestehende Verträge müssen entfristet werden. Der Freistaat Bayern verpflichtet sich, seinen Beitrag zu bundesweit 50.000 neuen Dauerstellen an den Hochschulen zu leisten.
Wir fordern eine Zivilklausel für alle Hochschulen in Bayern, die im Bayerischen Hochschulgesetz (BayHSchG) verankert wird, sowie für alle weiteren Forschungseinrichtungen des Freistaats. Werbung für die Bundeswehr lehnen wir in allen Bildungseinrichtungen ab.
2. Tarifvertrag für studentische Hilfskräfte
Wir fordern einen Tarifvertrag für studentische Hilfskräfte (TV-Stud). Ein solcher Tarifvertrag, wie es ihn in Berlin gibt, gewährleistet gleiche Bezahlung bei gleicher Arbeit und schafft Rechtssicherheit für Studierende und Hochschulen. Bisher sind Studierende dem Gutdünken der jeweiligen Institute und Hochschulen ausgeliefert. Der Tarifvertrag muss für alle Forschungseinrichtungen des Freistaat Bayern gelten, auch solche, die nicht direkt an Hochschulen angegliedert sind.
Ein Tariflohn von 14€ ist als angemessen zu betrachten. Die Lohn-
entwicklung ist an die Lohnentwicklung der anderen Hochschulbeschäftigten und somit den Tarifvertrag der Länder (TV-L) zu koppeln. Ebenso ist der Urlaubsanspruch an den TV-L zu koppeln. Da Bayern anders als Berlin ein Flächenland mit regional stark unterschiedlichen Lebenshaltungskosten ist, sind je nach Studien- und Arbeitsort Zuschläge zu gewähren. Eine monatliche Mindestarbeitszeit von 40 Stunden garantiert ein erträgliches Nebeneinkommen. Die Höchstarbeitszeit von 80 Stunden pro Monat gewährleistet genug arbeitsfreie Zeit zur Fortsetzung des Studiums. Eine Beschäftigungsdauer von mindestens vier Semestern schafft Planungssicherheit und ermöglicht Studierenden einen ausreichenden Einblick in die wissenschaftliche Arbeitswelt. Der Tarifvertrag muss darüber hinaus Regelungen zur freiwilligen Reduzierung der Mindestarbeitszeit, zu angemessenen Vor- und Nachbereitungszeiten, zum Ausschluss von Bereitschaftsdiensten und einem mindestens zehntägigen Bildungsurlaub enthalten.

3. Demokratisierung der Hochschulen
Zentrales Element ist die Wiedereinführung der 1973 abgeschafften Verfassten Studierendenschaft. Bayern ist das einzige Bundesland, das seinen Studierenden dieses basale Element demokratischer Teilhabe verwehrt. Aufgabe der Allgemeinen Studierendenausschüsse (AStA) war und ist die Vertretung der Interessen der Studierenden gegenüber den gesellschaftlichen Akteur*innen.
Wir fordern daher, dass die Verfassten Studierendenschaften als rechtsfähige öffentlich-rechtliche Teilkörperschaften der jeweiligen Hochschulen wieder eingeführt werden. Sie müssen mit Satzungs- sowie Finanzautonomie und einem allgemeinpolitischen Mandat ausgestattet werden. Zudem fordern wir die Einrichtung einer Landesstudierendenschaft, die wie die Österreichische Hochschüler*innenschaft per Listenwahl von allen Studierenden in Bayern direkt gewählt wird. Diese ersetzt künftig die Landes-Asten-Konferenz (LAK) als Vertretung der Studierenden auf Landesebene. Die LAK soll zukünftig der Vernetzung der ASten in Bayern dienen, sie untersteht der Landesstudierendenschaft. Auch die Landesstudierendenschaft muss als öffentlich-rechtliche Körperschaft verfasst sein. Für die Hochschulwahlen soll wie bei den Kommunalwahlen die Möglichkeit des Kumulierens und Panaschierens eingeführt werden.
Des Weiteren muss in allen Hochschulgremien die Viertelparität zwischen den vier Statusgruppen (Professor*innen, wissenschaftliche und sonstige Mitarbeiter*innen sowie Studierende) hergestellt werden. Mittelfristig sind die Statusgruppen so weit wie möglich abzuschaffen und die Direktwahl der jeweiligen Gremien durch alle Mitglieder der Hochschule ist einzuführen. Gremien ohne demokratische Legitimation wie beispielsweise den Hochschulrat lehnen wir ab. Stattdessen müssen die klassischen Selbstverwaltungsgremien der Hochschulen wie z. B. der Senat wieder gestärkt werden.
4. Frauen* in der Wissenschaft
2016 waren von 6.822 Professor*innen laut Bayerischem Landesamt für Statistik 1.312 weiblich. Das entspricht einem Anteil von gerade einmal 19,23%, wohingegen der Frauen*anteil unter den Studierenden im Wintersemester 2017/18 49% betrug. Zu beachten sind hierbei außerdem die stark schwankenden Anteile zwischen den einzelnen Fachbereichen. Fakt ist außerdem, dass der Anteil von Frauen* in der Wissenschaft nur langsam steigt.
Die Gründe hierfür sind vielfältig und alle eng miteinander verwoben. Die Benachteiligung und Diskriminierung von Frauen* findet auf verschiedenen Ebenen und in unterschiedlicher Art und Weise statt. Eine Verbesserung der Situation kann nur dann erreicht werden, wenn an all diesen unterschiedlichen Stellen angesetzt wird. Unser Ziel ist es deshalb, sowohl für konkrete Verbesserungen als auch einen gesamtgesellschaftlichen Wandel der Strukturen zu streiten. Dabei darf der Wissenschaftsbetrieb nicht isoliert betrachtet werden, sondern als Bereich, der durch die gesellschaftlichen Verhältnisse geprägt ist und diese auch umgekehrt beeinflusst.
Um bessere Perspektiven für Frauen* zu schaffen, müssen zunächst die Arbeitsbedingungen an den Hochschulen verbessert werden. Ebenso besteht ein enges und häufig gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis mit den Vorgesetzten bzw. Förderer*innen. Die in die Freizeit verlegte Promotion bzw. Habilitation, für die während der regulären Arbeitszeit keine Zeit bleibt, verstärkt den Trend der prekären Beschäftigung im wissenschaftlichen Bereich zusätzlich. Die daraus entstehende mangelnde Sicherheit hinsichtlich der Familienplanung trifft alle im Wissenschaftsbetrieb Tätigen. Frauen* sind jedoch besonders betroffen, da ihnen die Verantwortung für die Reproduktions- und Fürsorgearbeit durch die Gesellschaft zugeschrieben wird und sie sich zwischen dieser und ihrer beruflichen Arbeit faktisch entscheiden müssen. Männern hingegen wird diese Verantwortung in der Regel nicht zugeschrieben.
Hier ist also durch die Entfristung von Beschäftigungsverhältnissen sowie Tenure-Track-Verfahren, die einen dauerhaften Verbleib an der Hochschule ermöglichen, anzusetzen. Gerade in Hinblick auf den Arbeitsalltag vieler Wissenschaftler*innen muss eine bessere Vertretung auf Hochschulebene ermöglicht werden. Darüber hinaus braucht es endlich eine bessere Vereinbarkeit von Reproduktionsarbeit und wissenschaftlicher Tätigkeit. Hierzu bedarf es zunächst der Schaffung von echten Teilzeitstellen mit Aufstockungsmöglichkeit, in denen die Menschen tatsächlich auch nur die Hälfte der regulären Arbeitszeit arbeiten müssen. Zusätzlich ist die Schaffung kostenfreier Betreuungsangebote für die Vereinbarkeit entscheidend.
Ohne Verbindlichkeiten, ohne Druck und auch ohne eine Frauen*quote wird sich wenig tun. Daher setzen wir uns für eine Quote von mindestens 50% bei Neueinstellungen ein. Dazu gehört auch eine paritätische Besetzung von Berufungslisten. Diese Quote muss jeder Fachbereich für sich erfüllen. Eine solche Quote steht unserer Auffassung nach nicht mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz in Konkurrenz, da in der patriarchalen Gesellschaft Frauen* in vielen Bereichen diskriminiert werden und dort nur durch eine Quote für Chancengleichheit gesorgt werden kann. Einen Kompromiss, wie ihn beispielsweise das Kaskaden-Modell darstellt, lehnen wir ausdrücklich ab. Bei diesem Modell finden kaum Verbesserungen statt und wenn würden sie erst nach Jahren erreicht. Außerdem hält dieses Modell keine Lösung dafür parat, dass wissenschaftliche Stellen in Studiengängen mit einem geringen Anteil von Frauen* nie paritätisch besetzt würden.
Darüber hinaus ist die Vernetzung von Frauen* im wissenschaftlichen Betrieb durch die Gleichstellungsbeauftragten zu fördern, insbesondere um sich miteinander zu solidarisieren. Hierbei ist der Empowerment-Gedanke zentral. Es geht um ideologische Förderung untereinander, durch welche Multiplikatorinnen* gebildet werden, die in ihren Instituten ihr Wissen weitergeben können.
5. Studienplätze ausbauen, Zulassungsbeschränkungen abschaffen
Wir lehnen Studienzulassungsbeschränkungen in jeder Form ab. Zulassungsbeschränkungen wie der Numerus Clausus (NC) oder Eignungsfeststellungsverfahren werden immer dann eingeführt, wenn eine Hochschule nicht genügend Studienplätze für alle Studieninteressent*innen anbieten kann. Diese Zulassungsbeschränkungen sind Ausdruck einer Gesellschaft, die zu wenig in den Ausbau ihrer Hochschulen investiert hat. Die Leidtragenden sind die Studieninteressent*innen, denen die Hochschulreife ja bereits zugesprochen wurde. Wer die Hochschulreife erwirbt, der*dem muss auch ermöglicht werden, tatsächlich die gewünschte Hochschule im gewünschten Studienfach zu besuchen! Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Dezember 2017 zum NC im Medizinstudium hat gezeigt, welche verfassungswidrigen Ausmaße die Zulassungsbeschränkung inzwischen erreicht hat.
Solange aber nicht ausreichend Studienplätze zur Verfügung stehen, halten wir einen differenzierten NC, der unter anderem Wartezeiten, Härtefälle, ehrenamtliches Engagement und bereits erworbene berufliche Qualifikationen berücksichtigt, für die geeignetste Form der Zulassungsbeschränkung. Das bedeutet nicht, dass wir diesen Zustand für tragbar halten oder akzeptieren! Er muss schnellstmöglich beseitigt werden.
6. Hochschulsozialpakt
Wir fordern den umfangreichen Ausbau der sozialen Infrastruktur rund um die Hochschulen (Wohnheime, Mensen, Beratungsangebote) im Rahmen eines Hochschulsozialpaktes. Wir setzen uns auf Bundesebene dafür ein, dass ein solcher Hochschulsozialpakt zwischen Bund, Ländern und den Studierendenwerken zustande kommt. Unabhängig davon müssen wir schon jetzt den Ausbau dieser Infrastruktur vorantreiben.
Nur für 10% der bayernweit rund 390.000 Studierenden steht ein Wohnheimplatz bei den Studierendenwerken zur Verfügung. Damit liegt die Unterbringungsqoute in Bayern hinter der von Ländern wie Mecklenburg-Vorpommern (11,80%) oder Thüringen (14,98%), aber etwas über dem bundesweiten Durchschnitt von 9,69%. Auf absehbare Zeit wird die Zahl der Studierenden weiter steigen und sofern keine adäquaten Maßnahmen ergriffen werden, wird die Unterbingungsquote auch in Bayern weiter sinken. In der nächsten Legislaturperiode sind Vorkehrungen zu treffen, um die Unterbringungsquote innerhalb der nächsten zehn Jahre auf 15% anzuheben. Dabei sind die Fördersummen so zu gestalten, dass die Miete letztlich nicht höher liegt als der Wohnzuschlag des BAföG. Um dieses Ziel zu erreichen muss der Freistaat Bayern den Studierendenwerken kostenlos Grundstücke zur Bebauung mit Studierendenwohnheimen zur Verfügung stellen.
Darüber hinaus ist ein Ausbau- und Sanierungsprogramm für Einrichtungen der Hochschulgastronomie aufzulegen. Die Subvention der angebotenen Lebensmittel ist nicht auf Mensen zu beschränken, sondern auch auf Cafeterien und Menserien auszuweiten.
Die Finanzierung des Beratungsangebots für Studierende muss langfristig über eigens dafür vorgesehene Mittel gesichert werden. Insbesondere für Schwangere und Studierende mit Kind, zur Studienfinanzierung, zu studentischem Arbeitsrecht und zur psychosozialen Beratung sind entsprechende Angebote zu schaffen und auszubauen.
Grundsätzlich ist die Arbeit der Studierendenwerke durch den Freistaat auszufinanzieren. Die Studierendenwerksbeiträge sind abzuschaffen.
D – Bildungseinrichtungen übergreifende Forderungen
1. Kostenloses Mittagessen
Wir fordern kostenloses Mittagessen in allen Bildungseinrichtungen. Und das jeden Tag. Darunter fallen insbesondere Krippen, Kitas, Kindergärten, Schulen und Hochschulen. Dieses Essen muss allgemeinen Richtlinien zur gesunden Ernährung entsprechen. Es ist wichtig, dass Kinder in ihrer Entwicklung unterstützt und gefördert werden und dazu gehört auch eine ausreichend gesunde und nahrhafte Ernährung. Ernährungsbildung und die Förderung der Akzeptanz von unterschiedlichen Ernährungsformen (z. B. Veganismus, Vegetarismus) müssen verfolgt werden. Von selbst versteht sich daher, dass für alle Ernährungsformen ein entsprechendes Essen angeboten wird. Auch die gängigen Allergien und Lebensmittelunverträglichkeiten sind in der Zusammenstellung der Speisepläne zu berücksichtigen.
2. Lernmittelfreiheit
Lernmittelfreiheit (auch Lehrmittelfreiheit) bezeichnet die kostenlose Bereitstellung von Unterrichtsmaterialien. Die Lernmittelfreiheit an öffentlichen Schulen in Bayern wird durch Art. 21 des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes (BaySchFG) geregelt.
Lernmittelfreiheit besteht leider nur für Schulbücher. In Art. 21 BaySchFG sind explizit Atlanten, Formelsammlungen und “die übrigen Lernmittel” ausgeschlossen. Mit “übrigen Lernmitteln” sind beispielsweise Taschenrechner, Zirkel, Schreib- und Arbeitshefte, nur einmalig verwendbare Übungshefte, Malkästen und -blöcke, Stifte und vieles mehr gemeint. Zu Beginn eines Schuljahres und insbesondere bei der Einschulung häufen sich die privaten Ausgaben für Lernmittel zu einer beträchtlichen Summe auf. Diese Lernmittel müssen zukünftig kostenfrei durch die jeweiligen Bildungseinrichtungen zur Verfügung gestellt werden.
Beiträge zur Finanzierung der Lernmittel wie sie in Form des Kopiergeldes oder Materialgeldes bereits bestehen, lehnen wir ab. Kopier- und Materialgeld sind abzuschaffen.
Auch Klassenfahrten dienen der schulischen Bildung und sind somit staatlich auszufinanzieren. Die Kosten dürfen nicht auf die Schüler*innen / Eltern abgewälzt werden.
Die Forderungen zur Lernmittelfreiheit gelten nicht nur im schulischen Bereich. Sie sind auf alle Bildungseinrichtungen zu übertragen.
Das in Rechnung stellen beschädigter Lernmittel ist nur bei grober Fahrlässigkeit und Absicht zulässig. Die beispielsweise an chemischen Fakultäten gängige Praxis, die Studierende zur Erstattung beschädigter Reagenzgläser oder Petrischalen verpflichtet, lehnen wir ab.
3. Abschaffung des Kooperationsverbots
Der Freistaat Bayern soll sich auf Bundesebene für die vollständige Abschaffung des Kooperationsverbots einsetzen. Der Bildungsföderalismus innerhalb eines Staates behindert die aktive Zusammenarbeit zwischen den Ländern und schafft zudem unnötige Hürden für alle Schüler*innen, indem Bildungsabschlüsse zwar anerkannt werden, aber dennoch anders beurteilt werden. Diese Praxis hat im 21. Jahrhundert nichts mehr zu suchen und hat völlig ausgedient.
4. Barrierefreiheit, Sanierungs- und Modernisierungsbedarf
In kommunalen Bildungseinrichtungen hat sich bedingt durch die finanziell angespannte Situation der Kommunen in den letzten Jahren ein erhebliches Maß an Sanierungs- und Modernisierungsbedarf angestaut. Auch für den Ausbau von Bildungseinrichtungen fehlte Geld. Insbesondere in Regionen mit starkem Bevölkerungszuwachs ist der Ausbau allein mit kommunalen Mitteln nicht zu stemmen. Der Freistaat Bayern muss sich daher an Sanierungs-, Modernisierungs- und Neubaumaßnahmen der Kommunen stärker beteiligen, die Mittel dazu müssen erheblich aufgestockt werden. Auch im Hoheitsbereich des Freistaats müssen entsprechende Maßnahmen an Bildungseinrichtungen intensiviert werden.
Bei allen Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen, aber auch Neubauten, ist ein besonderes Augenmerk auf die Barrierefreiheit zu richten. Dabei ist es mit rollstuhlgerechten Zugängen und Aufzügen nicht getan. Es sind insbesondere auch Blindenleitsysteme und induktive Höranlagen zu berücksichtigen. Besteht konkreter Bedarf, so ist die Barrierefreiheit schnellstmöglich herzustellen. Das Konzept der Gemeinschaftsschule kann nur gelingen, wenn auch die räumlichen Gegebenheiten zur Beteiligung aller gegeben sind.“

P9 Für eine vielfältige SPD

29.11.2018

Die Entwicklung der letzten Jahre hat gezeigt, dass wir besonders auch bei Menschen mit Migrationshintergrund an Zustimmung verloren haben. 2016 stand die SPD bei 40,1% aller Menschen mit Migrationshintergrund bei der Parteipräferenz an erster Stelle. 2018 waren es nur noch 25%, die sich für die SPD aussprachen, wie der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration ermittelte.

Das Selbstverständnis, dass die „Arbeiterpartei“ auch die Partei der sogenannten Gastarbeiter und deren Nachkommen ist, gilt nicht mehr. Dies liegt auch daran, dass Menschen mit Migrationshintergrund in Vorständen und Wahlämtern unserer Partei massiv unterrepräsentiert sind.

Während inzwischen knapp 25% der bayerischen Bevölkerung einen Migrationshintergrund hat (bei unter 5-Jährigen liegt die Quote sogar bei knapp 40%), liegt deren Anteil in den Vorständen der Gliederungen und Wahlämter meist unter 5%. Gerade einmal zwei Abgeordnete der bayerischen Landtagsfraktion haben Migrationshintergrund. Und in der bayerischen Landesgruppe im Bundestag hat kein(e) Abgeordnete(r) Migrationshinter-
grund.

Um zukunftsfähig zu bleiben und die tatsächliche Zusammensetzung der Bevölkerung auch in unserer Partei abzubilden, müssen wir das ändern.

Aus diesem Grund geht die BayernSPD folgende Selbstverpflichtung ein:

Für Funktionsträgerinnen und Funktionsträger sowie Mandatsträgerinnen und Mandatsträger (§11 Organisationsstatut der SPD und §3 Wahlordnung der SPD) gilt eine Quote von mindestens 25% für Menschen mit Migrationshintergrund.

Eine Person hat einen Migrationshintergrund, wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurde. (Definition: Statistisches Bundesamt 2018)

Die sieben SPD-Bezirke werden aufgefordert, sich umgehend dieser Selbstverpflichtung anzuschließen.

Um dieses Ziel dauerhaft und für die Gesamtpartei verpflichtend zu verankern, wird für den nächsten SPD-Bundesparteitag beantragt, eine entsprechende Regelung auf Bundesebene zu treffen.

P3 Für den Erhalt der Georg-von-Vollmar-Akademie – die BayernSPD ist in der Pflicht

29.11.2018

Der Landesvorstand erarbeitet im Zuge des Erneuerungsprozesses ein umfassendes Bildungskonzept, das den Erhalt der Georg-von-Vollmar-Akademie am Standort Kochel einschließt. Dieses Konzept einschließlich einer für möglich erachteten Finanzierung wird dem Landesparteitag Ende Januar 2019 vorgelegt. Der Landesvorstand sorgt dafür, dass bis zum Vorliegen des Konzeptes uns seiner Realisierung keine vollendeten Tatsachen wie beispielsweise ein Verkauf oder eine anderweitige externe Nutzung geschaffen werden.

A2 Arbeitgeberzuschuss für Beamtinnen und Beamten bei der Wahl ihrer Krankenversicherung - ohne finanzielle Nachteile / Einschränkungen

29.11.2018

Wir setzen uns weiterhin für die Bürgerversicherung ein. Als ersten Schritt positioniert sich die BayernSPD zu einer tatsächlichen Wahlfreiheit für Beamtinnen und Beamte bei
der Entscheidung zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung und setzt sich für eine Regelung ein, die beinhaltet, dass der Freistaat Bayern als Arbeitgeber für die Bayerischen Beamtinnen und Beamten, die freiwillig Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung sind oder werden wollen, auch tatsächlich den Arbeitgeberanteil übernimmt – so wie Arbeitgeber bei anderen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.

P2 Neues Grundsatzprogramm der SPD

29.11.2018

Die Mitglieder des Unterbezirks Fürstenfeldbruck fordern im Zuge des Erneuerungsprozesses #SPDErneuern ein neues Grundsatzprogramm der SPD. Am Ende des in Gang gesetzten Erneuerungsprozesses der SPD muss ein neues Grundsatzprogramm der SPD stehen. Ein Kernpunkt ist hierbei die Rolle des Staates und dessen Verantwortung für alle in Deutschland lebenden Menschen.

P16 Natascha soll ihre Politik der klaren Haltung an der Spitze der BayernSPD und als stellvertretende Bundesparteivorsitzende fortsetzen können

29.11.2018

Wir fordern, dass Natascha Kohnen ihre Politik der klaren Haltung an der Spitze der BayernSPD und als stellvertretende Bundesparteivorsitzende fortsetzen kann.

B2 Antrag auf Änderung der Förderrichtlinien des Programms Jugendsozialarbeit an Schulen (JaS)

29.11.2018

Die Richtlinien zur Förderung der Jugendsozialarbeit an Schulen – JaS erhalten folgende Anpassungen:

  • Die tatsächlichen Kosten der Vollzeitstelle der Sozialpädagog*innen werden vollständig vom Freistaat übernommen. Die Bezahlung erfolgt weiterhin analog der Tätigkeitsmerkmale des TVöD für staatlich anerkannte Sozialpädagog*innen (Diplom/Bachelor).
  • Weder Schulart, Schulgröße noch der (zu geringe) Anteil der Schüler*innen mit Migrationshintergrund sind Ausschlussgründe für die Bewilligung einer Förderung. Grundsätzlich sind alle staatlich anerkannten Schulen unabhängig von der Trägerschaft förderfähig, d.h. auch private Schulen.
  • Bei bis zu 200 Schüler*innen ist eine halbe Kraft verpflichtend und ab 400 Schüler*innen eine Vollzeitkraft. Pro weitere 400 Schüler*innen ist eine weitere halbe Kraft verpflichtend. Besteht an Schulen Bedarf für Jugendsozialarbeit, der über der mit der Schulgröße korrespondierenden Anzahl an JaS-Kräften liegt, so wird bedarfsabhängig mindestens eine weitere halbe JaS-Stelle bewilligt. Diese weiteren JaS-Stellen sind durch den besonderen pädagogischen Bedarf an Brennpunktschulen nötig.
  • Bereits bestehende Stellen von Jugendsozialarbeiter*innen an Schulen – die bisher vollständig von den Kommunen getragen werden – sind förderfähig.

S10 Schwangerschaftsabbruch raus aus der Tabu-Zone!

29.11.2018

Europaweit erstarken rechte und religiös fundamentalistische Gruppierungen. Dies macht sich auch in der sexuellen Selbstbestimmung, für die wir seit Jahrzehnten kämpfen, bemerkbar. Gruppierungen wie die Pro life-Bewegung oder sog. “Märsche für das Leben”, aber auch die Union und AfD möchten die reproduktiven Rechte von Frauen* einschränken und stigmatisieren bzw. kriminalisieren Betroffene und Ärzt*innen.
Recht ist nicht mit Gerechtigkeit gleichzusetzen. Der Rechtsstaat ist nicht unfehlbar und ist wie die Gesellschaft selbst den gesellschaftlichen Anschauungen der Zeit unterworfen. Wie auch der gesellschaftliche Kampf um die sexuelle Selbstbestimmung ist auch das Recht dazu noch zu erkämpfen.
Wir Jusos/SPD bekennen uns zur Selbstbestimmung von sexuellen und reproduktiven Rechten. Jede*r soll über die eigene reproduktive Gesundheit selbst entscheiden dürfen. Dies bedeutet die Wahrung einer selbstbestimmten Entscheidung über den Schwangerschaftszeitpunkt und die mögliche Kinderanzahl. Im Falle einer Schwangerschaft die Entscheidung darüber zu treffen das Kind auszutragen oder die Schwangerschaft abzubrechen, ist aus unserer feministischen Überzeugung das genuine Recht der Frau*.
Schwangerschaftsabbruch ist kein gesellschaftliches Stigma – §§218 f. StGB streichen
Der im Jahre 1872 eingeführte § 218 StGB stellt den Schwangerschaftsabbruch unter Strafe und ist dem Abschnitt “Straftaten gegen das Leben” neben Mord und Totschlag zugeordnet. Für die Entscheidung damals war nicht nur die Gesundheit oder der Schutz des ungeborenen Lebens wichtig, sondern auch die Kontrolle weiblicher Reproduktion und der Wert der Frau als eigenständige Person mit ihrer autonomen Entscheidung. Bis in die 1970er Jahre hinein drohte Frauen* bei einer Abtreibung sogar eine Gefängnisstrafe von bis zu 5 Jahren. „Der Paragraf 218 ist in dem, was er real bewirkte, ein schwer erträglicher Restbestand sozialer Ungerechtigkeit des vorigen Jahrhunderts” sagte Willy Brandt im Jahr 1974. In diesem Jahr wurde die Reform des § 218 StGB verabschiedet, nach der der Schwangerschaftsabbruch bis zur 12. Woche straffrei bleiben sollte. Dieser umstrittenen Reform machte das Bundesverfassungsgericht jedoch im Jahr 1975 einen Strich durch die Rechnung, indem es folgenden Leitsatz aufstellte:”Der Lebensschutz der Leibesfrucht [aus Art. 2 II 1 GG, Art. 1 I GG] genießt grundsätzlich für die gesamte Dauer der Schwangerschaft Vorrang vor dem Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren und darf nicht für eine bestimmte Frist in Frage gestellt werden.” Diesem Leitsatz möchten wir entschieden entgegentreten!
Wir Jusos/SPD sehen die verfassungsrechtliche Schwierigkeit der Abwägung zwischen pränatalem Lebensschutz und dem Selbstbestimmungsrecht der Frau, jedoch empfinden wir das vom Bundesverfassungsgericht aufgestellte Frauenbild als Restbestand sozialer Ungerechtigkeit und der patriarchalen Sichtweise aus der Gesetze geschrieben und Strafrecht definiert wird. Es ist aus unserer Sicht unerträglich, dass das Bundesverfassungsgericht der Ansicht ist, dass “der Schwangerschaftsabbruch für die ganze Dauer der Schwangerschaft grundsätzlich als Unrecht angesehen und demgemäß rechtlich verboten sein muss (Bestätigung von BVerfGE 39, 1). Das Lebensrecht des Ungeborenen darf nicht, wenn auch nur für eine begrenzte Zeit, der freien, rechtlich nicht gebundenen Entscheidung eines Dritten, und sei es selbst der Mutter, überantwortet werden.”. Dies hat zur Folge, dass noch heute Schwangerschaftsabbrüche als rechtswidrig angesehen werden. Sie bleiben lediglich unter bestimmten Bedingungen, wie beispielsweise durch die Teilnahme an einer Beratung und unter Einhaltung bestimmter Fristen, straffrei. Alle Schwangeren, die einen Abbruch planen, werden somit unter Generalverdacht gestellt eine Straftat zu begehen. Dieser Umstand ist nicht hinnehmbar!
Dem Selbstbestimmungsrecht der Frau muss Rechnung getragen werden. Auch gesundheitliche Aspekte sprechen dafür den Schwangerschaftsabbruch raus aus der strafrechtlichen Illegalität zu führen. So ist festzustellen, dass in Ländern, in denen der Schwangerschaftsabbruch unter Strafe steht, dieser meistens erst im 4. oder 5. Monat stattfindet und von medizinisch nicht fachkundigem Personal unter unhygienischen Bedingungen durchgeführt wird. Dies führt zu erheblichen Komplikationen, die zum Teil zu schwersten Verletzungen oder gar zum Tod führen können. (BeckOK StGB/Eschelbach StGB § 218 Rn. 1)
Die sogenannte Fristenlösung, wie sie bis jetzt im §218a I Nr.3 StGB geregelt ist, dass nur bis zur zwölften Woche nach der Empfängnis ausnahmsweise der Schwangerschaftsabbruch straffrei erfolgen kann, lehnen wir ab. Die Frist ist, auch im Hinblick darauf, dass der Fötus vor der 22. Woche weder Schmerzempfinden noch ein Bewusstsein hat, willkürlich gesetzt. Zudem treten immer häufiger die Fälle auf, dass Frauen erst nach der zwölften Woche mitbekommen, dass sie schwanger sind. Viele Fälle von Abbrüchen nach der zwölften Woche gehen mit häuslicher Gewalt oder Angst vor Bestrafung von ihren Familien einher. Diese willkürliche Hürde darf nicht sein! So erkannte die Drucksache des Bundestags 12/696 aus dem Jahr 1991 schon richtig: “Die Festlegung einer Frist, nach deren Ablauf eine Abtreibung verboten ist, unterstellt, daß Frauen nicht dazu in der Lage sind, selbständig die für sie richtige Entscheidung zu treffen. Die Drei-Monats-Frist ist willkürlich und durch nichts zu begründen. Sie erzeugt zudem einen unvertretbaren Zeitdruck: Wenn eine ungewollte Schwangerschaft erst spät entdeckt wird, was gerade bei sehr jungen oder bei älteren Frauen leicht vorkommen kann, ist die Drei-Monats-Frist für eine reifliche Entscheidung zu kurz.”
Andere Länder leben es vor
In anderen Ländern, die bereits die strafrechtliche Regelung für ungültig erklärt oder gestrichen haben, ist die von konservativen Seiten viel prophezeite Abtreibungswelle nicht eingetreten. Nach Studien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist die weit verbreitete Ansicht, nach der die Legalisierung den Abbruch fördert, falsch. Verbote hätten laut ihren Ergebnissen keinen Einfluss auf die Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch, sondern der Verbreitungsgrad an Verhütungsmitteln.
Beispielsweise hat das Oberste Gericht Kanadas 1988 das bis dahin geltende Abtreibungsgesetz für ungültig erklärt. Das Gericht begründete ihr Urteil damit, dass eine Frau unter Strafandrohung zum Austragen einer ungewollten Schwangerschaft zu zwingen, außer sie genüge bestimmten Kriterien, die mit ihren eigenen Prioritäten und Lebenszielen nichts zu tun hätten, bedeute eine tiefgreifende Verletzung ihrer körperlichen Integrität.
Der Schwangerschaftsabbruch unterliegt dort seitdem denselben Bestimmungen wie jeder andere ärztliche Eingriff und ist ansonsten nicht gesetzlich geregelt. Wie vor jedem medizinischen Eingriff sind Ärzt*innen dort gesetzlich verpflichtet, die Patientin umfassend zu informieren und sicherzustellen, dass sie ihre Entscheidung selbstverantwortlich und in voller Kenntnis aller Umstände trifft. Die Abortrate ist in Kanada seitdem leicht gesunken und gleicht der westeuropäischer Länder (2014: 11,6/1000 Frauen in Kanada und 12/1000 Frauen in westeuropäischen Ländern). 92% der Eingriffe werden in Kanada in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten durchgeführt, nur 2% nach der 16. Woche (meist wegen einer schweren Schädigung des Fötus).
Deswegen fordern wir:

  • ein Recht auf Abbruch der Schwangerschaft für jede Frau*
  • Eine Streichung der § 218 ff. StGB und der damit geforderten Ausnahmetatbestände, dass ein Schwangerschaftsabbruch als generell legal anzusehen ist.
  • Ethische und Medizinische Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch und der Schutz pränatalen Lebens sollen in Richtlinien der Bundesärztekammer wie jeder andere medizinische Eingriff geregelt werden.
  • Ein Schwangerschaftsabbruch gegen den Willen der Frau durch Dritte wird durch die Aufnahme in den Katalog des § 226 StGB künftig als schwere Körperverletzung unter Strafe gestellt. Darüber hinaus soll ein Sachverständigenrat der Bundesregierung Details der ethischen und moralischen Anforderungen klären.

Schwangerschaftskonfliktberatungen reformieren
Der § 219 StGB regelt die Beratung von Schwangeren in einer Not- und Konfliktlage. Die Beratung verfolgt das Ziel, die Schwangere zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu bewegen. Dies wird damit begründet, dass das ungeborene Kind in jedem Entwicklungsstadium ein Recht auf Leben hat. Ein Schwangerschaftsabbruch käme nur dann in Frage, wenn die Fortsetzung der Schwangerschaft für die Frau eine Belastung darstelle, die so schwer und außergewöhnlich sei, dass sie die zumutbare Opfergrenze übersteige. Diese Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen stellen den Frauen eine Bescheinigung aus, die rechtlich notwendig ist, um von einer*m Arzt* Ärztin einen Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen zu können.
Diese Regelungen zur Schwangerschaftskonfliktberatung beinhalten Aspekte, die für uns als Jusos nicht vertretbar sind und die wir darum ändern wollen. Durch den Beratungszwang wird die Selbstbestimmung der Schwangeren massiv eingeschränkt und stellt eine erhebliche Bevormundung dar. Einen Beratungszwang für ungewollt Schwangere lehnen wir daher ab und machen uns stattdessen für einen gesetzlich Anspruch auf Beratung und Unterstützung wie in anderen Bereichen des Sozialrechts stark. Jeder Mensch hat das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung. Sexuelle Selbstbestimmung kann nur dann gelebt werden, wenn alle Menschen freien Zugang zu Informationen über medizinische Behandlungen haben. Die Beratung sollte die Pro/Contra Seiten einer Abtreibung hinreichend darstellen.
Wir fordern daher:

  • Die Kosten für den Abbruch (rund 300-500 Euro) sollen von den Krankenkassen getragen werden und nicht wie bis dato üblich von der Schwangeren selbst
  • Staatlich getragene Beratungsstellen sollen für jede betroffene Frau* in zumutbarer Entfernung zur Verfügung stehen
  • das Recht und damit den Anspruch auf eine Schwangerschaftskonfliktberatung und die anschließende Unterstützung sozialgesetzlich zu regeln, unabhängig davon, ob sie sich für oder gegen einen Abbruch entscheidet. Die Beratung muss ergebnisoffen geführt werden

Weg mit §219a StGB! Den Weg zu Informationen entkriminalisieren
Der in 1933 in Kraft getretene § 219a StGB verbietet, dass Ärzt*innen selber Auskunft darüber geben, ob sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, und über die Möglichkeit von Schwangerschaftsabbrüchen informieren. Er nimmt Schwangeren gleichzeitig dadurch die Möglichkeit, sich anonym und selbstständig zu informieren. Es kann und darf nicht sein, dass medizinische Informationen für Frauen Ärzt*innen kriminalisieren. Nach § 219a StGB kann die Informationen über die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen als Werbung verstanden werden und zu einer Verurteilung führen.
Mit dem stark zugenommenen Rechtsruck in unserer Gesellschaft in jüngster Zeit missbrauchen konservative, selbsternannte Lebensschützer*innen diesen Paragraphen im verstärkten Maße, um Ärzt*innen anzuzeigen. So wurde die Ärztin Kristina Händel von so einer Person angezeigt und im vergangenen Jahr zu 6.000 Euro Strafe verurteilt, weil sie auf ihrer Homepage angegeben hatte, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen.
Im populärsten Strafrechtskommentar “Trödle/Fischer”, der in allen Bücherregalen von Strafrechtler*innen zu finden ist, wird argumentiert, dass § 219 a StGB verhindern solle, „dass die Abtreibung in der Öffentlichkeit als etwas Normales dargestellt und kommerzialisiert wird“. Auf diesen Satz beziehen sich fast alle Gerichte und Staatsanwälte und zementieren diesen so zur herrschenden Meinung. Die richterliche Auslegung, die so maßgeblich von einem einzigen Strafrechtskommentar geprägt wird, setzt regelmäßig sachliche Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen mit Werbung gleich.
Problematisch ist hierbei, dass der ehemalige Herausgeber dieses Kommentars, Herbert Tröndle (*1919 + 2017), sich selbst gegen Schwangerschaftsabbrüche engagierte und eben diese Kommentierung vornahm. Tröndle schrieb unter anderen für das „Lebensschutzhandbuch“ des katholischen Bonifatiusverlags und engagierte sich an führender Stelle in der Juristen-Vereinigung “Lebensrecht”. 1993 schrieb er in einem Beitrag zu dem Buch “Das zumutbare Kind”, dass schwangere Frauen sich durch die Abtreibung einer natürlichen Aufgabe entledigen würden und einer durch ihr Vorverhalten begründeten rechtlichen Pflicht nicht nachkommen. Die Meinung eines solchen Mannes kann nicht die Rechtsprechung beherrschen!
Dies sieht die Bundesärztekammer ebenso. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer, plädiert ebenfalls für eine Abschaffung des Werbeverbots. §219 a StGB kriminalisiere Ärzt*innen in nicht nachvollziehbarer Weise, heißt es in einer Resolution der Delegiertenversammlung der Ärztekammer Hamburg. Die Berufsordnung der Ärzteschaft regele in ausreichendem Maße die Grenzen zwischen Werbung und Information.
Sexuelle Selbstbestimmung zu verwirklichen heißt, einen schnellen und neutralen Zugang zu Informationen über Sexualität und sexueller Gesundheit zu ermöglichen. Das Angebot von Schwangerschaftsabbrüchen muss als Teil einer flächendeckenden ärztlichen Grundversorgung angesehen werden.

Wir fordern daher:
• eine ersatzlose Streichung des §219a StGB

Konsequenz des §§218ff. StGB: Kein Thema während des Medizinstudiums
101.200 Abtreibungen wurden nach dem Bundesamt für Statistik im Jahr 2017 durchgeführt. Im Berichtsjahr 2016 wurden in Deutschland 98.721 Schwangerschaftsabbrüche an das Statistische Bundesamt gemeldet. 11.291 der Schwangerschaftsabbrüche 2016 waren in Bayern. Der Schwangerschaftsabbruch gehört damit zum häufigsten chirurgischen Eingriff in der Gynäkologie.
Medizinische Leitlinien zum Schwangerschaftsabbruch wie etwa in den USA, Großbritannien, Kanada oder auch der WHO gibt es in Deutschland keine. Ein Umstand, den Pro Familia bereits 2014 in einem Rundbrief kritisiert hatte. In Deutschland fehle es an „Standards oder Leitlinien zur fachgerechten Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen“, heißt es in dem Brief.
So wird auch im Medizinstudium der Schwangerschaftsabbruch kaum besprochen oder gar praktisch geübt. Er taucht lediglich im “Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin” (NKLM) auf, den der medizinische Fakultätentag gemeinsam mit der Gesellschaft für medizinische Ausbildung entwickelt hat, ist aber kein Regelwerk für die Universitätskliniken. So werden beispielsweise an dem größten Universitätsklinikum, der Charité in Berlin, lediglich die rechtlichen und ethischen Aspekte des Schwangerschaftsabbruchs gelehrt, nicht aber die Methoden. Hier üben die angehenden Mediziner*innen den Eingriff in ihrer Freizeit an Papayas statt in einer Pflichtveranstaltung, nachdem dort einige Studierende diesen Missstand nicht weiter hinnehmen wollten und deshalb die Initiative „Medical Students For Choice Charité Berlin“ mit dem Ziel, die Lehre über den Schwangerschaftsabbruch zu verbessern, ins Leben gerufen haben. Aus Angst vor dem Strafgesetzbuch und der Stigmatisierung wird an den Universitäten der Eingriff nicht geübt.
Ob angehende Gynäkolog*innen lernen, wie man einen Abbruch vornimmt, hängt davon ab, ob das Krankenhaus, an dem sie ihre Facharztausbildung absolvieren, solche Eingriffe vornimmt. Viele Krankenhäuser, vor allem die in kirchlicher Trägerschaft, führen keine Abbrüche durch. Auch in der Weiterbildung für Gynäkolog*innen ist man bei Schwangerschaftsabbrüchen auf internationale Kongresse angewiesen.
Zu wenig Ärzt*innen
Durch die Kriminalisierung im Strafrecht und das nicht vorhandene Auseinandersetzen im Studium haben dazu geführt, dass immer weniger Ärzt*innen Schwangerschaftsabbrüche durchführen. In ganz Niederbayern gibt es beispielsweise nur noch einen über 70-jährigen Arzt, der noch Abbrüche durchführt, weil es sonst niemand machen will. In einigen Regionen haben Frauen schon jetzt keine Chance mehr, einen Schwangerschaftsabbruch in der näheren Umgebung vornehmen zu lassen. Wer zum Beispiel in Trier wohnt, muss dafür mindestens 100 Kilometer ins Saarland fahren. Und nach dem Eingriff, mit Schmerzen und der psychischen Belastung, wieder zurück.
Bundesweit gibt es der Bundesärztekammer zufolge etwa 18.500 berufstätige Ärzt*innen in der Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Das Statistische Bundesamt gibt an, bundesweit führten derzeit nur etwa 1.200 Ärzt*innen Abbrüche durch, Tendenz leicht abnehmend. Ein vollständiger Überblick, wie viele Ärzt*innen in Deutschland an welchen Orten Schwangerschaftsabbrüche durchführen, existiert dank §219a StGB nicht.
Laut Schwangerschaftskonfliktgesetz müssen die Bundesländer ein ausreichendes Angebot an Praxen und Kliniken für Schwangerschaftsabbrüche sicherstellen. Den Gesundheitsministerien vieler Länder aber liegen keine Zahlen vor. Stattdessen verweisen sie wahlweise auf die Kassenärztlichen Vereinigungen, die Landesärztekammern, die Berufsverbände der Frauenärzte oder an die Krankenhausgesellschaften. Das bayerische Staatsministerium für Gesundheit erklärt, es gebe 27 Kliniken, die in Bayern Schwangerschaftsabbruch durchführen – 15 davon tun das aber nur bei medizinischer oder kriminologischer Indikation. Mit 96,1 % wurden aber die meisten Eingriffe 2016 nach der Beratungsregelung vorgenommen. Eine medizinische oder kriminologische Indikation war in lediglich 3,9 % der Fälle die Begründung für den Schwangerschaftsabbruch.
Dazu kommen hohe Hürden. Wer als niedergelassene Ärzt*in operative Schwangerschaftsabbrüche durchführen will, muss vor allem ambulant operieren können und über die entsprechenden Räumlichkeiten und das Personal verfügen. Dazu kommen je nach Bundesland weitere Vorgaben – in Bayern etwa müssen Ärzt*innen noch eine Fortbildung nachweisen, in der es neben den medizinischen auch um die ethischen Aspekte des Schwangerschaftsabbruchs geht.
Das größte Problem ist aber, dass in Deutschland immer mehr Ärzt*innen, die Abbrüche durchführen, in Rente gehen– und es an Nachwuchskräften fehlt. Diese Ärzt*innen haben überwiegend in den Siebzigerjahren, während der Frauenbewegungen, ihr Studium absolviert und handeln aus einer politischen Überzeugung heraus. Diese ist in den vergangenen Jahren in der Gesellschaft entpolitisiert und in die sog. Tabuzone gekommen, so dass die nachkommenden Generationen an Ärzt*innen mit diesem Thema nicht vertraut sind und aus oben genannten Gründen nicht in ihrem Studium in Berührung kommen.
Wir fordern daher:

  • Aufnahme des Themenbereichs Schwangerschaftsabbruch ins Medizinstudium
  • Medizinische Leitlinien zum Schwangerschaftsabbruch
  • Schutz der Ärzt*innen, Gynökolog*innen vor Angriffen sog. „Lebensschützer*innen“
  • Entstigmatisierung der Ärzt*innen, Gynökolog*innen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen
  • Ein vollständiger Überblick, wie viele Ärzt*innen in Deutschland an welchen Orten Schwangerschaftsabbrüche durchführen
  • Ein ausreichendes Angebot an Praxen und Kliniken für Schwangerschaftsabbrüche
  • Eine Homepage der Bundesärztekammer mit sachlichen, neutralen Informationen zum Thema Schwangerschaftsabbruch

Schwangerschaftsabbruch muss zum gesellschaftlichen Thema werden
Weltweit erlebt ungefähr jede dritte Frau in ihrem Leben einmal eine Abtreibung. Zwei von drei ungewollten Schwangerschaften entstehen trotz Verhütung. Keine Frau treibt gerne ab. Und jede Frau stellt sich vor einem Abbruch Fragen, die quälen. Viele Frauen* berichten laut ZEIT ONLINE, die Frauen zu ihren Erfahrungen zu Abbrüchen befragten, nicht von Selbstbestimmung, sondern von Verheimlichung vor der Familie, Beleidigungen im Internet und einsamen Entscheidungen. Psychotherapeut*innen beklagen, dass viele Frauen* noch unter einem Schwangerschaftsabbruch leiden und niemanden haben, mit dem sie darüber reden können.
Der Schwangerschaftsabbruch ist gesellschaftlich immer noch ein Makel, der auf das Individuum, die einzelne Frau, abgewälzt wurde. Doch je weniger wir darüber sprechen und das so wichtige Thema aus der Ecke des Unaussprechbaren holen, desto gesellschaftsfähiger wird die Haltung der Abtreibungsgegner*innen.
Eine ungewollte Schwangerschaft legal und professionell beenden zu können, muss eine “normale” Alternative sein – illegal, unhygienisch und in Hinterzimmern den Ausweg aus einer Notsituation zu finden, wird nämlich nie “normal” sein können. Das bedeutet keinesfalls, dass dieser Eingriff für die Betroffene* “normal” sein könnte.
Es gehört unglaublicher Mut und die große Überwindung dazu, mit solchen Erlebnissen an die Öffentlichkeit zu gehen. Wir sind als Gesellschaft noch weit davon entfernt, eine Sprache für das Erlebte zu finden, Tabuzonen und Scham zu durchbrechen und Strukturen der Stigmatisierung zu verstehen. Darüber zu sprechen, schafft Bewusstsein, nimmt der gesellschaftlichen Struktur an Macht und gibt anderen wiederum den Mut, über ihr Erlebtes sprechen zu können.
Zur sexuellen Selbstbestimmung gehört auch, gesellschaftliche Räume zu schaffen, die den Dialog darüber ermöglichen. Sexualität geht uns alle an.
Wir fordern daher:

  • Das Thema Schwangerschaftsabbruch muss thematisch sachlich in der Schule im Biologieunterricht und nicht im Religionsunterricht behandelt werden
  • Das Thema Schwangerschaftsabbruch muss in die Gesellschaft getragen werden
  • das Recht auf psychologische Begleitung nach einem Schwangerschaftsabbruch und ein niederschwelliger Zugang zu Beratungsstellen

 

Mehr Schutz bei Abgängen
Schwangerschaftsabbrüche sind jedoch nicht notwendigerweise die Folge eines gewollt herbei geführten Abbruchs. Der Abgang eines Fetus unter 500g Gewicht wird “Fehlgeburt” genannt, der Abgang von Feten über 500g “Totgeburt”. Es wird angenommen, dass in der Gruppe der 20– bis 29-jährigen Frauen etwa die Hälfte der befruchteten Eizellen spontan zugrunde gehen. Klinisch werden aus den genannten Gründen davon jedoch nur etwa 15 % bis 20 % als Fehlgeburten erkannt, etwa 30 % der Frauen* sind in ihrem Leben von einer oder mehreren Fehlgeburten betroffen. Darüber zu sprechen, ist jedoch ein Tabuthema. Ursachen sind zumeist chromosomale Besonderheiten des Fetus, endokrine Störungen der Mutter* oder Infektionskrankheiten. Erhöht wird das Risiko eines Abgangs durch das Alter der Eltern.
Das Wort “Fehlgeburt” lässt den Schluss zu, der Abgang des Fetus sei auf Fehlverhalten der Schwangeren* zurück zu führen. Dem zu Grunde liegt dieselbe frauenverachtende und patriarchal Gedachte Grundannahme, die Frauen das Recht auf einen Abbruch verweigert: Unmündige Menschen, deren Aufgabe es ist, den Fortbestand der Menschheit durch Gebären von Leben zu sichern und auf eigene Bedürfnisse zu verzichten. Auch werden Mütter nach “Fehlgeburten” rechtlich allein gelassen: es besteht kein gesetzlicher Anspruch auf die Schutzfrist nach der Entbindung. Entscheidend ist lediglich das Gewicht des verstorbenen Kindes: unter 500g Gewicht besteht keinerlei Anspruch auf eine Schutzfrist, zwischen 500-2500g handelt es sich um eine Frühgeburt und es ergibt sich ein Anspruch auf die verlängerte Schutzfrist von 12 Wochen und ab 2500g besteht die 8 Wöchige Schutzfrist. Diese Regelungen negieren das Recht auf individuelle Verarbeitung des Geschehenen.
Wir fordern daher:

  • eine bis zu zwölfwöchige Krankschreibung, die, sofern keine medizinische Indikation besteht, in Einzelfallentscheidungen mit den betroffenen Frauen* im Konsens entschieden wird
  • Beratungsstellen die in zumutbarer Entfernung liegen
  • geschulte Psychotherapeut*innen
  • es muss jederzeit die Möglichkeit gegeben sein, die Leibesfrucht durch die Angehörigen bestatten zu lassen.