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S5 Freie Fahrt für helfende Bürger*innen – Alle 1.051.200´Minuten zum Erste-Hilfe-Kurs

22.09.2023

Adressat*innen: Juso-Landeskonferenz, Juso-Bundeskongress, SPD-Landesparteitag, SPD-Bundestagsfraktion

Zwischen Januar 2018 und April 2022 sind 10.624 Personen an den Folgen eines Unfalls im Straßenverkehr gestorben und es gilt, diese Zahlen dringend zu reduzieren. Dies kann mit Hilfe von Tempolimits, besseren Straßenbau und dadurch auch höheren Schutz für schwächere Verkehrsteilnehmer*innen, konsequenter Forschung an noch besseren Sicherheitsmechanismen im und am Fahrzeug und vor allem einem verstärkten Bewusstsein für die Gefahren, die man sich und seinen Mitmenschen mit riskantem Verhalten aussetzt, erreicht werden. Eine der wichtigsten Maßnahmen, die leider immer wieder übersehen wird, ist jedoch eine Auffrischung des Erste-Hilfe-Kurses.

Bislang muss dieser einmalig bei Antreten der Fahrprüfung zum Erlangen des Führerscheins absolviert worden sein. Diese einmalige Verpflichtung beinhaltet einen Erste-Hilfe-Kurs von neun Unterrichtsstunden á 45 Minuten und somit nicht einmal sieben Gesamtstunden. Wir finden, dies ist viel zu wenig um ein Leben lang sicher und zuverlässig im Ernstfall handeln zu können und somit oft sogar Leben zu retten. Erste Hilfe anzuwenden bedarf wie viele andere Dinge im Leben konsequenter Übung und ständiger Auffrischung des Wissens und der Erkenntnisstände durch Expert*innen. Deshalb fordern wir eine verpflichtende Auffrischung des Erste-Hilfe-Kurses und Simulationstraining für alle Führerscheininhaber*innen nach spätestens zwei Jahren. Es soll einen Toleranzzeitraum von drei zusätzlichen Monaten geben, jedoch wird der Führerschein bei Nichteinhaltung der Forderung ungültig. Die Kosten für den Auffrischungskurs (zwischen 20€ – 40€) sollen vom Staat übernommen werden. Zusätzlich muss gewährleistet werden ausreichend viele Kursstellen bereitzustellen, die dem neuesten Wissensstand entsprechen, von kompetentem Personal geleitet werden und die nötigen Übungsmaterialien kostenlos zur Verfügung stellen.

Die Koppelung eines erst kürzlich absolvierten Erste-Hilfe-Kurses an die Gültigkeit des Führerscheins soll langfristig durch mehrere ergänzende Richtlinien dazu führen, dass jede in Deutschland lebende Person zwischen sechs und 70 Jahren dazu befähigt ist zuverlässig, dem Alter entsprechende Erste-Hilfe-Maßnahmen anwenden zu können. Zudem fordern wir, dass der Erste-Hilfe-Kurs in den Lehrplan für die 4. Klasse und 9. Klasse aufgenommen wird.

Außerdem soll es auch allen Menschen, die nicht im Besitz eines Führerscheins sind, ermöglicht werden, im gleichen Intervall ab dem 18. Lebensjahr kostenfrei Erste-Hilfe-Kurse besuchen zu können. Egal ob man mit dem Auto, dem Rad oder zu Fuß im Straßenverkehr unterwegs ist, kann es passieren, dass man Teil einer Unfallsituation ist oder Erste Hilfe leisten können sollte.

S4 Freiheit braucht Solidarität - Zum zukünftigen Umgang mit Corona

22.09.2023

Adressat*innen: Juso-Landeskonferenz, Juso-Bundeskongress

Wir fordern die politisch verantwortlichen in Bund und Freistaat auf, weiterhin verantwortungsvoll mit der aktuellen Situation der Corona-Pandemie umzugehen. Die Pandemie ist nicht zu Ende, auch wenn das die Stimmung in der Bevölkerung suggeriert. Gleichzeitig erkennen wir an, dass sich die pandemische Lage verändert hat und dass auch die politischen Maßnahmen sich deshalb verändern müssen:

Gerade auch in der politischen Arbeit merken wir, dass Zusammenarbeit und Diskussionen von Angesicht zu Angesicht sich nicht durch digitale Treffen ersetzen lassen. Dies gilt auch für viele andere Lebensbereiche. Gesellschaftliches Leben muss wieder stattfinden. Damit das möglich ist, müssen aber bewährte Schutzmaßnahmen wie eine Maskenpflicht, kostenfreie Testmöglichkeiten und eine Testpflicht sowie eine Impfpflicht politisch durchgesetzt werden.

Damit schaffen wir die Grundlage für eine durchhaltbare Langfriststrategie, um mit der anhaltenden Gefahr durch SARS-Cov-2 verantwortungsvoll umzugehen. Eine Überlastung des Gesundheitssystems und der kritischen Infrastrukturen zu verhindern, ist nur ein Ziel öffentlicher Gesundheitspolitik sein: Es geht auch um den Schutz individueller Gesundheit.

Auch, wenn eine solche Überlastung in Zukunft nicht mehr drohen sollte, muss die Minimierung der Krankheitslast in der Bevölkerung durch Eingrenzung von Infektionen und Reduktion der Krankheitsfolgen, wo es doch zu Infektionen kommt, weiterhin
staatliches Ziel bleiben. Außerdem muss die Möglichkeit der sicheren Teilnahme am Alltag für vulnerable Personen und deren Kontakte jederzeit gegeben sein, denn diese leben nicht nur in Pflege- und Altenheimen.

Hierzu ist es entscheidend, gezielt Schutzmaßnahmen in den Alltag zu integrieren, welche für das öffentliche Leben relativ eingriffsarm sind. Darüber hinaus muss eine Überwachung der Infektionszahlen und des Auftretens von Varianten dauerhaft
gegeben sein, um angemessen und präventiv auf neue Entwicklungen reagieren zu können. und und Länder müssen dafür dauerhaft rechtliche Grundlage schaffen und die Finanzierung sicherstellen. Unter die genannten eingriffsärmeren Schutzmaßnahmen fallen insbesondere die folgenden:

Verbesserung der Raumlufthygiene
Die Corona-Pandemie hat uns gelehrt, dass eine Übertragung draußen deutlich unwahrscheinlicher ist als in Innenräumen. Hieraus erwächst die Aufgabe, durch technische Lösungen wie Belüftungssysteme und Luftfilter die Raumluft in Innenräumen der im Außenbereich so weit wie möglich anzunähern. Es braucht hierzu verbindliche Vorgaben insbesondere für Innenräume, in denen sich für längere Zeit viele Menschen gemeinsam aufhalten – zuvorderst Schulen, Kitas und der Arbeitsplatz.

Entsprechende Maßnahmen sind auch für andere Erkrankungen, die durch Aerosole übertragen werden eine sinnvolle Investition und tragen somit langfristig zur Sicherung der Gesundheit der Bevölkerung bei.

Das Tragen von (FFP2-)Masken
Masken, insbesondere FFP2-Masken, sind eines der einfachsten und zugleich wirksamsten Mittel, Übertragungen zu verhindern. Sie schützen nicht nur den*die Träger*in, sondern vor allem auch andere. Daher sollte die Maskenpflicht in Innenräumen (auch am Platz an Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz) bei hohen und mittleren Ansteckungszahlen nicht aufgegeben werden und bei Bedarf leicht wieder einzuführen sein.

In bestimmten Bereichen muss darüber hinaus die Maskenpflicht mittelfristig beibehalten werden, hierzu zählen Geschäfte des täglichen Bedarfs, der gesamte medizinische Bereich (auch Hausbesuche), ÖPNV und Fernverkehr, der öffentlich zugängliche Bereich von Ämtern und Behörden, und ähnliche Bereiche, deren Besuch im Alltag zwingend erforderlich ist und wo sich entweder besonders viele Menschen aufhalten oder es zum Kontakt mit besonders vulnerablen Menschen kommt. Über eine Aufhebung in diesen Kernbereichen darf nur bei einer stabilen, sehr niedrigen Inzidenz nachgedacht werden. Entgegen der Erzählung vieler, stellt das verpflichtende Tragen einer Maske in unserer Bewertung keinen erheblichen Eingriff in die Freiheit des Menschen dar.

Schutzkonzepte am Arbeitsplatz, in Schulen und Kitas
Der Arbeitsplatz, Schulen und Kitas spielen eine wichtige Rolle im Infektionsgeschehen, da sich dort in der Regel mehrere Menschen für längere Zeit gemeinsam in Innenräumen aufhalten. Gleichzeitig handelt es sich um Bereiche, welche für das Funktionieren der Gesellschaft zentral sind und auch von den meisten vulnerablen Personen und/oder deren Kontakten kaum gemieden werden können. Daher bedarf es langfristiger Schutzkonzepte, welche sich am lokalen, regionalen und überregionalen Infektionsgeschehen orientieren, sowie der schnellen Eindämmung von Ausbrüchen im jeweiligen Betrieb oder der jeweiligen Einrichtung.

Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz dürfen nicht von der Willkür des Arbeitgebers abhängig sein, sondern müssen gesetzlichen Vorgaben folgen. Dazu gehören unter anderem Schutzwände aus Plexiglas für stationäre Mitarbeiter*innen mit hohem Kund*innen-Kontakt, z. B. an Kassen und Informationsschaltern, und die flächendeckende Bereitstellung von Desinfektionsmittel- Spendern.

An Schulen und Kitas ist die zentrale Aufgabe, einen verlässlichen Betrieb zu gewährleisten, ohne dabei die Gesundheit von Kindern, Jugendlichen, Lehrer*innen und Erzieher*innen und deren Familien in Gefahr zu bringen. Hierzu braucht es klare Vorgaben, die tatsächlich geeignet sind, Infektionen zu verhindern, aber auch ausreichend Flexibilität, um präventiv auf Ausbrüche in der jeweiligen Einrichtung reagieren zu können. Durch flexible Bestuhlung der Klassenzimmer mithilfe von leichten Ein-Personen-Tischen können Mindestabstände gewahrt werden. Sollte es zu Schließungen oder Quarantänen kommen, müssen Eltern unbürokratisch von der Arbeit freigestellt werden und finanzielle Unterstützung erhalten können. Ziel muss jedoch sein, das Infektionsgeschehen nicht so weit eskalieren zu lassen, dass Schließungen notwendig werden.

Der einfache Zugang zu Antigen- und PCR-Tests
Tests sind ein wichtiges Instrument, um Infektionen frühzeitig zu erkennen, Behandlung zu ermöglichen, sowie Infektionsketten zu unterbrechen. Die kostenlosen Schnelltests müssen daher bestehen bleiben, wobei eine bessere Kontrolle der Qualität der Tests und der Durchführung zwingend notwendig ist. Außerdem müssen PCR-Tests wieder breiter verfügbar sein, insbesondere müssen sie für
Kontaktpersonen von Infizierten wieder möglich sein. Hierzu sollte auch in kostengünstigere Alternativen wie die Gurgeltests in Österreich investiert werden. Zudem sind Testpflichten am Arbeitsplatz, in Schulen und Kitas bei hoher und mittlerer Inzidenz und bei Fällen innerhalb des Betriebs/der Einrichtung notwendig, um Ausbrüche früh zu erkennen und reagieren zu können. Regelmäßige PCR-Pool-Tests mehr als einmal wöchentlich müssen Standard an den Schulen werden. Geimpfte und Genesene sollten davon nicht ausgenommen sein.

Isolation, Quarantäne und Kontaktnachverfolgung
Die Isolation von Infizierten und die Quarantäne deren enger Kontakte sind ein wirksames Mittel der Eindämmung von Infektionskrankheiten, welches nicht aufgegeben werden sollte. In Zeiten, in denen die Kontaktnachverfolgung durch die Gesundheitsämter aufgrund der hohen Anzahl an Infektionen schwierig bis unmöglich ist, müssen digitale Lösungen wie die Corona-Warn-App ein stärkeres Gewicht erhalten, PCR-Tests ermöglicht werden sowie ein unbürokratischer Zugang zu Entschädigungsleistungen gewährleistet sein.

Da Quarantänen für Kinder und Jugendliche besonders belastend sind, muss hier insbesondere bei weniger intensivem Kontakt über Alternativen nachgedacht werden beispielsweise Kontakteinschränkungen und die vorübergehende Teilnahme am Unterricht in Distanz, statt einem kompletten Verbot, die Wohnung zu verlassen. Lösungen analog zur Arbeitsquarantäne, welche nur die Freizeit beschränken, aber weiterhin einen Besuch der Schule in Präsenz vorsehen, lehnen wir aufgrund der damit verbundenen psychischen Belastungen und weil in den Einrichtungen die meisten Kontakte stattfinden ab.

Der wirksamste Weg, die Belastung durch Quarantäne und Isolation zu verringern, ist, das Infektionsgeschehen insgesamt zu verringern.

Erhöhung der Impfquote (auch global) und Weiterentwicklung der Impfstoffe
Impfungen haben in dieser Pandemie bereits zahlreiche Leben gerettet und sind ein zentrales Instrument, die Krankheitslast zu reduzieren. Wir fordern weiterhin die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht ab 18 Jahren, darüber hinaus müssen dringend mehr niedrigschwellige Impfangebote für Kinder und Jugendliche geschaffen werden, um auch dort die Impfquote möglichst zu erhöhen. Impfstoffe müssen nicht nur in den reichsten Ländern für alle verfügbar sein, sondern überall auf der Welt, daher fordern wir die Aufhebung der Patente und die bessere Unterstützung der WHO dabei, Impfungen in der gesamten Welt verfügbar zu
machen.

Die Bundesregierung unterstützt Schwellen- und Entwicklungsländer sowohl finanziell als auch technisch beim Aufbau von Produktionslinien für Impfstoffe, sowie bei der Produktionsmittelbeschaffung.

Betroffene öffentliche Forschungseinrichtungen, die Pantenteinhaberinnen sind, werden hierbei angemessen finanziell entschädigt. Um genug Impfstoff produzieren zu können um jedem Menschen auf dem Planeten Impfschutz gegen Covid-19 zu ermöglichen fordern wir die Vergesellschaftung der enormen Gewinne der Pharmakonzerne mit den Impfstoffen, deren Entwicklung nur durch die mit öffentlichen Mitteln finanzierte Forschung möglich wurde. Mit diesen finanziellen Mitteln kann die dezentrale Produktion von Impfstoffen finanziert werden. Die Omikron-Variante hat die Wirksamkeit der bisherigen Impfstoffe deutlich reduziert,
mit weiteren Immunflucht-Varianten ist zu rechnen. Daher muss in die Weiterentwicklung der Impfstoffe investiert werden und die Erforschung neuer Impfstoffe, welche die Übertragung besser als bisher bremsen, gefördert werden. Die Aufklärungsarbeit über die Notwendigkeit einer Impfung, um sich vor schweren Verläufen zu schütze, muss dringend weiter geführt werden.

Möglichkeiten des Lernens und Arbeitens in Distanz
Neben einem sicheren Präsenzbetrieb muss das Lernen in Distanz zukünftig für alle, bei denen eine medizinische Indikation besteht wie z. B. ein eingeschränktes Immunsystem, ermöglicht werden.
Dafür ist der Aufbau digitaler Klassenzimmer auch über die Situation der Pandemie hinaus sinnvoll. Dazu müssen sowohl die Klassenräume technisch ausgestattet werden, als auch im Sinne der Lehrmittelfreiheit der Zugang zu angemessenen technischen Endgeräten für alle Schüler*innen sichergestellt und gegebenenfalls unterstützt werden. So kann die soziale Anbindung und der Unterricht fortgesetzt werden, wenn der physische Besuch der Schule aus gesundheitlichen Gründen über längere Zeit hinweg nicht möglich ist.

Das Recht auf Home Office in der Arbeitswelt muss bestehen bleiben, denn neben den gesundheitlichen und epidemiologischen Aspekten, bedeutet dies auch mehr Freiheit für die Arbeitnehmer*innen und ist daher als ein Fortschritt zu sehen. Darüber hinaus müssen auch an Schulen und Universitäten digitale Angebote als Alternative zur Präsenz dauerhaft etabliert werden, selbstverständlich ohne, dass diese von Lehrkräften, die voll im Präsenzbetrieb sind, nebenbei in ihrer Freizeit organisiert werden müssen.
Dies darf jedoch keine Ausrede dafür sein, sich nicht um einen sicheren Präsenzbetrieb zu kümmern.

Weitere Erforschung und bessere Verfügbarkeit von Behandlungsmethoden
Um auch im Falle einer Infektion schwere Verläufe möglichst zu verhindern, muss der Bund in die weitere Erforschung antiviraler Medikamente investieren sowie diese für alle, die sie benötigen, so schnell wie möglich verfügbar machen.

Wenn über Behandlungsmethoden gesprochen wird, darf außerdem Long Covid nicht vergessen werden – auch hierfür muss Geld für die Forschung zur Verfügung gestellt werden, Erkenntnisse aus der Vergangenheit, insbesondere zur Krankheit ME/CFS, müssen dabei berücksichtigt werden. Da Long Covid oft zu längerer Arbeitsunfähigkeit oder sogar zu einer Berufsunfähigkeit führt, muss zudem die finanzielle Unterstützung der Betroffenen und deren Familien sichergestellt werden. Einer Stigmatisierung muss entgegengewirkt werden.

S3 Förderung der selbstbestimmten sportlichen Entwicklung von Jugendlichen

22.09.2023

Antrag:

Ist der/die Antragsteller*in während der Antragstellung z. B. für eine Mitgliedschaft bei einem Sportverein mindestens 14 Jahre alt, so besteht in dem Fall, dass die Person auf Diskriminierung durch das familiäre Umfeld verweist, das Anrecht auf Unterstützung durch das Jugendamt/Sozialarbeiter*innen, auf Beitritt in einen Sportverein oder sonstigen gesellschaftlichen Organisation ohne Zustimmung oder Information der Eltern und auf Übernahme des Mitgliedsbeitrags durch das Jugendamt. Davon ausgeschlossen sind extremistische und demokratiefeindliche Organisationen.

Begründung:

Erfolgt mündlich.

C1 Verpflichtender Bau von Betriebswohnungen

22.09.2023

Antrag:

Wir setzen uns für den verpflichtenden Bau von Betriebswohnungen ein. Unternehmen werden verpflichtet, ab einer Größe von 500 Angestellten für mindestens 25% der gesamten Belegschaft und deren Familien (mit Fokus auf niedrigere und mittlere Einkommensgruppen) betrieblichen und vor allem günstigen Wohnraum bereitzustellen – außer die Betriebs- und Personalräte beschließen, dass ein geringerer Prozentsatz auch ausreichend ist. Der Wechsel des Arbeitgebers darf nicht dazu führen, dass eine Person ihre Wohnung verliert. Dieser Wohnraum soll im besten Fall von den Unternehmen neu gebaut werden, um dem ohnehin angespannten Wohnungsmarkt in Ballungsräumen keine weiteren Kapazitäten zu entziehen. Der Bau der Wohnungen soll durch Freistaat und Bund finanziell gefördert werden. Entsprechende sozial-ökologische und nachhaltige Förderrichtlinien sind zu erarbeiten. Ein Teil dieser Betriebswohnungen soll ausschließlich Auszubildenden und ggf. Dual-Studierenden zur Verfügung stehen. Kommen Unternehmen ihrer Pflicht nicht nach, sind Strafzahlungen zu entrichten. Das hieraus entstehende Kapital soll 1:1 in die Förderung betrieblichen Wohnraums fließen. Sollte der Bedarf unter 25% liegen, können die überschüssigen Wohnungen Wohnbaugenossenschaften zur Verfügung gestellt werden.

Begründung:

Wohnraum ist nach wie vor knappes Gut, besonders in Ballungsräumen. Wer für den Job beispielsweise nach München (bei Augsburg) oder Berlin zieht, steht einer schier unlösbaren Aufgabe gegenüber: günstigen Wohnraum für sich und seine Familie zu finden. Mit der Schaffung von mehr Betriebswohnungen nehmen wir Druck aus dem Wohnungsmarkt. Durch die Ausweisung von Betriebswohnungen für Azubis und Dual-Studierende vereinfachen wir es dieser Gruppe außerdem, früher auf eigenen Beinen zu stehen und einen eigenen Haushalt zu führen. Azubi-Wohnheime sind nach wie vor rar gesät, WGs für Azubis oft zu teuer, gerade in den Großstädten.

G2 Verbot von geschlechterstereotypischer Spielzeugwerbung

22.09.2023

Wir fordern ein konkretes Verbot von geschlechtsstereotypischer Spielzeugwerbung in Deutschland. Werbung soll sich dabei nicht mehr nur auf ein Geschlecht beziehen. Neben offensichtlicher Darstellung (z.B. Werbesprüche, Bilder) soll dabei auch der Einsatz von impliziten Zuschreibungen wie die Verwendung der Farben Rosa und Blau reguliert werden. Des Weiteren sollen Darstellungen, die ein sexualisiertes und herabwürdigendes Bild vermitteln, verboten werden.

Begründung:

Geschlechterunterschiede in der Berufswahl und die Gender Care Gap (Geschlechterunterschiede in der unbezahlten Sorgearbeit) existieren nach wie vor. Geschlechterstereotypen und das eigene Selbstkonzept beeinflussen dabei schulische und berufliche Entscheidungen sowie Überzeugungen über die eigenen Fähigkeiten. Diese Rollenbilder sind dabei nicht​ angeboren, sondern Ergebnis eines Sozialisationsprozesses und werden somit von äußeren Einflüssen bestimmt. Gerade während der Kindheit entstehen solche Rollenbilder. So richtet sich z.B. Werbung für Schönheit oder auch Pflege- und Haushaltstätigkeiten offensichtlich an Mädchen. Produkte wie Fahrzeuge, Sportartikel oder auch Technik werden dagegen eher für Jungen beworben. Untermauert werden diese geschlechterstereotypischen Zuordnungen mit entsprechend konnotierten Farben, etwa Rosa und Blau. Ein Werbevideo für Puppen, in dem ausschließlich Mädchen gezeigt und angesprochen werden, weist z.B. früh Verantwortung für die Sorgearbeit den Mädchen zu. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Werbung die Produkte geschlechtsneutral darstellt, um keine Vorurteile zu schüren. Kinder sollten unabhängig vom Geschlecht ihren Interessen nachgehen und sich nicht in eine Rolle drängen lassen. Dadurch sollen sowohl spätere berufliche Entscheidungen als auch die innerfamiliäre Arbeitsverteilung weniger von vorgegebenen Strukturen bestimmt werden. Verbindliche Regeln zur Verhinderung von sexistischer Werbung für Kinderspielzeuge, wie es sie in Spanien oder Frankreich bereits gibt, sind daher nötig.

B3 Bildungsabzocke beenden: KfW-Studienkredite zinsfrei gestalten

22.09.2023

Antrag:

Durch die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) vergebene Studienkredite sollen künftig – analog zur aktuellen Regelung des BAföG – zinsfrei gestaltet werden. Diese Änderung soll weiterhin rückwirkend für die in den letzten zehn Jahren vergebenen Studienkredite gelten. Bereits gezahlte Zinsen für noch laufende Kredite werden zurückgezahlt. Die entstehenden Lücken im Haushalt der Bank werden aus dem Bundeshaushalt finanziert.

Begründung:

Als Jusos stehen wir für kostenfreie Bilder von Kita bis Meister und Master. Nur durch gute und kostenfreie Bildung lässt sich der Weg in eine klassenlose Gesellschaft bestreiten. Doch auch dadurch lässt sich Chancengerechtigkeit nicht vollends verwirklichen, nach wie vor stehen Studierenden großen finanzielle Hürden im Weg, gerade in Großstädten. Während einige ihr Studium durch ihre Eltern finanzieren lassen, sind andere auf Studienkredite der KfW angewiesen, vor allem dann, wenn sie nicht BAföG-berechtigt sind. Besonders während der Pandemie, als viele klassische Nebenjobs für Studierende weggefallen sind, waren KfW-Kredite die einzige Möglichkeit, den eigenen Lebensunterhalt zu finanzieren. Zur damaligen Zeit wurde mit günstigen und ungefähr gleichbleibenden Zinsen geworben, was für viele Studierende attraktiv wirkte. Heute sehen wir das Resultat: Die Zinsen haben sich mehr als verdoppelt, viele stellt die Rückzahlung des Studienkredits vor Herausforderungen, teils auch vor existenzielle. Dem dürfen wir nicht zusehen, diese Entwicklung stellt ein weiteres Hemmnis zur Aufnahme eines Studiums dar, besonders bei all jenen, die während des Studiums selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen müssen.

Langfristig sollen KfW-Studienkredite überflüssig werden: Durch eine Ausweitung des BAföG zu einem Vollzuschuss mit entsprechend angehobenen Regelsätzen.

I5 Umbenennung von München zu München (bei Augsburg)

22.09.2023

Antrag:

Die Stadt München soll umbenannt werden in „München (bei Augsburg)“. Zusätzlich soll festgestellt werden, ob dadurch eine Verwechslungsgefahr zwischen München (bei Augsburg) und Schwabmünchen besteht. Der Franz-Josef Strauß Flughafen soll zu Freising gehören, den wollen wir nicht. Sollte er in Kurt-Eisner-Flughafen umbenannt werden, kann er gerne wieder zu Augsburg gehören. Langfristig soll München (bei Augsburg) in „(bei Augsburg)“ umbenannt werden.

Begründung:

Die Stadt München ist in ihrer 865 Jahre alten Geschichte ein Jungspund unter den deutschen Städten. Historisch gesehen ist München nichts anderes als ein Wochenmarkt in einem unwichtigen Vorort Augsburgs. Sogar die erste Erwähnung der Stadt ist in einem Dokument namens Augsburger Schied. München hat keinen schönklingenden lateinischen Namen wie „Augusta Vindelicorum“ und war nie freie Reichsstadt. Auch daraus lässt sich die fehlende historische Relevanz der Stadt München ableiten. Für uns ist somit der Fall klar.

P1 Barrierearme Anträge

22.09.2023

Antrag:

Alle Anträge des Landesvorstands der Jusos Bayern sollen vor der Einreichung daraufhin geprüft werden, wie barrierearm sie sind. Zu komplexe Anträge sollen in einem weiteren Dokument in leichter verständlicher Sprache erklärt werden. In diesem Zusatzdokument wird der gesamte Inhalt des Antrags weniger kompliziert beschrieben, zusammengefasst und erläutert. Eine extra Kommission prüft, ob ein Antrag ausreichend barrierearm ist, um eingereicht werden zu können. Ist der Antrag nicht ausreichend barrierearm, kann die Kommission das Zusatzdokument verlangen oder die Autor*innen bitten, den Antrag umzuschreiben. Die Autor*innen entscheiden, welche der beiden Möglichkeiten sie wählen. Die Kommission besteht aus drei Personen aus dem Landesvorstand. Erst wenn diese Kommission feststellt, dass ein Antrag verständlich genug ist, kann dieser vom Landesvorstand auf Landeskonferenzen gestellt werden. Abkürzungen sollen immer erklärt werden.

Begründung:

Begründung: Im Gegensatz zu anderen Parteien sollten doch ausgerechnet wir uns für alle Menschen einsetzen – und besonders für Arbeiter*innen. Wir kritisieren regelmäßig die Akademisierung der politischen Landschaft und erkennen an, dass Arbeiter*innen es strukturell schwieriger haben und die Mitbestimmungsmöglichkeiten begrenzt sind. Es ist ein Privileg, sich politisch engagieren zu können und auch abhängig von der Ausbildung, den finanziellen Möglichkeiten und anderen Kriterien, wie dem Ort oder dem Familienstand. Wir kämpfen immer und überall, um dieses Privileg abzuschaffen. Doch wie können wir das, wenn wir es in einer Sprache machen, die so schwer verständlich ist, dass sie das Ausschließen noch unterstützt? Wer nicht studiert oder kein Abitur gemacht hat, lernt zunächst einmal nicht zwangsläufig, wie man Texte „richtig” liest und schnell den Kerninhalt versteht. Aber Übung macht den Meister. Diese Übung haben einige Genoss*innen, andere eben nicht. Hier könnte nun entgegnet werden, dass man in der Politik lernen muss, mit langen und komplizierten Texten umzugehen, weil dies auf Dauer in der politischen Arbeit nahezu unverzichtbar ist. Ja, das stimmt auch, aber besonders bei uns Jusos als Jugendverband ist eine niederschwellige und barrierearme Beteiligungsmöglichkeit notwendig. Wer länger bei den Jusos dabei ist, wird auf Dauer zu einem Meister darin, wer allerdings auf seine erste Landeskonferenz fährt, ist das in der Regel noch nicht. Wir sollten genau diese Menschen nicht abschrecken. Wenn zumindest eine zusätzliche, barierrearme Version des Antrags vorliegt, wird Menschen die Arbeit schon extrem erleichtert. Gleichzeitig kann mit einer solchen Version allgemein das Lesen des komplizierteren Textes erleichtert werden. Denn wenn man schon ca. weiß, was einen erwartet, kann man sich statt der sprachlichen Darstellung auf inhaltliche Feinheiten konzentrieren. Zudem werden Anträge meist von Personen geschrieben, die bereits tiefer mit der Thematik des Antrags befasst und somit mit den Grundprinzipien und den Begrifflichkeiten eher vertraut sind. Für Außenstehende und für Personen, die sich mit längeren Texten bei eher unbekannten Themen schwer tun, ist es so bei einigen Anträgen nahezu unmöglich, diese schnell mal zu lesen und zu verstehen. Das müsste allerdings nicht so sein. Lange und komplizierte Anträge sind für unsere Arbeit manchmal unabdinglich. Gerade bei Anträgen des Landesvorstands, an denen mehrere Personen über einen längeren Zeitraum arbeiten, macht es durchaus Sinn, nicht den kompletten Antrag in einfacher Sprache zu verfassen, sondern eine zusätzliche einfache Form vorzulegen. Vergleichsweise kürzere Anträge sollten grundsätzlich in einfacher Sprache verfasst werden. Es ist schön, wie Genoss*innen von uns mit Sprache umgehen können, aber wer sich sprachlich verausgaben will, soll sich ein anderes Hobby suchen. AMEN

E2 Praktische Solidarität mit der feministischen Revolution im Iran

22.09.2023

Seit Monaten kämpft die Bevölkerung im Iran gegen das islamistisch-faschistische Mullah-Regime und seine menschenverachtende Unterdrückung. In den blutigen Protesten spielen seit Beginn besonders FLINTA* eine zentrale Rolle, welche gegen die Terrordiktatur und ihre Scherg*innen auf die Straße gingen. Die mutigen Protestierenden im Iran durchbrechen die eindimensionale patriarchale Logik des Islamischen Regimes, indem sie die Ketten ihrer Unterwerfung zerschlagen. Angetrieben wird dieser Protest vor allem von FINTA: auf den Straßen im Iran ebenso wie im Ausland und im Internet. FLINTA*, die sich der Polizei entgegenstellen, FLINTA*, die ihre Kopftücher abwerfen, FLINTA*, die sich als Zeichen des Protests die Haare abschneiden. Es ist ein feministischer Kampf gegen ein Regime, dessen Herrschaft auf der Unterdrückung von FLINTA* fußt.

Dabei sind die Proteste längst nicht mehr nur auf einzelne gesellschaftliche Gruppen oder einzelne Städte beschränkt, sonder schon seit langer Zeit durch weite Teile der iranischen Bevölkerung getragen. Gerade marginalisierte oder ethnisch unterdrückte Gruppen treten dabei wieder und wieder in Erscheinung. Die kurdische Parole „Jin, Jiyan, Azadi“ – Frauen, Leben, Freiheit – ist zum weltweit bekannten Schlachtruf der Revolution geworden, welcher sich von allen westlichen Politiker*innen nur zu gerne angeeignet wird, um dann im selben Atemzug dem Konglomerat aus Türkei und Daesh Honig um den Mund zu schmieren, während Jesid*innen und Kurd*innen in Nordsyrien und dem Irak angegriffen werden. Unterdrückung und Vernichtung der Kurd*innen sind dabei nicht nur Ziel des türkischen Faschismus, auch im Iran richtet sich besonders viel Hass und Gewalt der staatlichen Gewalt auf Kurd*innen.

Der iranische Staat verteidigt sich mit allen Unterdrückungsformen. Die Barbarei, die dabei gegenüber einfachen Protestierenden an den Tag gelegt wird, kennt keine Grenzen. Systematische Folter und schwerste Misshandlungen, Amputationen als „Strafe“, das systematische Einsetzen von sexualisierter Gewalt und Massenvergewaltigung mit Todesfolgen, der Einsatz von Kriegswaffen gegen Protestierende, Ermordungen auf offener Straße, in Häusern und Hinrichtungen nach Schauprozessen. All das wird als angemessen angesehen und von den Terrorscherg*innen umgesetzt. Dabei sind die Unterdrückung, besonders von FLINTA*s, sowie die internationale Unterstützung islamistischer Gewaltorganisationen und Vernichtungsantisemitismus gegenüber Jüd*innen und Israels schon lange zentral für die Existenz der Islamische Republik Iran.

Auch 1979 waren die Straßen im Iran voll mit Demonstrant*innen. Damals richteten sich die Massenproteste gegen den iranischen Schah, Mohammad Reza Pahlavi, der sich mit nationalistischer Symbolik zu legitimieren versuchte und mithilfe des Geheimdienstes SAVAK als Despot herrschte. Offiziell verfolgte der Schah das Ziel der Gleichberechtigung der Geschlechter. So erhielten FLINTA* 1962 das aktive und passive Wahlrecht, 1967 wurde die Scheidung seitens der Frau erleichtert. Den privaten Freiheiten zum Trotz, die es im Iran vor 1979 gab, waren politische Partizipation und eine demokratische Opposition nicht möglich. Gleichzeitig herrschte eine enorme soziale Ungleichheit, während die Herrscherfamilie einen luxuriösen Lebensstil pflegte. Die Proteste gegen den Schah umfassten daher unterschiedlichste Gruppen: religiöse, liberal-bürgerliche ebenso wie linke bis kommunistische Gruppen. Ruhollah Chomeini inszenierte sich bewusst als Integrationsfigur, betonte die Gleichberechtigung der Geschlechter und sprach sich für demokratische Freiheiten aus. Sein Ziel, einen Gottesstaat zu errichten, verkündete er erst später. Dabei profitierten Chomeini und seine Anhänger*innen davon, dass die Geistlichkeit als einzige auch in der Schah-Zeit über eine gemeinsame Organisation und über die besten Informationsnetzwerke verfügte. Von Gleichberechtigung und Demokratie blieb nach der sogenannten “Islamischen Revolution” nichts übrig: Eine Herrschaft der islamischen Rechtsgelehrten wurde errichtet, de facto konservativer bis fundamentalistischer, alter Männer, an deren Spitze ein religiöser und zugleich politischer Führer steht. Seitdem ist das Strafrecht nach der Scharia ausgerichtet, FLINTA* werden gezwungen, das Kopftuch zu tragen, Alkohol ist verboten. Ein zwölfköpfiger Wächterrat entscheidet darüber, ob die Beschlüsse des Parlaments zugelassen werden sowie wer für politische Ämter wie das des Präsidenten kandidieren darf. Die Möglichkeit der Wahl besteht für iranische Staatsbürger*innen also nur innerhalb eines engen Korridors, der dieser fundamentalistischen Auslegung des Islam zu folgen hat. Wie eng dieser Korridor ist, zeigt sich auch in der Bewertung des ehemaligen Präsidenten Hassan Rohani: Der wurde im Ausland schon deshalb als Reformer begrüßt, weil er sich für Verhandlungen im Atom-Streit einsetzte. Das Unterdrückungssystem der Islamischen Republik stellte er nie prinzipiell in Frage. Doch selbst dieser Spielraum wurde dem obersten Führer Chamenei offenbar zu viel: Lediglich sieben Kandidaturen wurden für die Präsidentschaftswahl 2021 zugelassen, die meisten davon ultrakonservative Hardliner. Mit Ebrahim Raissi gewann einer dieser Hardliner die Wahl. Damit ist ein Mann Präsident des Iran, der in den 1980er Jahren für Massenhinrichtungen verantwortlich war und 2009 Menschen verfolgte, die auf Vergewaltigungen in iranischen Gefängnissen aufmerksam gemacht hatten.

Die große Mehrheit der Iraner*innen leidet unter Armut und Perspektivlosigkeit. Viele Angehörige der Mittelschicht haben in den letzten Jahren erheblich Wohlstandseinbußen erlitten. Viele Menschen im Iran halten sich und ihre Familien mit mehreren Jobs nebeneinander über Wasser. Die jungen Menschen haben eher Reform-orientierte Regierungen ebenso wie Hardliner-Regierungen erlebt und feststellen müssen, dass sich an ihrer Lage im Wesentlichen nichts ändert. Dass die Islamische Republik nicht reformierbar ist. Doch selbst in dieser prekären wirtschaftlichen Lage gibt es Gruppen, die profitieren und zum Teil enorme Vermögen anhäufen können. Die Angehörigen der Basidsch-Milizen, die aktuell zur Niederschlagung der Proteste eingesetzt werden, genießen als Teil des Repressionsapparats eine vergleichbar stabile finanzielle Lage. Insbesondere aber die Sepâh, die Iranische Revolutionsgarde, stellt die Brücke zwischen Gewaltherrschaft und wirtschaftlicher Bereicherung dar. Ihre Kernaufgabe ist es, gegen jede politische Opposition vorzugehen. Ehemalige Kommandeure der Revolutionsgarde besetzen zahlreiche Schlüsselpositionen in der iranischen Politik und Wirtschaft, organisieren zudem die illegalen Außenhandels-beziehungen, um die internationalen Sanktionen zu umgehen und werden immer wieder mit Korruption im großen Stil in Verbindung gebracht. Zugleich ist die Sepâh der größte Unternehmer des Landes, hat von Privatisierungen ehemaliger Staatskonzerne profitiert und genießt Steuer- und Zollfreiheit. Zu den Wirtschaftsbereichen, in denen die Revolutionsgarde aktiv ist, zählen auch das Ölgeschäft sowie Häfen und Flughäfen. Auch auf die Medien nimmt die Revolutionsgarde Einfluss. Die Mitglieder der Revolutionsgarde sind mit der Islamischen Republik vermögend und einflussreich geworden, sie sind die zentrale Stütze des Regimes. Auch wenn die am 17.10.2022 beschlossenen EU-Sanktionen eine Untergruppe der Revolutionsgarde, die Basidsch-Milizen, sowie die sogenannte Sittenpolizei in den Blick nehmen, sparen sie doch die wirklich mächtige Organisation hinter der Diktatur aus. Die internationalen Sanktionen müssen endlich gegen die politische und wirtschaftliche Elite des Landes ausgerichtet werden und dazu zählt zweifellos die Revolutionsgarde. Gleichzeitig ist die Revolutionsgarde, vor allem die Al-Quds- Brigaden, der wichtigste Akteur in der aggressiven, destabilisierenden Außenpolitik Irans. Die USA stufen die Revolutionsgarde bereits als Terrororganisation ein. Die EU muss dieser Einschätzung endlich folgen. Solange die Angehörigen dieser Organisation von der Diktatur profitieren, werden sie die Diktatur stützen.

Am 3. Januar 2020 wurde Qasem Soleimani durch das US-Militär in Bagdad getötet. Der Iran antwortete mit martialischen Drohungen und Attacken auf US-amerikanische Militärbasen und mit dem unbeabsichtigten Abschuss eines Passagierflugzeugs. Das irakische Parlament forderte den Abzug der amerikanischen Truppen aus dem Irak, was den iranischen Einfluss weiter stärken würde. Und auch in Deutschland herrschte vielerorts die Deutung vor, die USA seien für die neuerliche Eskalation im Konflikt mit dem Iran verantwortlich. Dabei kamen Krieg und Eskalation in der Region nicht erst mit dem Tod Soleimanis. Im Gegenteil: Soleimani war einer der Hauptverantwortlichen für das Sterben im Nahen Osten und an seiner Person lässt sich beispielhaft beschreiben, wie der Iran den Krieg in seinen Nachbarländern nicht nur vorangetrieben, sondern auch immer weiter entgrenzt hat. Qasem Soleimani war bis zu seinem Tod Kommandeur der Al-Quds-Brigaden und damit direkt dem iranischen Revolutionsführer und Staatsoberhaupt Ali Chamenei unterstellt. Er wurde als zweitmächtigster Mann des Irans gehandelt. Seine Brigaden, ein Teil der Iranischen Revolutionsgarde, dienen offiziell dem Export der Iranischen Revolution in der Region und bilden eine Spezialeinheit für extraterritoriale Aktionen. Ganz konkret heißt das, dass die Quds-Einheiten pro-iranische Milizen unter anderem in Syrien, im Irak, im Libanon, im Gazastreifen (Teile der Hamas und Islamischer Dschihad) und im Jemen mit Ausbildung, Waffen und Finanzierung unterstützen. Faktisch war Qasem Soleimani der Kommandeur eines ganzen Netzwerks aus iranischen Terroragenten im Ausland. Diese Stärkung und Steuerung von Milizen trägt zur Destabilisierung der Region bei und verhindert beispielsweise im Irak die Wiedererrichtung eines staatlichen Gewaltmonopols. Qasem Soleimani als Architekten des Terrors zu bezeichnen, ist keine propagandistische Deutung: Angriffe auf amerikanische Militärbasen, auf die US- Botschaft in Bagdad und auf Israel legen Zeugnis vom Terror ab, den das iranischen Expansionsstreben erzeugt. Der Iran will durch nicht-staatliche Milizen seine Nachbarländer unterwandern und eine Vormachtstellung in der Region erringen. Soleimani war der Kopf hinter dieser Strategie. Dabei werden die klassischen Regeln der Kriegsführung vom Iran ausgehebelt, der über nicht-staatliche Milizen nicht-staatliche Kriege führt. Von einem Iran, der seine Milizen zum Sturm auf die US- Botschaft aufhetzt und der unter dem fadenscheinigen Deckmantel verbündeter Terrororganisationen Israel beschießt. Von einem Iran, der als bewusste Strategie die Grenze zwischen Krieg und Frieden verwischt. Diese Strategie wurde von Qasem Soleimani perfektioniert. Eine Glaubwürdigkeit des Völkerrechts im Nahen Osten kann nur erreicht werden, wenn die verdeckte Kriegsführung des Irans und weiterer Staaten endet.

Statt jedoch das vom iranischen Hegemoniestreben verursachte Leid in den Fokus zu rücken, bedienten sich viele Medien in Deutschland eines etablierten Orientalismus: Die sogenannte „schiitische Welt“ trauerte um Soleimani. Es wurden Aufnahmen von Menschenmengen im Iran und Irak gezeigt, die „Tod Amerika“ und „Tod Israel“ forderten. Vergessen wurden die vielen tausend Menschen, die im Irak gegen den Einfluss des Iran und für die Souveränität ihres Staates demonstriert hatten (unabhängig von ihrer Konfession). Vergessen wurden auch die Demonstrant*innen im Iran, die damals (2019/20) ebenfalls gegen ein korruptes, islamistisches Regime und katastrophale Lebensbedingungen demonstriert hatten. Vor allem wurde vergessen, dass diese vielen Menschen unter Gefährdung ihres Lebens demonstriert hatten: Iranische Sicherheitskräfte und vom Iran gesteuerte Milizen im Irak töteten hunderte Demonstrant*innen, tausende wurden verletzt und verhaftet. Das iranische Regime tötet nicht nur innerhalb der eigenen Landesgrenzen. Die aggressive Außenpolitik des Iran muss als solche benannt und vor allem die darunter leidenden Zivilist*innen in den Fokus gerückt werden.

Die gewalttätige Politik des iranischen Regimes macht sich nicht ausschließlich in unmittelbaren Nachbarländern des Iran bemerkbar. Der russische Präsident Putin, ein Verbündeter des iranischen Regimes, wird in seinem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine vom Iran unterstützt. Das russische Militär setzte bei den Angriffen auf die Zivilbevölkerung in Kyiv im Oktober 2022 iranische Kamikaze-Drohnen ein. Zudem bezieht Russland Kurzstreckenraketen vom Iran, mit denen ukrainische Städte beschossen werden können und füllt damit sein Raketenarsenal wieder auf. Hier steht eine Diktatur der anderen bei. Fest etabliert im Kanon der iranischen Propaganda ist außerdem der Al-Quds-Tag, der erstmals vom Revolutionsführer Chomeini ausgerufen wurde und seitdem in zahlreichen Ländern als Bühne für Hass gegen Israel und die USA dient. Das iranische Regime ist ein weltweiter Förderer für Antisemitismus – auch in Deutschland. Nicht ohne Grund schließen sich auch immer wieder Neonazis den Al-Quds-Märschen in Deutschland an. Der Iran verfolgt nach wie vor das Ziel, Israel auszulöschen und bettet diesen Antizionismus seit 1979 in eine Rhetorik des vermeintlich antiimperialistischen Befreiungskampfes ein. Israel ist für das iranische Regime nichts weiteres als ein Besatzungsregime und Vorposten des verhassten Westens, insbesondere der USA. Es überrascht nicht, dass Mahmud Ahmadineschad als iranischer Staatspräsident die Shoah leugnete. Seit der sogenannten Islamischen Revolution 1979 weigert sich das Regime, Israel anzuerkennen und steht damit Frieden und Stabilität im Nahen Osten entgegen.

Es ist also klar, dass unter dem historischen Hintergrund das iranische Regime fundamental auf der Unterwerfung der Menschen unter seine Gewalt basiert. Das Ende der menschenverachtenden Unterdrückung und der terroristischen Gewalt im In- und Ausland ist voraussichtlich gleichbedeutend mit einem Ende der Islamischen Republik Iran, in seiner jetzigen staatlichen Verfasstheit. Während diese mutigen Menschen im Iran Widerstand gegen einen massiven Unterdrückungsapparat leisten, dürfen wir Jusos nicht schweigen. Unsere Solidarität gehört den Demonstrant*innen im Iran ebenso wie allen Iraner*innen im Exil, die zum Teil schon seit Jahrzehnten für einen demokratischen Wandel im Iran kämpfen.

Wir fordern deshalb:

  • das Ende der Gewalt gegen die Demonstrant*innen im Iran.
  • Umfassende Sanktionen gegen den Unterdrückungsapparat des iranischen Regimes und diejenigen, die davon profitieren. Die EU-Maßnahmen vom 17. Oktober, die unter anderem gegen die Gašt-e eršād (“Sittenpolizei”) sowie die Basidsch-Milizen gerichtet sind, sind ein richtiger erster Schritt. Die Liste der sanktionierten Personen und Organisationen muss jedoch deutlich ausgeweitet werden. So müssen auch die Revolutionsgarde, die mit ihnen verbundenen Unternehmen und Vermögenswerte sowie die obersten Machthaber im Iran in den Fokus der Sanktionen rücken. Denn bei aller Unterdrückung und Armut im Iran, die Angehörigen der Elite und ihre Angehörigen genießen nach wie vor Freiheiten, die sie anderen verwehren, sowie zum Teil enormen Wohlstand.
  • Die Revolutionsgarde auf die EU-Terrorliste zu setzen.
  • das Ende der einseitigen Fokussierung auf die Atom-Verhandlungen. Iranische Oppositionelle fürchten nicht ohne Grund, dass der EU, insbesondere Deutschland, ein Erfolg in den Atom-Verhandlungen wichtiger ist als ein entschlossenes Vorgehen gegen das iranische Regime. Für uns ist klar: Mit einem Regime, das feministische und demokratische Proteste gewaltsam niederschlägt, kann kein verlässliches Abkommen geschlossen werden.
  • ein entschlossenes Vorgehen auch gegen die konventionelle Aufrüstung im Iran, insbesondere das Mittelstreckenraketenprogramm, das bislang nicht im Atom- Abkommen enthalten war und eine enorme Bedrohung für Israel darstellt. Diese konventionelle Rüstung darf nicht länger ausgeklammert werden.
  • einen Stopp der Zusammenarbeit aller staatlichen Stellen mit Vereinen und Institutionen, die dem iranischen Regime nahestehen. Das betrifft unter anderem das Islamische Zentrum Hamburg.
  • ein entschlossenes Vorgehen gegen Ableger des iranischen Regimes in Deutschland wie die Organisator*innen der antisemitischen Al-Quds-Märsche, dass das Angebot der Deutschen Welle auf Farsi ausgebaut wird, um Iraner*innen den Zugang zu politischen Informationen jenseits der staatlichen Zensur zu erleichtern.
  • die Demonstrant*innen beim Zugang zum Internet zu unterstützen. Dabei reicht es nicht, wenn Privatpersonen aus dem Ausland versuchen zu helfen. Der Zugang zum Internet ist ein zentraler Bestandteil der Proteste und muss deshalb in Deutschland von staatlicher Seite unterstützt werden.
  • Sichere Fluchtrouten sowie eine erleichterte Einreise in die EU für Iraner*innen. Das betrifft Asylverfahren ebenso wie die Vergabe von Visa. Die Zeiten, in denen vor allem junge Iraner*innen kein deutsches Visum bekommen haben, müssen endlich vorbei sein.
  • erhöhte Schutzmaßnahmen für Exil-Iraner*innen durch deutsche Sicherheitsbehörden, sowie die Einrichtung von Anlauf- und Meldestellen für Betroffene.
  • dass die Haushaltskürzungen im Bereich der ausländischen Kultur- und Bildungspolitik gestoppt werden. Stattdessen braucht es einen Ausbau der Mittel, z.B. um iranischen Studierende und Wissenschaftler*innen Stipendien in Deutschland zu finanzieren.
  • einen dauerhaften Abschiebestopp in den Iran.
  • dass sich Jusos und SPD den vielerorts stattfindenden Demonstrationen gegen das iranische Regime anschließen.
  • das Ende der Diskriminierung von FLINTA*, ethnischen Minderheiten, Angehörigen der LGBTQIA+ Community und anderer marginalisierter Gruppen im Iran, die Freilassung aller politischen Gefangenen und wie von den Protestierenden stets gefordert, die Durchführung eines freien Referendums über die Zukunft des Irans.

U5 Wasserzugang im öffentlichen Raum

22.09.2023

In Deutschland, gerade in Bayern, haben wir high quality Leitungswasser. Doch ist das Wasser nicht für alle und überall zugänglich, obwohl die EU bereits 2020 eine neue Richtlinie verabschiedet hat, die eben genau das für alle EU-Bürger*innen garantieren soll.3 Mit der UN-Resolution 64/292 wurde bereits 2010 der Zugang zu sauberem Wasser als Menschenrecht verankert. Leider trifft das auch in Deutschland nicht zu. Gerade im öffentlichen Raum gibt es oft keine Möglichkeit an sauberes Trinkwasser zu kommen. Diese Herausforderung, gerade für wohnungslose Menschen, können wir nicht weiter akzeptieren.

Wir fordern daher: Es muss kostenlose Wasserspender im öffentlichen Raum geben! Vor allem in städtischen Parkanlagen, oder auf innerstädtischen Flächen auf denen Leute verweilen muss der Zugang zu kostenlosem, hochwertigem Wasser garantiert werden. Außerdem muss Leitungswasser in Restaurants und Cafés kostenlos angeboten werden.

Zudem fordern wir: Das Recht auf sauberes (Trink-) Wasser muss in Deutschland endlich im Grundgesetz verankert werden, um Bestrebungen nach einer Wasserprivatisierung ein für alle Mal zu stoppen. Wasserqualität sowie Zugang müssen weiterhin in öffentlicher Hand bleiben.