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I2 Änderung des §17 Bundesmeldegesetz (BMG) - Möglichkeit der vorzeitigen Anmeldung

29.11.2018

Wir fordern die Einführung einer Möglichkeit, sich vor Umzug bei der Meldebehörde an- bzw. umzumelden. Dazu könnte im Bundesmeldegesetz der entsprechende § 17 Abs. 1 um die Regelung „Eine Anmeldung ist frühestens eine Woche vor Einzug möglich; die Fortschreibung des Melderegisters erfolgt zum Datum des Einzugs“ ergänzt werden. Diese Regelung besteht in § 17 Abs. 2 bereits, für den Fall einer Auswanderung.
Wir fordern, dass eine Anmeldung auch bei der alten Meldebehörde möglich ist. So wie es möglich ist, dass mit der Anmeldung bei einer neuen Meldebehörde keine Abmeldung bei der alten Meldebehörde mehr notwendig ist, soll es auch möglich sein, die Anmeldung bei der neuen Meldebehörde bei der alten Meldebehörde durchzuführen.
Weiterhin fordern wir, dass die Digitalisierung der Verwaltung (E-Government) nun schnellstmöglich vorangetrieben wird. Ziel muss es sein, dass mittelfristig ein Großteil der Behördengänge online erledigt werden können. Das entlastet nicht nur die Bürger*innen, sondern auch die Verwaltung.

B5 Erste-Hilfe-Kurs für alle Schüler*innen!

29.11.2018

Wir fordern die Einführung eines verpflichtenden, kostenfreien Erste-Hilfe-Kurses für alle Schüler*innen der 8. Jahrgangsstufe in allen Schularten. Zudem soll es darauf aufbauend jährlich einen Erste-Hilfe-Auffrischungskurs geben.

B4 Bildung – jetzt mal richtig!

29.11.2018

Freie, solidarische und demokratische Bildung ist ein zentrales Anliegen der Arbeiter*innenbewegung.
Bildung darf nicht nur Ausbildung und Qualifizierung für das Berufsleben sein. Bildung ist ein Mittel zur sozialen Inklusion, zum sozialen Aufstieg und zur Teilhabe an einer demokratischen Gesellschaft. Wir bekennen uns zu einem sozialistischen Bildungsideal.
Frei – Die Finanzierung von Bildung ist eine staatliche und gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wer die Kosten von Bildung privatisiert, schließt Menschen von dieser aus. Denn Chancengerechtigkeit ist nur möglich, wenn der Zugang zu Bildung nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängt. Deshalb muss Bildung für alle kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. Weder Gebühren oder das Geld für den Schulbus, noch Kosten für Arbeitshefte und Malkästen dürfen eine Hürde darstellen.
Daher fordern wir: Freie Bildung von der Kita bis zum*zur Meister*in/Master*in!
Solidarisch – Wir stehen für eine inklusive Gesellschaft und ein inklusives Bildungssystem. Wir wollen ein gemeinschaftliches Lernen aller Menschen unabhängig von ihrer sozialen Herkunft, ihrer sexuellen Identität, ihrem kulturellen Hintergrund oder ihrer Religion. Ein sozialistisches Bildungssystem fördert den offenen Austausch zwischen verschiedenen Gruppen innerhalb der Gesellschaft. Dies ist mit dem dreigliedrigen Schulsystem nicht möglich. Die Aufteilung in Schularten mit unterschiedlicher gesellschaftlicher Anerkennung manifestiert soziale Ungerechtigkeit.
Wir bekennen: Bildung ist ein Menschenrecht!
Demokratisch – Bildung muss selbstbestimmt sein. In einer demokratischen Gesellschaft sind Mitbestimmung und Partizipation in Bildungseinrichtungen selbstverständlich. Individuelle Bildungsansätze ermöglichen die Emanzipation von gesellschaftlichen Normen, stärken die eigenständige und kritische Meinungsbildung und lehren die Wertschätzung anderer Meinungen im demokratischen Diskurs. Frontalunterricht und starre Lehrpläne haben also ausgedient. Es bedarf der flächendeckenden Umsetzung neuer Lernkonzepte. Die rückständige Disziplinierung durch Strafen muss durch eine menschenfreundliche Feedbackkultur, die Lernfortschritte dokumentiert und würdigt, ersetzt werden. Oberste Aufgabe von Bildung ist die Förderung der persönlichen Entwicklung.
Deshalb fordern wir: Mehr Demokratie und Mitbestimmung!
Immer wieder haben reaktionäre Kräfte versucht, Bildung zu einem exklusiven Luxusgut zu machen. Sei es durch die Einführung von Studiengebühren, die Abschaffung der Lernmittelfreiheit oder der Verfassten Studierendenschaft. Nach wie vor finden sich diese reaktionären Ansätze in unserem Bildungssystem. Jetzt sind wir am Zug: Weg damit! Hin zu einem sozialistischen Bildungssystem.
A – Frühkindliche Bildung
1. Ausbau der Kita- und Krippenplätze
Kindertageseinrichtungen stellen insbesondere für Alleinerziehende und Familien, in denen beide Elternteile arbeiten, eine bedeutende Entlastung dar.
Zum 01. März 2016 lag die Betreuungsquote für Kinder unter drei Jahren in Bayern bei 27,2%. Bundesländer wie Brandenburg (57,2%) oder Sachsen-Anhalt (57%) und zahlreiche Bedarfserhebungen in Bayern zeigen, dass der Bedarf an Betreuungseinrichtungen weit über den in Bayern zur Verfügung stehenden Kapazitäten liegt. Da der Betreuungsbedarf für unter 1-Jährige sehr gering ist, der Betreuungsbedarf für 2- bis 3-Jährige aber bei etwa 90% liegt, ist eine Betreuungsquote von circa 60% der unter 3-Jährigen als bedarfsdeckend zu betrachten. Um diese Zielzahl zu erreichen ist ein massiver Ausbau der Kindertageseinrichtungen zu forcieren.
2. Beitragsfreiheit für Kitas und Krippen
Um frühkindliche Bildung für alle zu ermöglichen, braucht es neben dem dringenden Ausbau von Kita- und Krippenplätze auch die Beitragsfreiheit. Diese entlastet vor allem einkommensschwache Familien und stärkt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Um die Kommunen nicht übermäßig zu belasten muss der Freistaat Bayern in vollem Umfang für die entfallenden Beiträge aufkommen.
3. Schwimmunterricht schon im Kindergarten
Das Durchschnittsalter beim Erlernen des Schwimmens beträgt laut Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS) Welle 1 des Robert-Koch-Instituts etwa sechs Jahre. Des Weiteren stellt die Studie fest, dass Schwimmenlernen stark mit dem sozialen Status korreliert. So erlernen Kinder mit niedrigem Sozialstatus das Schwimmen im Durchschnitt erst mit knapp sieben Jahren, Kinder mit hohem Sozialstatus bereits mit fünfeinhalb Jahren.
Wir fordern daher die bayernweite Einführung des kostenlosen Schwimmunterrichts ab dem zweiten Kindergartenjahr. Ein Schwimmbadbesuch oder gar die Finanzierung eines privaten Schwimmkurses stellen eine finanzielle Belastung dar, die gerade von finanzschwachen Personen nicht getragen werden kann. Hier müssen deshalb staatliche Angebote geschaffen werden, um schon das Schwimmenlernen sicherzustellen. Dazu bieten sich insbesondere Kindergärten an, da sie von einem hohen Prozentsatz der Kinder besucht werden und das Kindergartenalter dem Alter entspricht, in dem Kinder de facto das Schwimmen erlernen.
Um dem dadurch entstehenden Bedarf gerecht zu werden, fordern wir des Weiteren ein flächendeckendes Ausbau- und Sanierungsprogramm für öffentliche Schwimmbäder.
B – Schulische Bildung
1. Gemeinschaftsschulen
Als Beitrag zur Chancengerechtigkeit wollen wir eine Schule für Alle. Wir bekennen uns zur Gemeinschaftsschule und möchten, dass alle Kinder und Jugendlichen gemeinsam lernen können. Innerhalb der Gemeinschaftsschulen sollen einzelne Fächer in unterschiedlicher Stundenzahl angeboten werden, sodass die Schüler*innen je nach individuellen Interessen wählen können.
Voraussetzung für eine gelingende Gemeinschaftsschule ist ein hoch individualisierter Unterricht, der am Wissensstand jeder*s Einzelnen ausgerichtet ist. Die Wahlmöglichkeiten müssen – insbesondere in höheren Jahrgangsstufen – im Vergleich zum heutigen Stand massiv erweitert werden. Dies führt zu einem erhöhten Bedarf an pädagogischem Personal, der durch die Schaffung neuer Stellen abgedeckt werden muss. An jeder Schule ist ein breites Angebot von naturwissenschaftlichen bis hin zu künstlerischen oder sprachlichen Schwerpunkten zu schaffen. Es darf kein Schulwechsel erforderlich sein, um die gewünschten Inhalte belegen zu können.
An der Gemeinschaftsschule können je nach den Zukunftswünschen der Schüler*innen unterschiedliche Bildungsabschlüsse erreicht werden. Hierfür findet eine frühzeitige individuelle Beratung zur Entwicklung des Bewusstseins über Stärken und Interessen für jede*n Schüler*in statt. Auch die Schwerpunktsetzung in den Abschlussprüfungen erfolgt individuell.
2. Inklusion
Die Schule für Alle muss auch eine inklusive Schule sein, bei der Schüler*innen mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf gemeinsam unterrichtet werden. Wir Jusos sind uns sicher, dass alle Menschen unterschiedlich sind. Für uns gibt es keinen Grund, einzelne Menschen aufgrund ihrer Andersartigkeit auf eigene Schulen zu schicken. Wir begreifen Vielfalt als eine Bereicherung für die Gesellschaft.
Von einem inklusiven Bildungssystem, das mit der Schule für Alle gefordert wird, profitieren nicht nur Schüler*innen mit Förderbedarf, sondern alle. Beim gemeinsamen Lernen werden nicht nur kognitive Fähigkeiten erlernt, vor allem die sozialen und mitmenschlichen Umgangsformen werden gefördert.
Inklusion an Schulen ist mehr als eine bloße Forderung, sondern vielmehr ein Menschenrecht! Die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) schreibt vor, dass Menschen mit Behinderungen in allen Bereichen des Lebens das Recht auf Teilhabe besitzen. Insbesondere im Bereich der inklusiven Bildung wirkt dieses Recht auf einen Paradigmenwechsel im Bereich der Schule hin, da es bis zur Ratifizierung der UN-BRK im Jahr 2009 für Schüler*innen mit Beeinträchtigungen nahezu unmöglich war, eine allgemeine Schule zu besuchen. Dies änderte sich durch den Artikel 24 UN-BRK, welcher Menschen mit Behinderungen das Recht auf die Beschulung an einer allgemeinen Schulen zuspricht und so einen entsprechenden gesetzlichen Anspruch darauf formuliert. Leider ist die separate Beschulung von Menschen mit Behinderungen heute noch weit verbreitet. Die Gründe dafür sind vielfältig und liegen nicht nur daran, dass sehr viele Schulen nicht die Grundstandards der Barrierefreiheit erfüllen. Inklusive Beschulung ist geht ebenfalls mit einem Mehrbedarf an Unterrichtsstunden einher, da sich vielmals die Unterstützung durch eine sonderpädagogische Fachkraft als sinnvoll erweist und so zwei Lehrkräfte in einer Klasse gebraucht werden. Deswegen fordern wir mehr Unterrichtsstunden für sonderpädagogische Fachkräfte an allgemeinen Schulen zur Umsetzung der Inklusion sowie Unterrichtsprogramme zur Sensibilisierung von Menschen ohne Behinderung, um latenten Berührungsängsten entgegenzuwirken.
3. Alternative Bewertungsformen – Abschaffung von Noten
Differenzierte Rückmeldung und Feedback sind für die Beobachtung des Lernerfolgs notwendig. Noten tragen wenig zu dieser notwendigen Reflektion des Wissensstandes bei: Mangelnde Objektivität bis hin zu Willkür, insbesondere bei mündlichen Noten, schränken die Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit massiv ein. Statt Schüler*innen auf einer Skala einzuordnen sollten differenzierte Lernfortschrittsgespräche mit den Pädagog*innen geführt und dokumentiert werden. So wird klar, an welchen Schwächen die Kinder und Jugendlichen im nächsten Lernabschnitt fokussiert arbeiten und welche Stärken weiter ausgebaut werden sollen. Sie sollen dabei gemessen an ihrer individuellen Förderbedürftigkeit gefördert werden – dies gilt auch, oder besonders, für Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf.
Aus der Abschaffung von Noten resultiert auch die Forderung nach der Abschaffung des Sitzenbleibens. Sowohl Noten als auch das Sitzenbleiben bauen Leistungsdruck auf, der zu Schulangst und Schulverweigerung führen kann. Mit der Abschaffung von Noten und des Sitzenbleibens wird den Schüler*innen dieser Druck genommen.
4. Kleinere Klassen, mehr Lehrer*innen
Je kleiner eine Schulklasse ist, desto stärker kann ein*e Lehrer*in auf jede einzelne Person eingehen – also sowohl für Schüler*innen mit als auch ohne sonderpädagogischen Förderbedarf. Dadurch verbessert sich der Unterricht maßgeblich. Wir fordern daher, dass Bayern mehr Lehrer*innen einstellt.
Dies führt zur Möglichkeit der Individualisierung der Lehrangebote. Unterrichtsinhalte führen durch Einbezug der Stärken und Schwächen der jeweiligen Schüler*innen an den Bedürfnissen ausgerichtet zu einer nachhaltigeren Nutzung der Unterrichtszeit und sorgen für bessere Lernerfolge.
Langfristig sind nicht mehr als 18 Kinder pro Klasse zu unterrichten. Bei der Anzahl der Schüler*innen ist darauf zu achten, dass Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf meist mehr Zuwendung durch die Lehrkraft benötigen. Wenn in einer Klasse mehr Schüler*innen mit Förderbedarf unterrichtet werden, sollte die Klassengröße kleiner sein.
Eine Aufstockung der Stellen für Lehrer*innen sorgt außerdem dafür, dass bei Ausfall einer Lehrkraft das Abhalten des Unterrichts weiterhin sichergestellt ist. Die Einstellung der Lehrkräfte muss unbefristet erfolgen. Die derzeitige Politik des Kultusministeriums, Lehrkräfte maximal mit 1-Jahres-Verträgen anzustellen, führt vor allem im letzten Teil des Schuljahres zu massiven Qualitätseinbußen im Unterricht. Die betroffenen Lehrkräfte müssen nicht nur Zeit dafür verwenden, eine neue Stelle zu finden, sondern sind auch psychisch aufgrund der fehlenden Zukunftsperspektive belastet.
5. Beratungsangebote an Schulen stärken
Die Beratungsteams an bayerischen Schulen müssen massiv ausgebaut werden. Schulpsycholog*innen und Beratungslehrkräfte müssen ausreichend Anrechnungsstunden für ihre beratende Tätigkeit erhalten. Hier veranschlagen wir für die Lehrkräfte des Beratungsteams mindestens zwei Anrechungsstunden pro 100 Schüler*innen. Zusätzlich ist eine Stunde pro Woche zur Vernetzung des Teams, für Supervision und kollegiale Fallberatung einzuplanen.
Darüber hinaus fordern wir, dass an jeder Schule mindestens eine*n Sozialarbeiter*in in Vollzeit und unbefristet eingestellt werden muss. An größeren Schulen müssen mehr Sozialarbeiter*innen eingestellt werden. Außerdem müssen Schulen die Möglichkeit haben, besonderen Bedarf an Sozialarbeitenden melden zu können. In dem Fall muss das Land Bayern dazu verpflichtet werden können, an diesen Schulen schnellstmöglich zusätzliche Sozialarbeitende einzustellen.Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass die Beratungsteams angemessen ausgestattet sind.
6. Mehr Politikunterricht
In jeder Schule in Bayern soll es ab der 5. Klasse bis zum Abschluss mindestens eine Stunde in der Woche Politikunterricht geben. Dieser Unterricht darf sich dabei nicht auf die theoretische Vermittlung von Wissen über politische Systeme beschränken, sondern muss konkrete Demokratieerlebnisse schaffen. So soll in einem Teil der Stunde über aktuelle Themen, welche von den Schüler*innen kurz vorgestellt werden, diskutiert werden. Den Schüler*innen muss gezeigt werden, dass ihre Beiträge zum demokratischen Diskurs für unsere Gesellschaft wichtig sind. Nicht mehr nur die formal-institutionellen Strukturen der Demokratie sollten auf den Lehrplänen stehen, sondern gesellschaftliche Streitthemen, Mitmachmöglichkeiten und der praktische Austausch mit Parteien, Politiker*innen und Aktiven. Demokratie muss praktisch erprobt und kennengelernt werden. Die Durchführung von “Politiktagen“, bei denen Bürger*inneninitiativen, Parteien, Gewerkschaften und Verbände Workshops an Schulen anbieten, regelmäßige Demokratietrainings und ein regelmäßiger Kontakt zu den Wahlkreiskandidat*innen sind neben den neuen Instrumenten der Netzdemokratie nur einige Beispiele, um den Sozialkundeunterricht lebensnäher und interessanter zu gestalten.
7. Digitalisierung der Bildung
Die fortschreitende Digitalisierung aller Lebensbereiche bietet Potentiale für die Bildungseinrichtungen. Wir stellen fest, dass die Lebensrealität von jugendlichen insbesondere im Hinblick auf Kommunikation bereits wesentlich digital geprägt ist.
Technologien ermöglichen an vielen Stellen eine anschauliche und einfacher zugängliche Darstellung von Lerninhalten. Diese Potentiale sollen ergänzend zu bestehenden Methoden genutzt werden. Grundlage hierfür ist einerseits die entsprechende Qualifizierung der Lehrkräfte. Jugendliche bringen die notwendigen Qualifikationen oft bereits mit: Eine Fokussierung auf individuelle Lernmethoden statt reinem Frontalunterricht macht die bereits vorhandenen Erfahrungen der Schüler*innen nutzbar.
Andererseits muss die Schule aber auch klar die Risiken und Probleme
der Digitalisierung adressieren und eine kritische Auseinandersetzung fördern. Dies beginnt bei der Nutzung von reichweitenoptimierten sozialen Netzwerken und deren Auswirkung auf das Verhalten von Kindern und Jugendlichen und reicht von digitalen Geschäftsmodellen, bei denen wenige vom Inhalt vieler profitieren, bis hin zu politischen Dimensionen von Digitalisierung wie dem Eigentum an Daten oder ähnlichem. Dabei muss die Thematisierung dieser Inhalte in kritischen Reflexionsprozessen abgebildet sein.

Die Schule muss Medienkompetenzen vermitteln. Schüler*innen sollen motiviert werden ihr Konsumverhalten im Bezug auf digitale Medien kritisch einzuschätzen und zu hinterfragen. Auch die Bewertungskompetenz unterschiedlicher Qualitäten von Quellen im Internet oder Recherchekompetenzen können hier als Beispiele genannt werden.
Schule muss sich an der Lebensrealität der Jugendlichen orientieren. Hierzu gehört zuvorderst die Abschaffung des Handyverbots zugunsten von individuellen Regelungen, die das Schulforum an jeder Schule unter Beteiligung der Schulfamilie festlegen soll. Verbote verhindern den kritischen Umgang. Dass außerhalb der Schulen viele der Probleme, die als Gründe für das Handyverbot angeführt werden, weiterhin existieren, wird ignoriert.
Die Abschaffung des Verbots digitaler Speichermedien bietet auch Potentiale für die Unterrichtsgestaltung: Jugendliche können bei Verständnisproblemen einzelner Aspekte selbstständig recherchieren.
Wir sehen die öffentliche Hand in der Pflicht für eine angemessene Infrastruktur und Ausstattung an den Schulen zu sorgen. Dies beinhaltet schnellen und hochverfügbaren Internetzugang sowie unterschiedliche Endgeräte für unterschiedliche Zwecke. In einer Übergangszeit ist dafür zu sorgen, dass auch privat mitgebrachte Geräte barrierefrei nutzbar sind und beispielsweise keine Limitierungen im Hinblick auf WLAN-Netze existieren.
Die Digitalisierung der Bildung muss gestaltet und unter Einbeziehung der Schüler*innen entwickelt werden. Es reicht nicht, Hefte durch iPads zu ersetzen: Der Freistaat Bayern soll ein umfassendes und ganzheitliches Konzept erstellen.
Damit Schüler*innen einen kompetenten Umgang mit diesen Medien erlernen, braucht es endlich ein fundiertes medienpädagogisches Konzept für alle bayerischen Schulen. Das Konzept muss sich insgesamt auf drei Ebenen widerspiegeln: in verbesserten Lehrplänen, in einer gezielteren Lehrer*innenfortbildung zu diesem Thema und ganz besonders im Aufbau des Lehramtsstudiums. Für die Lehramtsstudiengänge an den bayerischen Universitäten und Hochschulen fordern wir konkret eine Reform beim Erweiterungsfach Medienpädagogik. Es soll in seiner jetzigen Form aufgelöst werden und seine Lehrinhalte zu Pflichtveranstaltungen für alle Lehramtsstudent*innen in Bayern werden.
Dafür braucht es Anpassungen beim bayerischen Lehrerbildungsgesetz, bei der Lehramtsprüfungsordnung (I+II), sowie den Studien- und Prüfungsordnungen der einzelnen Universiäten. Hat eine Universität oder Hochschule das Fach noch nicht in seinen Angebot, ist sie dazu aufgefordert, so schnell wie möglich passende Strukturen und Inhalte zu schaffen. Das Kultusministerium soll hierbei unterstützen und entsprechende Finanzmittel zur Verfügung stellen.“
8. Demokratie an Schulen
Eine der Kernaufgaben von Schule ist die Vorbereitung auf eine demokratische Gesellschaft. Positive demokratische Erfahrungen sind hierfür die Grundvoraussetzung. Jugendliche brauchen Erlebnisse, die ihnen deutlich machen, dass jede Meinung wichtig ist und berücksichtigt wird.
Die Schule muss dabei in zwei Bereichen ansetzen: Erstens in der Demokratisierung des Unterrichts, bei der Jugendliche selbst bestimmen können, welche Lerninhalte sie vertiefen möchten und wie der Unterricht inhaltlich und methodisch aufgebaut sein soll. Die Lehrmethoden sollen dabei durch Alternativen zum Frontalunterricht weniger auf die Lehrkraft sondern mehr auf die Schüler*innen ausgerichtet sein. Teamarbeit und eigenständiges Arbeiten fördern dabei Kompetenzen, die im Rahmen der Meinungsbildung unabdingbar sind.
Daneben ist aber auch eine Förderung der Schüler*innenmitverantowrtung notwendig. Schüler*innen müssen die Möglichkeit haben, ihren Schulalltag mitzugestalten und bei Fragen der Organisation des Schulalltags mitzubestimmen. Die SMVen müssen zu einer Schüler*innenvertretung werden, die echte Mitspracherechte und Kompetenzen hat. Die Vertretung der Meinungen soll auf Schulebene sowie übergreifend in bildungspolitischen Diskussionen eingebracht und gehört werden.
In den Schulen ist die Arbeit der SMVen durch die Zurverfügungstellung von Räumlichkeiten (SMV-Zimmern) verpflichtend zu unterstützen.
Des Weiteren erachten wir die Abschaffung des Führens von Absentenbüchern durch zwei Schüler*innen als längst überfällig. Mittels neuer Programme fordern wir, dass Fehltage und Fehlstunden von den Lehrkräften zu Beginn der Stunde am PC eingetragen werden. Die Klassenleitung ist ebenfalls dafür zuständig, die Entschuldigungen selbst einzusammeln. Dass diese Aufgabe von Schüler*innen, welche in diesem Fall lediglich als Gehilf*innen von Lehrkräften fungieren, übernommen wird, ist für uns unter anderem auch aus dem Aspekt des Datenschutzes inakzeptabel. Wir lehnen es außerdem ab, dass einzelnen Schüler*innen eine Kontroll- und Überwachungsfunktion über den gesamten Klassenverband zugesprochen wird. Dadurch wird der Zusammenhalt innerhalb des Klassenverbandes unterwandert.
C – Hochschule und Forschung
1. Solide Grundfinanzierung, Drittmittel und Entfristungsoffensive
Die Grundfinanzierung der bayerischen Hochschulen ist massiv zu erhöhen. Zustände wie an der Technischen Universität München, die sich zu einem Drittel aus Drittmitteln finanziert, sind untragbar. Drittmittel verbessern nicht Lehre und Studium, sie stehen nur für einen begrenzten Zeitraum für sehr spezifische Spitzenforschung zur Verfügung. Weder die über Drittmittel finanzierten Wissenschaftler*innen noch die Hochschulen verfügen über langfristige Planungssicherheit.
Außerdem fällt das Gros der Drittmittel im Bereich der sogenannten MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) an. Es fehlt dadurch insbesondere im geistes- und kulturwissenschaftlichen Bereich an Forschungsgeldern. Da die Höhe der eingeworbenen Drittmittel zu Unrecht als Qualitätsmerkmal einer Hochschule gilt, geht damit eine Abwertung der geistes- und kulturwissenschaftlichen Disziplinen innerhalb der Hochschulen und letztlich in der gesamten Hochschullandschaft einher.
Zudem kaufen sich private Unternehmen auf diesem Weg billig in Forschungsprojekte ein. Mit dem Ergebnis, dass ihre Forschungsprojekte von der staatlich finanzierten Infrastruktur profitieren. Von der erbrachten Forschungsleistung und etwaigen Patenten, die aus der Forschung resultieren, profitieren aber meist nur die Unternehmen. Dafür stehen staatliche Institutionen nicht zur Verfügung. Ihre Forschung dient der Allgemeinheit!
Die Grundfinanzierung ist daher soweit zu erhöhen, dass sie den Großteil der bisher durch Drittmittel finanzierten Forschung und Lehre trägt. Die Drittmittelfinanzierung der Hochschulen ist entsprechend zu beschränken, insbesondere im Bezug auf Forschungsgelder nicht-staatlicher Einrichtungen.
Über die Erhöhung der Grundfinanzierung sind auch neue Dauerstellen einzurichten, bestehende Verträge müssen entfristet werden. Der Freistaat Bayern verpflichtet sich, seinen Beitrag zu bundesweit 50.000 neuen Dauerstellen an den Hochschulen zu leisten.
Wir fordern eine Zivilklausel für alle Hochschulen in Bayern, die im Bayerischen Hochschulgesetz (BayHSchG) verankert wird, sowie für alle weiteren Forschungseinrichtungen des Freistaats. Werbung für die Bundeswehr lehnen wir in allen Bildungseinrichtungen ab.
2. Tarifvertrag für studentische Hilfskräfte
Wir fordern einen Tarifvertrag für studentische Hilfskräfte (TV-Stud). Ein solcher Tarifvertrag, wie es ihn in Berlin gibt, gewährleistet gleiche Bezahlung bei gleicher Arbeit und schafft Rechtssicherheit für Studierende und Hochschulen. Bisher sind Studierende dem Gutdünken der jeweiligen Institute und Hochschulen ausgeliefert. Der Tarifvertrag muss für alle Forschungseinrichtungen des Freistaat Bayern gelten, auch solche, die nicht direkt an Hochschulen angegliedert sind.
Ein Tariflohn von 14€ ist als angemessen zu betrachten. Die Lohn-
entwicklung ist an die Lohnentwicklung der anderen Hochschulbeschäftigten und somit den Tarifvertrag der Länder (TV-L) zu koppeln. Ebenso ist der Urlaubsanspruch an den TV-L zu koppeln. Da Bayern anders als Berlin ein Flächenland mit regional stark unterschiedlichen Lebenshaltungskosten ist, sind je nach Studien- und Arbeitsort Zuschläge zu gewähren. Eine monatliche Mindestarbeitszeit von 40 Stunden garantiert ein erträgliches Nebeneinkommen. Die Höchstarbeitszeit von 80 Stunden pro Monat gewährleistet genug arbeitsfreie Zeit zur Fortsetzung des Studiums. Eine Beschäftigungsdauer von mindestens vier Semestern schafft Planungssicherheit und ermöglicht Studierenden einen ausreichenden Einblick in die wissenschaftliche Arbeitswelt. Der Tarifvertrag muss darüber hinaus Regelungen zur freiwilligen Reduzierung der Mindestarbeitszeit, zu angemessenen Vor- und Nachbereitungszeiten, zum Ausschluss von Bereitschaftsdiensten und einem mindestens zehntägigen Bildungsurlaub enthalten.

3. Demokratisierung der Hochschulen
Zentrales Element ist die Wiedereinführung der 1973 abgeschafften Verfassten Studierendenschaft. Bayern ist das einzige Bundesland, das seinen Studierenden dieses basale Element demokratischer Teilhabe verwehrt. Aufgabe der Allgemeinen Studierendenausschüsse (AStA) war und ist die Vertretung der Interessen der Studierenden gegenüber den gesellschaftlichen Akteur*innen.
Wir fordern daher, dass die Verfassten Studierendenschaften als rechtsfähige öffentlich-rechtliche Teilkörperschaften der jeweiligen Hochschulen wieder eingeführt werden. Sie müssen mit Satzungs- sowie Finanzautonomie und einem allgemeinpolitischen Mandat ausgestattet werden. Zudem fordern wir die Einrichtung einer Landesstudierendenschaft, die wie die Österreichische Hochschüler*innenschaft per Listenwahl von allen Studierenden in Bayern direkt gewählt wird. Diese ersetzt künftig die Landes-Asten-Konferenz (LAK) als Vertretung der Studierenden auf Landesebene. Die LAK soll zukünftig der Vernetzung der ASten in Bayern dienen, sie untersteht der Landesstudierendenschaft. Auch die Landesstudierendenschaft muss als öffentlich-rechtliche Körperschaft verfasst sein. Für die Hochschulwahlen soll wie bei den Kommunalwahlen die Möglichkeit des Kumulierens und Panaschierens eingeführt werden.
Des Weiteren muss in allen Hochschulgremien die Viertelparität zwischen den vier Statusgruppen (Professor*innen, wissenschaftliche und sonstige Mitarbeiter*innen sowie Studierende) hergestellt werden. Mittelfristig sind die Statusgruppen so weit wie möglich abzuschaffen und die Direktwahl der jeweiligen Gremien durch alle Mitglieder der Hochschule ist einzuführen. Gremien ohne demokratische Legitimation wie beispielsweise den Hochschulrat lehnen wir ab. Stattdessen müssen die klassischen Selbstverwaltungsgremien der Hochschulen wie z. B. der Senat wieder gestärkt werden.
4. Frauen* in der Wissenschaft
2016 waren von 6.822 Professor*innen laut Bayerischem Landesamt für Statistik 1.312 weiblich. Das entspricht einem Anteil von gerade einmal 19,23%, wohingegen der Frauen*anteil unter den Studierenden im Wintersemester 2017/18 49% betrug. Zu beachten sind hierbei außerdem die stark schwankenden Anteile zwischen den einzelnen Fachbereichen. Fakt ist außerdem, dass der Anteil von Frauen* in der Wissenschaft nur langsam steigt.
Die Gründe hierfür sind vielfältig und alle eng miteinander verwoben. Die Benachteiligung und Diskriminierung von Frauen* findet auf verschiedenen Ebenen und in unterschiedlicher Art und Weise statt. Eine Verbesserung der Situation kann nur dann erreicht werden, wenn an all diesen unterschiedlichen Stellen angesetzt wird. Unser Ziel ist es deshalb, sowohl für konkrete Verbesserungen als auch einen gesamtgesellschaftlichen Wandel der Strukturen zu streiten. Dabei darf der Wissenschaftsbetrieb nicht isoliert betrachtet werden, sondern als Bereich, der durch die gesellschaftlichen Verhältnisse geprägt ist und diese auch umgekehrt beeinflusst.
Um bessere Perspektiven für Frauen* zu schaffen, müssen zunächst die Arbeitsbedingungen an den Hochschulen verbessert werden. Ebenso besteht ein enges und häufig gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis mit den Vorgesetzten bzw. Förderer*innen. Die in die Freizeit verlegte Promotion bzw. Habilitation, für die während der regulären Arbeitszeit keine Zeit bleibt, verstärkt den Trend der prekären Beschäftigung im wissenschaftlichen Bereich zusätzlich. Die daraus entstehende mangelnde Sicherheit hinsichtlich der Familienplanung trifft alle im Wissenschaftsbetrieb Tätigen. Frauen* sind jedoch besonders betroffen, da ihnen die Verantwortung für die Reproduktions- und Fürsorgearbeit durch die Gesellschaft zugeschrieben wird und sie sich zwischen dieser und ihrer beruflichen Arbeit faktisch entscheiden müssen. Männern hingegen wird diese Verantwortung in der Regel nicht zugeschrieben.
Hier ist also durch die Entfristung von Beschäftigungsverhältnissen sowie Tenure-Track-Verfahren, die einen dauerhaften Verbleib an der Hochschule ermöglichen, anzusetzen. Gerade in Hinblick auf den Arbeitsalltag vieler Wissenschaftler*innen muss eine bessere Vertretung auf Hochschulebene ermöglicht werden. Darüber hinaus braucht es endlich eine bessere Vereinbarkeit von Reproduktionsarbeit und wissenschaftlicher Tätigkeit. Hierzu bedarf es zunächst der Schaffung von echten Teilzeitstellen mit Aufstockungsmöglichkeit, in denen die Menschen tatsächlich auch nur die Hälfte der regulären Arbeitszeit arbeiten müssen. Zusätzlich ist die Schaffung kostenfreier Betreuungsangebote für die Vereinbarkeit entscheidend.
Ohne Verbindlichkeiten, ohne Druck und auch ohne eine Frauen*quote wird sich wenig tun. Daher setzen wir uns für eine Quote von mindestens 50% bei Neueinstellungen ein. Dazu gehört auch eine paritätische Besetzung von Berufungslisten. Diese Quote muss jeder Fachbereich für sich erfüllen. Eine solche Quote steht unserer Auffassung nach nicht mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz in Konkurrenz, da in der patriarchalen Gesellschaft Frauen* in vielen Bereichen diskriminiert werden und dort nur durch eine Quote für Chancengleichheit gesorgt werden kann. Einen Kompromiss, wie ihn beispielsweise das Kaskaden-Modell darstellt, lehnen wir ausdrücklich ab. Bei diesem Modell finden kaum Verbesserungen statt und wenn würden sie erst nach Jahren erreicht. Außerdem hält dieses Modell keine Lösung dafür parat, dass wissenschaftliche Stellen in Studiengängen mit einem geringen Anteil von Frauen* nie paritätisch besetzt würden.
Darüber hinaus ist die Vernetzung von Frauen* im wissenschaftlichen Betrieb durch die Gleichstellungsbeauftragten zu fördern, insbesondere um sich miteinander zu solidarisieren. Hierbei ist der Empowerment-Gedanke zentral. Es geht um ideologische Förderung untereinander, durch welche Multiplikatorinnen* gebildet werden, die in ihren Instituten ihr Wissen weitergeben können.
5. Studienplätze ausbauen, Zulassungsbeschränkungen abschaffen
Wir lehnen Studienzulassungsbeschränkungen in jeder Form ab. Zulassungsbeschränkungen wie der Numerus Clausus (NC) oder Eignungsfeststellungsverfahren werden immer dann eingeführt, wenn eine Hochschule nicht genügend Studienplätze für alle Studieninteressent*innen anbieten kann. Diese Zulassungsbeschränkungen sind Ausdruck einer Gesellschaft, die zu wenig in den Ausbau ihrer Hochschulen investiert hat. Die Leidtragenden sind die Studieninteressent*innen, denen die Hochschulreife ja bereits zugesprochen wurde. Wer die Hochschulreife erwirbt, der*dem muss auch ermöglicht werden, tatsächlich die gewünschte Hochschule im gewünschten Studienfach zu besuchen! Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Dezember 2017 zum NC im Medizinstudium hat gezeigt, welche verfassungswidrigen Ausmaße die Zulassungsbeschränkung inzwischen erreicht hat.
Solange aber nicht ausreichend Studienplätze zur Verfügung stehen, halten wir einen differenzierten NC, der unter anderem Wartezeiten, Härtefälle, ehrenamtliches Engagement und bereits erworbene berufliche Qualifikationen berücksichtigt, für die geeignetste Form der Zulassungsbeschränkung. Das bedeutet nicht, dass wir diesen Zustand für tragbar halten oder akzeptieren! Er muss schnellstmöglich beseitigt werden.
6. Hochschulsozialpakt
Wir fordern den umfangreichen Ausbau der sozialen Infrastruktur rund um die Hochschulen (Wohnheime, Mensen, Beratungsangebote) im Rahmen eines Hochschulsozialpaktes. Wir setzen uns auf Bundesebene dafür ein, dass ein solcher Hochschulsozialpakt zwischen Bund, Ländern und den Studierendenwerken zustande kommt. Unabhängig davon müssen wir schon jetzt den Ausbau dieser Infrastruktur vorantreiben.
Nur für 10% der bayernweit rund 390.000 Studierenden steht ein Wohnheimplatz bei den Studierendenwerken zur Verfügung. Damit liegt die Unterbringungsqoute in Bayern hinter der von Ländern wie Mecklenburg-Vorpommern (11,80%) oder Thüringen (14,98%), aber etwas über dem bundesweiten Durchschnitt von 9,69%. Auf absehbare Zeit wird die Zahl der Studierenden weiter steigen und sofern keine adäquaten Maßnahmen ergriffen werden, wird die Unterbingungsquote auch in Bayern weiter sinken. In der nächsten Legislaturperiode sind Vorkehrungen zu treffen, um die Unterbringungsquote innerhalb der nächsten zehn Jahre auf 15% anzuheben. Dabei sind die Fördersummen so zu gestalten, dass die Miete letztlich nicht höher liegt als der Wohnzuschlag des BAföG. Um dieses Ziel zu erreichen muss der Freistaat Bayern den Studierendenwerken kostenlos Grundstücke zur Bebauung mit Studierendenwohnheimen zur Verfügung stellen.
Darüber hinaus ist ein Ausbau- und Sanierungsprogramm für Einrichtungen der Hochschulgastronomie aufzulegen. Die Subvention der angebotenen Lebensmittel ist nicht auf Mensen zu beschränken, sondern auch auf Cafeterien und Menserien auszuweiten.
Die Finanzierung des Beratungsangebots für Studierende muss langfristig über eigens dafür vorgesehene Mittel gesichert werden. Insbesondere für Schwangere und Studierende mit Kind, zur Studienfinanzierung, zu studentischem Arbeitsrecht und zur psychosozialen Beratung sind entsprechende Angebote zu schaffen und auszubauen.
Grundsätzlich ist die Arbeit der Studierendenwerke durch den Freistaat auszufinanzieren. Die Studierendenwerksbeiträge sind abzuschaffen.
D – Bildungseinrichtungen übergreifende Forderungen
1. Kostenloses Mittagessen
Wir fordern kostenloses Mittagessen in allen Bildungseinrichtungen. Und das jeden Tag. Darunter fallen insbesondere Krippen, Kitas, Kindergärten, Schulen und Hochschulen. Dieses Essen muss allgemeinen Richtlinien zur gesunden Ernährung entsprechen. Es ist wichtig, dass Kinder in ihrer Entwicklung unterstützt und gefördert werden und dazu gehört auch eine ausreichend gesunde und nahrhafte Ernährung. Ernährungsbildung und die Förderung der Akzeptanz von unterschiedlichen Ernährungsformen (z. B. Veganismus, Vegetarismus) müssen verfolgt werden. Von selbst versteht sich daher, dass für alle Ernährungsformen ein entsprechendes Essen angeboten wird. Auch die gängigen Allergien und Lebensmittelunverträglichkeiten sind in der Zusammenstellung der Speisepläne zu berücksichtigen.
2. Lernmittelfreiheit
Lernmittelfreiheit (auch Lehrmittelfreiheit) bezeichnet die kostenlose Bereitstellung von Unterrichtsmaterialien. Die Lernmittelfreiheit an öffentlichen Schulen in Bayern wird durch Art. 21 des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes (BaySchFG) geregelt.
Lernmittelfreiheit besteht leider nur für Schulbücher. In Art. 21 BaySchFG sind explizit Atlanten, Formelsammlungen und “die übrigen Lernmittel” ausgeschlossen. Mit “übrigen Lernmitteln” sind beispielsweise Taschenrechner, Zirkel, Schreib- und Arbeitshefte, nur einmalig verwendbare Übungshefte, Malkästen und -blöcke, Stifte und vieles mehr gemeint. Zu Beginn eines Schuljahres und insbesondere bei der Einschulung häufen sich die privaten Ausgaben für Lernmittel zu einer beträchtlichen Summe auf. Diese Lernmittel müssen zukünftig kostenfrei durch die jeweiligen Bildungseinrichtungen zur Verfügung gestellt werden.
Beiträge zur Finanzierung der Lernmittel wie sie in Form des Kopiergeldes oder Materialgeldes bereits bestehen, lehnen wir ab. Kopier- und Materialgeld sind abzuschaffen.
Auch Klassenfahrten dienen der schulischen Bildung und sind somit staatlich auszufinanzieren. Die Kosten dürfen nicht auf die Schüler*innen / Eltern abgewälzt werden.
Die Forderungen zur Lernmittelfreiheit gelten nicht nur im schulischen Bereich. Sie sind auf alle Bildungseinrichtungen zu übertragen.
Das in Rechnung stellen beschädigter Lernmittel ist nur bei grober Fahrlässigkeit und Absicht zulässig. Die beispielsweise an chemischen Fakultäten gängige Praxis, die Studierende zur Erstattung beschädigter Reagenzgläser oder Petrischalen verpflichtet, lehnen wir ab.
3. Abschaffung des Kooperationsverbots
Der Freistaat Bayern soll sich auf Bundesebene für die vollständige Abschaffung des Kooperationsverbots einsetzen. Der Bildungsföderalismus innerhalb eines Staates behindert die aktive Zusammenarbeit zwischen den Ländern und schafft zudem unnötige Hürden für alle Schüler*innen, indem Bildungsabschlüsse zwar anerkannt werden, aber dennoch anders beurteilt werden. Diese Praxis hat im 21. Jahrhundert nichts mehr zu suchen und hat völlig ausgedient.
4. Barrierefreiheit, Sanierungs- und Modernisierungsbedarf
In kommunalen Bildungseinrichtungen hat sich bedingt durch die finanziell angespannte Situation der Kommunen in den letzten Jahren ein erhebliches Maß an Sanierungs- und Modernisierungsbedarf angestaut. Auch für den Ausbau von Bildungseinrichtungen fehlte Geld. Insbesondere in Regionen mit starkem Bevölkerungszuwachs ist der Ausbau allein mit kommunalen Mitteln nicht zu stemmen. Der Freistaat Bayern muss sich daher an Sanierungs-, Modernisierungs- und Neubaumaßnahmen der Kommunen stärker beteiligen, die Mittel dazu müssen erheblich aufgestockt werden. Auch im Hoheitsbereich des Freistaats müssen entsprechende Maßnahmen an Bildungseinrichtungen intensiviert werden.
Bei allen Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen, aber auch Neubauten, ist ein besonderes Augenmerk auf die Barrierefreiheit zu richten. Dabei ist es mit rollstuhlgerechten Zugängen und Aufzügen nicht getan. Es sind insbesondere auch Blindenleitsysteme und induktive Höranlagen zu berücksichtigen. Besteht konkreter Bedarf, so ist die Barrierefreiheit schnellstmöglich herzustellen. Das Konzept der Gemeinschaftsschule kann nur gelingen, wenn auch die räumlichen Gegebenheiten zur Beteiligung aller gegeben sind.“

P9 Für eine vielfältige SPD

29.11.2018

Die Entwicklung der letzten Jahre hat gezeigt, dass wir besonders auch bei Menschen mit Migrationshintergrund an Zustimmung verloren haben. 2016 stand die SPD bei 40,1% aller Menschen mit Migrationshintergrund bei der Parteipräferenz an erster Stelle. 2018 waren es nur noch 25%, die sich für die SPD aussprachen, wie der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration ermittelte.

Das Selbstverständnis, dass die „Arbeiterpartei“ auch die Partei der sogenannten Gastarbeiter und deren Nachkommen ist, gilt nicht mehr. Dies liegt auch daran, dass Menschen mit Migrationshintergrund in Vorständen und Wahlämtern unserer Partei massiv unterrepräsentiert sind.

Während inzwischen knapp 25% der bayerischen Bevölkerung einen Migrationshintergrund hat (bei unter 5-Jährigen liegt die Quote sogar bei knapp 40%), liegt deren Anteil in den Vorständen der Gliederungen und Wahlämter meist unter 5%. Gerade einmal zwei Abgeordnete der bayerischen Landtagsfraktion haben Migrationshintergrund. Und in der bayerischen Landesgruppe im Bundestag hat kein(e) Abgeordnete(r) Migrationshinter-
grund.

Um zukunftsfähig zu bleiben und die tatsächliche Zusammensetzung der Bevölkerung auch in unserer Partei abzubilden, müssen wir das ändern.

Aus diesem Grund geht die BayernSPD folgende Selbstverpflichtung ein:

Für Funktionsträgerinnen und Funktionsträger sowie Mandatsträgerinnen und Mandatsträger (§11 Organisationsstatut der SPD und §3 Wahlordnung der SPD) gilt eine Quote von mindestens 25% für Menschen mit Migrationshintergrund.

Eine Person hat einen Migrationshintergrund, wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurde. (Definition: Statistisches Bundesamt 2018)

Die sieben SPD-Bezirke werden aufgefordert, sich umgehend dieser Selbstverpflichtung anzuschließen.

Um dieses Ziel dauerhaft und für die Gesamtpartei verpflichtend zu verankern, wird für den nächsten SPD-Bundesparteitag beantragt, eine entsprechende Regelung auf Bundesebene zu treffen.

P3 Für den Erhalt der Georg-von-Vollmar-Akademie – die BayernSPD ist in der Pflicht

29.11.2018

Der Landesvorstand erarbeitet im Zuge des Erneuerungsprozesses ein umfassendes Bildungskonzept, das den Erhalt der Georg-von-Vollmar-Akademie am Standort Kochel einschließt. Dieses Konzept einschließlich einer für möglich erachteten Finanzierung wird dem Landesparteitag Ende Januar 2019 vorgelegt. Der Landesvorstand sorgt dafür, dass bis zum Vorliegen des Konzeptes uns seiner Realisierung keine vollendeten Tatsachen wie beispielsweise ein Verkauf oder eine anderweitige externe Nutzung geschaffen werden.

A2 Arbeitgeberzuschuss für Beamtinnen und Beamten bei der Wahl ihrer Krankenversicherung - ohne finanzielle Nachteile / Einschränkungen

29.11.2018

Wir setzen uns weiterhin für die Bürgerversicherung ein. Als ersten Schritt positioniert sich die BayernSPD zu einer tatsächlichen Wahlfreiheit für Beamtinnen und Beamte bei
der Entscheidung zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung und setzt sich für eine Regelung ein, die beinhaltet, dass der Freistaat Bayern als Arbeitgeber für die Bayerischen Beamtinnen und Beamten, die freiwillig Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung sind oder werden wollen, auch tatsächlich den Arbeitgeberanteil übernimmt – so wie Arbeitgeber bei anderen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.

P2 Neues Grundsatzprogramm der SPD

29.11.2018

Die Mitglieder des Unterbezirks Fürstenfeldbruck fordern im Zuge des Erneuerungsprozesses #SPDErneuern ein neues Grundsatzprogramm der SPD. Am Ende des in Gang gesetzten Erneuerungsprozesses der SPD muss ein neues Grundsatzprogramm der SPD stehen. Ein Kernpunkt ist hierbei die Rolle des Staates und dessen Verantwortung für alle in Deutschland lebenden Menschen.

B2 Antrag auf Änderung der Förderrichtlinien des Programms Jugendsozialarbeit an Schulen (JaS)

29.11.2018

Die Richtlinien zur Förderung der Jugendsozialarbeit an Schulen – JaS erhalten folgende Anpassungen:

  • Die tatsächlichen Kosten der Vollzeitstelle der Sozialpädagog*innen werden vollständig vom Freistaat übernommen. Die Bezahlung erfolgt weiterhin analog der Tätigkeitsmerkmale des TVöD für staatlich anerkannte Sozialpädagog*innen (Diplom/Bachelor).
  • Weder Schulart, Schulgröße noch der (zu geringe) Anteil der Schüler*innen mit Migrationshintergrund sind Ausschlussgründe für die Bewilligung einer Förderung. Grundsätzlich sind alle staatlich anerkannten Schulen unabhängig von der Trägerschaft förderfähig, d.h. auch private Schulen.
  • Bei bis zu 200 Schüler*innen ist eine halbe Kraft verpflichtend und ab 400 Schüler*innen eine Vollzeitkraft. Pro weitere 400 Schüler*innen ist eine weitere halbe Kraft verpflichtend. Besteht an Schulen Bedarf für Jugendsozialarbeit, der über der mit der Schulgröße korrespondierenden Anzahl an JaS-Kräften liegt, so wird bedarfsabhängig mindestens eine weitere halbe JaS-Stelle bewilligt. Diese weiteren JaS-Stellen sind durch den besonderen pädagogischen Bedarf an Brennpunktschulen nötig.
  • Bereits bestehende Stellen von Jugendsozialarbeiter*innen an Schulen – die bisher vollständig von den Kommunen getragen werden – sind förderfähig.

A1 Arbeits- und Ausbildungsbedingungen aktiv gestalten.

28.11.2018

Letztes Jahr hat die OECD-Bildungsstudie erneut gezeigt, was schon lange bekannt ist: In Deutschland, gerade in Bayern, hängen die Bildungschancen vom Geldbeutel und der sozialen Herkunft der Eltern ab. 2015 war die Quote der Azubis mit Abitur zum ersten Mal höher als die der Azubis mit Hauptschulabschluss. 1,22 Millionen junge Menschen im Alter zwischen 20 und 29 Jahren haben keine abgeschlossene Ausbildung. Nur jede*r zweite Mittelschüler*in schafft direkt den Sprung von der Schule in die Ausbildung. Für Mittelschüler*innen bleiben in der bundesweiten Lehrstellenbörse der Industrie- und Handelskammern fast zwei von drei Angeboten von vornherein verschlossen.
Gute Ausbildung jetzt!
Neben der schnelleren Genehmigung der Arbeitserlaubnis muss es eine Ausbildungsgarantie auch für Geflüchtete gelten. Damit ist für uns auch selbstverständlich: keine Abschiebung der Geflüchteten während der Ausbildung!
Viele Unternehmen sehen hingegen in der Ausbildung einen wirtschaftlichen Nachteil.  Nur noch jeder fünfte Betrieb bildet einen oder mehrere Lehrlinge im dualen System aus.  Gleichzeitig klagt die Wirtschaft über den Fachkräftemangel. Deshalb fordern wir eine gesetzliche  Ausbildungsgarantie mit einer Mindestausbildungsvergütung : Alle Unternehmen mit über 10 Mitarbeiter*innen sollen dazu verpflichtet werden auszubilden. Betriebe, die nicht oder wenig ausbilden, sollen Umlagezahlungen an einen Ausbildungsfond entrichten und sich dadurch an den Ausbildungskosten beteiligen.

Die Qualität der Ausbildung ist nämlich ein zentraler Baustein für das weitere Arbeitsleben von jungen Menschen. Leider werden Verstöße gegen das Jugendschutzgesetz und Ausbildungsmängel viel zu selten geahndet, da die Kontrollen und das Personal dazu fehlen. Ausbildungsrahmenpläne werden nicht bekannt gemacht und eingehalten, Ausbilder*innen stehen den Auszubildenden nicht zur Verfügung und Auszubildende müssen ausbildungsfremde Tätigkeiten wie Kaffee kochen oder Brotzeit holen durchführen. 44 % der befragten Azubis des Ausbildungsreports der DGB Bayern berichten über regelmäßige Überstunden. Von den Jugendlichen unter 18 Jahren arbeiten 15 % regelmäßig über 40 Stunden pro Woche. Das Personal in der Gewerbeaufsicht muss aufgestockt werden! Der Freistaat sollte, anstatt bei Cannabis oder etwas Lärm beim Feiern, lieber bei Verstößen bei der Ausbildung hart durchgreifen. Schwierig ist die Situation vor allem in Ausbildungsbetrieben die zu klein sind für eigene Betriebsrats- und JAV-Strukturen. Wenn in deiner Ausbildung zum*zur Maler*in dein*e Ausbilder*in gleichzeitig dein*e Chef*in ist, an wen wendest du dich, wenn du nur als billige Hilfskraft eingesetzt wirst und ausbildungsferne Tätigkeiten ausführen sollst? Der Zugriff auf die Auszubildenden, unabhängig der Strukturen ihres Ausbildungsbetriebes sind die Berufsschulen. Dafür ist es sinnvoll, Auszubildendenräte in den Berufsschulen als Partizipationsmöglichkeit zu etablieren. Auch müssen Anlaufstellen für Auszubildende in der Berufsschulen gestärkt werden, um in Konflikten mit dem Betrieb zu vermitteln, bei der Kontaktaufnahme zu Kammern, Gewerkschaften oder Berufsinteressensvertretung zu unterstützen und gegebenenfalls gemeinsam gegen ausbeuterische Ausbildungsbetriebe vorgehen zu können. Berufskammern und Gewerbeaufsichtsämter sind personell so auszustatten, dass es gewährleistet ist, dass sie die Ausbildungsqualität mindestens einmal jährlich in den Ausbildungsstätten kontrollieren können. Aufgaben gilt es zu konkretisieren, Berufsbildungsausschüssen muss ein Anhörungsrecht eingeräumt werden und ein Unterausschuss zur Ausbildungsqualität etabliert werden. Den Gewerkschaften des DGB ist ein gesetzlich verankertes, regelmäßiges Zugangsrecht zur Information der Berufsschüler*innen während der Unterrichtszeit in den Klassen an allen Berufsschulen zu gewähren
In Betrieben, die die nötige Anzahl Mitarbeiter*innen haben, ist das wirksamste Mittel gegen eine schlechte Ausbildungsqualität eine starke Jugend- und Ausbildungsvertretung. Junge Arbeitnehmer*innen können selbst am besten beurteilen, was sie benötigen, und können sich so zu guten Fachkräften entwickeln. Wir fordern, die Mitbestimmungsrechte junger Arbeitnehmer*innen und der Jugend- und Auszubildendenvertretungen  in  den  Betrieben  und Berufsschulen gesetzlich  zu  stärken  und  die  Jugend- und Auszubildendenvertretungen  (JAV)  daher  mit  weiteren  Rechten  auszustatten. Dazu gehört, die Mitbestimmungsgrenze bis 25 Jahre zu streichen. Wer eine Ausbildung macht, muss unabhängig vom Alter das Recht darauf haben, die Jugend- und Auszubildenden Vertretung zu wählen oder für sie zu kandidieren. Die Anpassung des entsprechenden Gesetzestextes (Betriebsverfassungsgesetz, Dritter Teil, Jugend- und Auszubildendenvertretung) muss angestrebt werden.  Zudem  fordern wir  eine klare Regelung zu Teilfreistellungen mit einer festen Staffelung  von  Teilfreistellungen  für  Jugend- und  Auszubildendenvertreter*innen, die jedoch nicht mit dem Ziel, einen Berufsabschluss zu erreichen, kollidieren dürfen und daher beschränkt bleiben müssen.
Unabdingbar ist es, gesetzlich zu verankern, dass auch Dual Studierende die JAV wählen dürfen, um gleichgestellt mit Auszubildenden eine Interessensvertretung und Ansprechpartner*innen zu haben.
Eine gute Ausbildung findet nicht nur im Betrieb, sondern auch an den Berufsschulen statt. Diese geben leider meistens ein trauriges Bild ab: Kaputte Zimmer und Sanitäranlagen, veraltete Lehrmaterialien oder undichte Fenster sind keine Seltenheit. Wenn wir gute Fachkräfte wollen, dürfen wir nicht in der Bildung sparen und Berufsschulen so sanieren und gestalten, dass sie tatsächlich Orte zum Lernen werden! Dafür müssen die Kommunen finanziell so ausgestattet werden, dass sie diese Aufgabe wahrnehmen können.
Zudem muss die Rückkehrpflicht in den Betrieb nach der Berufsschule unabhängig vom Alter  der*des Auszubildenden abgeschafft werden. Berufsschulwochen sollen wie die vertraglich vereinbarte Wochenarbeitszeit berücksichtigt werden.
Kostenfreies  Lernen  ist  für  uns  nicht  nur  eine  Forderung  für  die  Gestaltung  des  Lernens  an allgemeinbildenden   Schulen.  Auch   die  Berufsausbildung   sowie   das   duale   Studium sollen kostenfrei angeboten werden.
Selbiges gilt auch für Weiterbildungen: Lebenslangem Lernen wird heute extrem hohe Bedeutung zugemessen. Daher muss vom Landtag die Forderung nach der Kostenfreiheit von Meister- und Technikerausbildung beschlossen und unterstützt werden.
Gute Ausbildung braucht Zeit! Eine qualifizierte Ausbildung zu verantwortungsvollen Facharbeiter*innen  dauert  mindestens  drei  Jahre, denn sie  bildet nicht nur die Basis für eine interessantere und abwechslungsreichere Tätigkeit;  Gut qualifizierte Ausgebildete werden auch deutlich seltener erwerbslos als gering Qualifizierte. Dies kann eine zweijährige, vermeintlich “billigere“ Ausbildung,  wie sie viele Arbeitgeber*innen und das Wirtschaftsministerium anstreben, nicht leisten So eine  „Kurzausbildung“ sorgt nicht für die erforderliche umfassende Kompetenzvermittlung. Außerdem darf nicht dem Druck der*des Arbeitgebers*in nachgegeben werden und eine Modularisierung der Ausbildungsberufe muss verhindert werden. Die Modularisierung ist ein Mittel, die 3-jährige Berufsausbildung zu kürzen und an den einzelnen Betrieb anzupassen, was dem ursprünglichen Zweck widerspricht, dass Jugendliche für einen ganzen Beruf, keinen einzelnen Betrieb ausgebildet werden sollen.“
Zeit braucht es auch zum Lernen! Auszubildende  sollen  genügend  Zeit  haben,  um  sich  auf  ihre  Prüfung  vorbereiten  zu  können, deshalb sollen sie fünf Tage Sonderurlaub vor ihrer Abschlussprüfung bzw. gestreckten Prüfung bekommen.  Analog  dazu  müssen  auch  dual  Studierende  für  ihre  abschlussnotenrelevanten Prüfungen angemessen freigestellt werden.
Schlussendlich ist Sicherheit für Beschäftigte ein wichtiger Aspekt. Gerade für Jugendliche spielt die Frage, ob ein Beschäftigungsverhältnis über die Ausbildung hinaus bestehen bleibt, eine gewichtige Rolle. Entscheidungen wie der Bezug einer Wohnung oder das Gründen einer Familie werden immer auch maßgeblich von der beruflichen Sicherheit geprägt, ebenso wie größere, immobile Investitionsentscheidungen. Wir fordern deshalb eine allgemeine Übernahmeverpflichtung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Gerade kurzfristige Ankündigungen hinsichtlich der Übernahme führen bei vielen Auszubildenden zu unnötig großer Unsicherheit und üben Leistungsdruck aus. Entsprechend fordern wir eine Ankündigungsfrist bei geplanter Nichtübernahme: Wird ein*e Auszubilden-de*r nicht übernommen, so muss dies ein Jahr vor Beendigung des Ausbil-dungsverhältnisses mitgeteilt werden und entsprechend durch wichtige Gründe erläutert werden. Lässt der*die Arbeitgeber*in diese Frist verstreichen, so besteht der Rechtsanspruch auf eine unbefristete Stelle in Vollzeit für den*die Auszubildende.
Unterstützung der Auszubildenden neben der Ausbildung
Selbst, wenn ein guter Ausbildungsplatz ergattert werden konnte, sind die Probleme noch längst nicht gelöst. Viele müssen noch daheim bei ihrer Familie wohnen, da ihre (Ausbildungs)vergütung nicht für eine eigene Wohnung und der Bezahlung für den Weg zur Arbeit reicht.
Es kann nicht sein, dass Auszubildende, die in Vollzeitausbildung erheblich zum Betriebserfolg beitragen, so wenig verdienen, dass sie sich ihr Leben damit alleine nicht leisten können. Die Ausbildungsvergütung muss Auszubildenden ein eigenständiges Leben und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in allen Facetten ermöglichen. Daher fordern wir die Einführung einer  gesetzlichen, flächendeckenden Mindestausbildungsvergütung mindestens in Höhe des vollen, aktuellen Studierenden-BAföG-Satzes.
Von Jugendlichen und jungen Erwachsenen wird vermehrt ein hohes Maß an Mobilität gefordert. Gerade Berufsschüler*innen sind durch die duale Ausbildung mit dem Wechsel zwischen Wohnort, Arbeits- und Schulstätte einem immer länger werdenden Weg bei der Ausbildung ausgeliefert. Dass die dadurch entstehenden Kosten in den allermeisten Fällen von den Auszubildenden selbst getragen werden müssen, stellt einen unzumutbaren Zustand dar! So zeigt der Ausbildungsreport der DGB-Jugend, dass Auszubildende im Durchschnitt 669 Euro im Jahr für Fahrtkosten im Rahmen ihrer Ausbildung aufbringen. Wir fordern deshalb die Einführung eines bayernweiten Schüler*innen-, Auszubildenden- und Studierendentickets. Dies hat steuerfinanziert zu erfolgen und muss Fahrten sowohl in den bayerischen Nahverkehrszügen als auch im örtlichen ÖPNV ermöglichen.
Was für Studierende schon Gang und Gebe ist, muss endlich auch bei Auszubildenden umgesetzt werden. Wenn das Geld nicht für eine eigene Wohnung reicht, gibt es die Möglichkeit für sie in ein Studierendenwohnheim zu ziehen.  Auch  ausreichend Angebote  an Auszubildendenwohnheimen  sind nötig, um den Schritt in die Selbstständigkeit zu ermöglichen.

Gute Arbeit
Noch  immer  gibt  es reale  Lohnunterschiede  zwischen  Frauen  und  Männern  bei  gleichwertiger Tätigkeit  (Gender  Pay  Gap)  und  eine  generelle  Schlechterstellung  von  typisch „weiblichen“ Berufen. Stereotype    und    klassische Rollenbilder müssen daher aufgebrochen werden und gleicher Lohn für gleiche Arbeit gelten!  Wir fordern  die  verpflichtende  Angabe  des Gehaltes  bzw.  der  Eingruppierung  bereits  in  den  Stellenausschreibungen.  Ebenso  darf  keine pauschale  Ausgrenzung von Bewerber*innen ohne Berufserfahrung erfolgen. Berufserfahrung als Voraussetzung muss die Ausnahme sein und in der Stellenausschreibung begründet werden.
Wir  fordern  daher  die Einführung  von  gesetzlich  festgeschriebenen  anonymisierten  Bewerbungsverfahren.  Vor  dem ersten  persönlichen  Kontakt  zwischen  Arbeitgeber*innen  und  Arbeitnehmer*innen  soll  der einstellende Betrieb keine Informationen über Name, Alter, Geschlecht, Herkunft oder mögliche Behinderungen erhalten. Ebenso sind den Bewerbungen nicht länger Fotos beizufügen.
Da sachgrundlose Befristungen vielfach dazu missbraucht werden,  eine  Art  “Probezeit“  zu  generieren,  die  faktisch  weit  über  die  gesetzlichen  6  Monate hinausgeht,  fordern  wir  die  Abschaffung sachgrundloser  Befristungen.  Die  Sachgründe  für mögliche  Befristungen müssen  so eng wie  möglich definiert werden, um einen Missbrauch zu verhindern. So ist es nicht einzusehen, weshalb Berufseinsteiger*innen nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz befristet eingestellt werden können. Dies betrifft junge Menschen besonders häufig, laut statistischem Bundesamt sind über 56 Prozent der befristet Beschäftigten unter 30. Der Übergang in eine Anschlussbeschäftigung wird dadurch nicht erleichtert – im Gegenteil – die „Generation befristet“ wird manifestiert. Befristungen erhöhen bei einem Stellenwechsel sowohl das Risiko wieder befristet beschäftigt zu werden, als auch das Arbeitslosigkeitsrisiko. Insbesondere befristete Stellen im öffentlichen Dienst erhöhen das Risiko von Befristungsketten.
Ebenso unnötig ist der Sachgrund der Erprobung in § 14 Abs. 1 Nr. 5 Teilzeit- und Befristungsgesetz, die Probezeit ist zu diesem Zwecke völlig ausreichend.
Dies gilt auch für die weitere Einschränkung und Regulierung von Leiharbeit und Werkverträgen. Das Normalarbeitsverhältnis muss wieder normal werden – damit junge Leute planen können! Das Mittel der Leiharbeit muss wieder auf seinen ursprünglichen Sinn und Zweck zurückgeführt werden: der Abdeckung von Auftragsspitzen. Da Arbeitnehmer*innen in Leiharbeit jedoch genauso viel leisten wie die Stammbelegschaft muss verpflichtend festgeschrieben werden, dass beide die gleiche Entlohnung und die gleichen Sonderzahlungen beziehen. Leiharbeiter*innen sind keine Arbeiter*innen zweiter Klasse. Sie werden in Zeiten florierender Auftragslagen eingesetzt und können somit leicht fair entlohnt werden. Zur Unterbindung eines dauerhaften Leiharbeitseinsatzes gilt es, Leiharbeiter*innen nach einem Jahr in die Stammbelegschaft unbefristet zu übernehmen.
Wichtig ist ebenso, dass die Landesregierung mit gutem Beispiel voran geht und als Voraussetzung für öffentliche Vergaben und Förderungen die Innerbetriebliche Mitbestimmung und Tariftreue festlegt.
Positive Beispiele von Betriebs- und Personalratsarbeit sollten von der Landesregierung gewertschätzt und öffentlich gewürdigt werden, beispielsweise beim Erhalt der Standortsicherheit oder kreative Innovationen die zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen geführt haben.
Um gezielt gegen die Verhinderung von Betriebswahlen und Betriebsratsarbeit vorgehen zu können, sollen Schwerpunktsstaatsanwaltschaften zur juristischen Verfolgung gebildet werden.
Gute Arbeit lebt von einer gut ausgestatteten Arbeitnehmer*innenvertretung. Betriebs- und Personalräte vertreten die Interessen der Arbeiter*innen gegenüber der Gegenseite und brauchen dafür auch geeignete Mittel, um auf gleicher Augenhöhe agieren und das Bestmögliche für diejenigen, die sie vertreten, herauszuholen. Informations und Mitbestimmungsrechte dürfen nicht nur auf dem Papier stehen, sie müssen in der Realität auch eingefordert werden dürfen, auch mit dem Mittel von Sanktionsrechten. Vor allem im Bereich der prekär Beschäftigten innerhalb eines Betriebs wie Leiharbeitsverträgen sind die Befugnisse der Arbeitnehmer*innenvertretung besonders wichtig und ihre Befugnisse auszuweiten und zu verfestigen. Dazu gehört die Präzisierung des Informationsrechts sowie die Anrechnung von im Betrieb eingesetzten Leiharbeitnehmer*innen zur Größe des Betriebsrates. Außerdem braucht es ein echtes Mitbestimmungsrecht. Der Betriebsrat muss den von der*dem Arbeitgeber*in angegebenen Bedarf von Leiharbeitnehmer*innen bestätigen und deren Einsatz zustimmen. Der Betriebsrat muss über die Vergabe von „Gewerken“ an Fremdfirmen mitbestimmen können und den Einsatz von Fremdfirmen verweigern können.

Betriebliche Mitbestimmung muss auch in die Lage versetzt werden, die über Werkverträge „innerbetrieblich ausgelagerten“ Teile der Wertschöpfungsprozesse im Unternehmen wieder – zumindest mittelbar – in ihren Vertretungsbereich zu integrieren und die dort herrschenden Arbeitsbedingungen zu thematisieren. Daher fordern wir die Einführung der Mitbestimmungspflicht des Betriebsrates beim Abschluss von Werkverträgen.
Planen können ist in Zeiten, in denen die Familienplanung ansteht oder nahe Angehörige gepflegt werden müssen oftmals schwierig. Zur  Gestaltung  flexibler  Arbeitszeitmodelle  fordern  wir  deshalb  verschiedene  Punkte  und Regelungen:

  • Einführung einer Arbeitsversicherung zur Absicherung längerer Auszeiten, wobei während der Beschäftigung  ein  Zeitguthaben  angespart  wird  und  eine  finanzielle  Absicherung  für  Zeiten reduzierter Arbeitszeit besteht.
  • Arbeitszeitkonten  für  alle  Arbeitnehmer*innen,  um  eine  Kontrolle  gesetzlicher  Vorgaben  und tariflicher  Vorgaben  gewährleisten  zu können  und  Beschäftigten  einen  Überblick  über ihre Arbeitszeit zu
    bieten.
  • Weiter  sind  flexible  und  individuelle  Lösungen  von  Arbeitszeitmodellen  gerade  da  bisher möglich,  wo  Arbeitnehmer*innen  Mitbestimmungsmöglichkeiten  haben.  Dort  wo  es  keine betrieblichen oder tariflichen Regelungen gibt, muss es Initiativen und Anreize geben, solche zu schaffen.

Weiterbildung ist ein zentrales Element in der heutigen Arbeitspraxis. Aus diesem Grund müssen verbindliche   Qualitätsanforderungen   für   die   Lernprozessgestaltung   beschrieben   werden, beispielsweise   durch   die   Verankerung   eines   Fortbildungsrahmenplanes,   analog   zu   den Rahmenplänen in der beruflichen Ausbildung. Bildungsanbieter*innen in  der beruflichen Fortbildung sollten  zukünftig  ein  anerkanntes  Qualitätssicherungssystem verpflichtend anwenden.  Ein Beratungsangebot zum Fortbildungsziel, über Prüfungsstruktur, Prüfungsablauf, Prüfungsmethoden und über die Zulassungsvoraussetzungen zur Prüfung  muss von der*dem Bildungsanbieter*in sichergestellt werden.  Der Anspruch auf zehn Tage Bildungsurlaub muss endlich auch in Bayern gelten! Damit wird man endlich der  Stärkung  der ehrenamtlichen Arbeit gerecht. Wer sich  ehrenamtlich engagiert darf keine Nachteile in Ausbildung und Arbeit fürchten.
Die Struktur des Arbeitsmarktes wird sich in den kommenden Jahren vor allem im Zuge der Digitalisierung verändern, die Arbeitsplätze in der Industrie werden weniger. Andere Bereiche werden jedoch mit Sicherheit wachsen: der Bedarf an Personal in den Sozial- und Gesundheitsberufen kann schon jetzt nicht gedeckt werden. Die Berufe sind vor allem wegen der schlechten Bezahlung und der hohen Arbeitsbelastung unattraktiv.
Eine zentrale gesellschaftliche Aufgabe wird es in den kommenden Jahren sein, diese Berufe attraktiv zu machen. Die Kommunen, Bezirke und Länder sind oftmals Träger von sozialen Einrichtungen, Krankenhäusern und Kinderbetreuungseinrichtungen. An dieser Stelle kann direkt Einfluss auf Arbeitsbedingungen und Entlohnung genommen werden. Jedoch müssen auch in Bereichen der freien Träger Verbesserungen erzielt werden. Auch das ist Aufgabe der öffentlichen Hand, da diese deren Tätigkeiten finanziert.
Der öffentliche Dienst, mit dem Arbeitgeber Freistaat Bayern, hat Vorbildcharakter. In den letzten Jahren kommt es jedoch auch hier zu einer immer weiteren Verdichtung von Arbeit. Der Freistaat Bayern muss der Verantwortung gerecht werden und für ausreichende Personalausstattung sorgen und über die Erhöhung der Mittel im Haushalt des Freistaats Bayern die Kommunen in der Umsetzung unterstützen. Der öffentliche Dienst darf nicht kaputt gespart werden!
Auch bei der Vergabe öffentlicher Aufträge kommt der öffentlichen Hand als Auftraggeber*in eine Vorbildfunktion zu. Deshalb muss auch auf Landesebene in Bayern endlich ein „Tariftreue- und Vergabegesetz“ eingeführt werden, dass die Vergabe öffentlicher Aufträge an die Einhaltung von Tarifbindungen, Mindestlohn sowie Arbeitsschutz- und Nachhaltigkeitsstrategie bei der Auftragnehmer*in koppelt.
Die Vorbildrolle des Bundeslandes beschränkt sich jedoch nicht nur auf den öffentlichen Dienst. Auch in der aktiven Arbeitsmarktpolitik muss eine Vorreiterrolle ernstgenommen werden. Der öffentliche Beschäftigungssektor bietet die Möglichkeit, Menschen, die über jahrelange Arbeitslosigkeit ins Abseits der Gesellschaft gestellt wurden, zu Erwerbsarbeit und somit zur Teilhabe zu verhelfen. Dafür müssen die Kommunen mit finanziellen Mitteln des Landes ausgestattet werden. Dies bietet die Möglichkeit, Menschen die hoffnungslos in Harz IV und ab Erreichen des Rentenalters oder bei Arbeitsunfähigkeit SGB XII beziehen, zu Sozialversicherungspflichtiger Anstellung zurück zu kommen.
Wir Jusos treten dafür ein, den Sonntag für so viele Menschen wie möglich arbeitsfrei zu gestalten. Daher lehnen wir im besonderen auch die Sonntagsöffnung im Einzelhandel ab. Gemeinsam mit Kirchen und Gewerkschaften kämpfen wir gegen Initiativen von Supermarktkonzernen und Marktradikalen den Sonntag weiter hin zu einem normalen Werktag zu wandeln. Der Einsatz gegen die Sonntagsöffnungen beinhaltet für uns ebenso den Kampf gegen verkaufsoffene Sonntage. Hier wollen wir darauf hinwirken, dass sich Kommunalpolitiker*innen der SPD solidarisch mit Gewerkschaften sowie den Beschäftigten im Einzelhandel verhalten und sich gegen verkaufsoffene Sonntage einsetzen.

I1 Direkte Demokratie

28.11.2018

Einleitung und Begriffsdefinitionen
In ihrer extremen Ausführung ist das Prinzip der direkten Demokratie als spezifischer Typus politischer Herrschaft, in dem politische Macht allein und direkt durch die Gesamtheit der abstimmungsberechtigten Bürger*innen und nicht durch einzelne oder wenige Repräsentanten oder Amtsträger verbindlich ausgeübt wird zu sehen, stellt hierbei einen Kontrast zur repräsentativen Demokratie dar. Dagegen steht eine gemäßigteres und realitätsnäheres Konzept, das die direkte Demokratie als politisches Entscheidungsverfahren, bei dem Bürger*innen politisch-inhaltliche Sachfragen auf dem Wege der Volksabstimmung selbstständig und unabhängig von Wahlen entscheiden sieht. Diese wohl vertrautere Ausübung ist nicht das Gegenteil einer repräsentativen Demokratie, sondern integriert konstruierte Entscheidungsverfahren als ergänzende Instrumente politischer Beteiligung in unterschiedlicher Ausgestaltung in eben diese.
Analyse

a) Themensetzung

Bei der Debatte um plebiszitäre Elemente ist die Frage nach der Themensetzung essentiell. Was sind geeignete Themen und welche sind relevant genug, um einen Vorteil aus einem Volksentscheid zu gewinnen? Ein Referendum gilt generell als eine progressive Art der Entscheidungsfindung und viele Menschen erhoffen sich von diesem eine direkte Mitbestimmungsmöglichkeit, die dem schwerfälligen politischen Diskurs moderne Reformen entgegensetzt. Die Erfahrung mit den bisher existierenden direktdemokratischen Systemen, wie etwa in der Schweiz, zeigen jedoch, dass dies nicht der Fall ist. Im Gegenteil wird sogar häufig die Reformfähigkeit gebremst. Die Themensetzung ist oft eher von konservativer Art und unterstützt somit eine Abkehr von progressiver Politik und stellt meist auch einen Rückschritt vom Status Quo dar. In der Schweiz zeigt sich dies besonders am Abbau des Sozialstaates und bei Fragen, die gesellschaftliche Minderheiten betreffen. Die Themensetzung dreht sich dabei stark um die Verringerung von Steuern, Einsparungen bei sozialen Maßnahmen und um populistische Zuspitzungen bei Migrationsfragen. Bei dieser eingeschränkten Themensetzung spielen sozialdemokratische Werte oft keine Rolle. Dies hat zur Folge, dass eher neoliberale oder populistische Themen statt Fragen der sozialen Gerechtigkeit diskutiert werden. Es müssten an dieser Stelle Mechanismen im System eingebaut werden, die eine solche Verengung der Themensetzung verhindern und den Fokus mehr darauf legen, wie eine sozialere und gerechtere Gemeinschaft ermöglicht werden kann. Vor allem Probleme und Anliegen ökonomisch Benachteiligter und Minderheiten finden sich häufig nicht in Volksabstimmungen wieder.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Probleme unserer Zeit durch eine enorm hohe Komplexität gekennzeichnet sind. Viele wichtige Themen lassen sich nicht in dem engen Rahmen einer Volksabstimmung behandeln, da in solchen nur zwischen Ja oder Nein entschieden werden kann. Wichtige Sachverhalte würden vereinfacht oder gar rausgelassen werden.
Zu Volksentscheiden werden oft Themen, die gerade kontrovers und auch emotional diskutiert werden, vorgeschlagen. Eine fundierte Entscheidung setzt allerdings einen längeren Willensbildungsprozess und verfügbare Informationen voraus. Dies steht einer schnellen Abstimmung, wie oft gefordert, entgegen. Bei Entscheidungen mitten in der Debatte besteht die Gefahr einer Überlagerung durch Emotionen. Ein weiterer Aspekt ist, dass die Gestaltungsmöglichkeit politischer Parteien durch die häufige Anwendung von Volksentscheiden auf Bundesebene stark beeinträchtigt wird. Große Themenkomplexe benötigen langfristig angelegte Lösungsansätze und eine auf verschiedenen Ebenen abgestimmte politische Strategie. Werden Volksentscheide zur Regel, besteht für Parteien die Notwendigkeit, permanent Wähler*innen für die jeweils nächste Abstimmung zu mobilisieren. Dies bindet sowohl Personen als auch finanzielle Mittel, die bei der Bearbeitung wichtiger Themen fehlen. Es ist zu befürchten, dass es für Parteien unattraktiv wird, sich langfristigen gesellschaftlichen Projekten zu widmen, da permanent die Gefahr eines negativen Votums droht. Gesellschaftliche Visionen verlieren damit zunehmend an politischer Bedeutung.

b) Kampagnenfähigkeit

Bei Menschen, die von „der Politik“ frustriert sind, findet sich oft die Meinung, Politiker*innen würden nicht die Probleme „des Volkes“ kennen, sondern nur den eigenen Vorteil suchen. Daraus wird abgeleitet, dass eine direkte Demokratie, beispielsweise in Form von Volksentscheidungen auf Bundesebene, die Bürger*innenmeinung reeller vertreten würde. Doch dem ist nicht so. Nimmt man an, es gäbe einen Volksentscheid und man möchte für die eigene Meinung werben, so bräuchte man einerseits eine funktionierende Lobby, die diese Meinung teilt, großflächig unterstützt und dafür wirbt. Andererseits braucht es auch große finanzielle Mittel, um die eigene Werbung sinnvoll und großflächig zu verbreiten. Die Möglichkeit einer solchen Lobby und großer finanzieller Mitteln sind nicht jedem Menschen, der eine Meinung zu dem entsprechenden Thema hat, gegeben. Hier würde nur eine Meinung wirklich groß verbreitet werden: Die Meinung derer, die das Geld haben, um dafür breit zu werben. Das ist ungerecht und entspricht nicht unserer Auffassung einer Gesellschaft, in der jede*r sich zu politischen Themen äußern darf und soll. Jede Meinung ist dabei gleichwertig und verdient es, gehört zu werden.
Zudem stellt sich das Problem, dass die verfügbare Auswahlmöglichkeit zu politischen Entscheidungen sehr begrenzt wird. Politik ist nicht unbedingt das Durchsetzen der eigenen Meinung, Politik bedeutet auch das Aushandeln von Kompromissen und dadurch das Finden einer Lösung, mit der sowohl Gegner*innen als auch Befürworter*innen der zu fällenden Entscheidung leben können.
Diese Möglichkeit der Kompromissfindung gibt es in der direkten Demokratie nicht. Hier heißt die Antwort entweder Ja oder Nein – für Kompromisse kann es keinen Spielraum geben. So kann Politik nicht funktionieren.
Ein weiteres Problem des fehlenden Kompromisses ist das Nicht-Wahrnehmen von Minderheitenmeinungen. Bei einer Kompromissfindung ist es möglich, durch einige Umlenkungen auch diese zu berücksichtigen. Das kann in der direkten Demokratie nicht mehr funktionieren, da diesen einfach keine Plattform geboten wird.
Auch die Themen, über die entschieden wird, sind in einer direkten Demokratie nur die großen Mehrheitsthemen. Wichtige Themen, die vielleicht nicht die Mehrzahl der Bevölkerung betreffen, aber für eine Minderheit eine extreme Bedeutung besitzen, werden nicht auf die Agenda kommen.
Allgemein finden nur die Themen einen Platz in der öffentlichen Meinungsbildung, deren Vertreter*innen die oben erwähnte Lobby bzw. die finanziellen Mittel besitzen. Über deren Themen wird abgestimmt. Viele Bürger*innen verfügen nicht über die finanziellen Mittel und eine ausreichende Organisationsstruktur, um über direktdemokratische Verfahren angemessen an der Entscheidungsfindung zu partizipieren.

c) Soziale Selektion

Volksentscheide leben von der Wahl für oder gegen eine Entscheidung. Beide Alternativen werden nicht nur von Interessengruppen unterstützt, sondern meist sogar erst von diesen gebildet.
Aufgrund von Unterschieden in Vernetzung, finanzieller Ausstattung und Hintergrundwissen
verfügen diese oft nicht über die gleichen Möglichkeiten der politischen Einflussnahme. Damit einhergehend fällt es diesen Gruppen relativ leicht, politische Themen im Rahmen von Volksentscheiden ihren Interessen entsprechend zu formulieren und die öffentliche Meinung dahin zu beeinflussen. Diese strukturelle Überlegenheit steht im krassen Widerspruch zu dem grundgesetzlich garantierten Recht auf gleiche demokratische Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung.
Diese Dynamik wird für Gruppen, die über wenig Ressourcen verfügen, zum Problem: Eigene Themen im öffentlichen Diskurs zu setzen, ist damit sehr schwierig. Sich gegen einmal gesetzte Themen bei Volksentscheiden aus dieser Position heraus erfolgreich zur Wehr zu setzen, ist nahezu unmöglich. Gestaltungsmöglichkeiten werden unangemessen stark eingeschränkt. Das Bekenntnis zum Rechtsstaat verpflichtet jedoch zum Minderheitenschutz.
Die zwei Alternativen einer Volksentscheidung stehen sich daher nicht gleichberechtigt gegenüber, vielmehr prädestinieren faktische und soziale Verhältnisse, die lange vor dem Entscheid selbst geschaffen worden sind, ihren Ausgang.
Durch den Einsatz von Finanzen und Lobby verfestigen sich bestehende exklusive Machtstrukturen. Diejenigen, die bereits über Macht verfügen, können diese auf lange Zeit festigen und ausbauen. Wer bislang nicht so großen Einfluss besitzt, hat nur geringe Möglichkeiten, seine*ihre politische Partizipation zu vergrößern.

d) Legitimationsgrundlage Bürger*innenwillen?

Befürworter*innen der direkten Demokratie führen oft an, dass durch Volksentscheide der Wille der Bürger*innen unverstellt abgebildet werde und einen Gewinn für die demokratische Gesellschaft darstelle. Fraglich ist, ob dies tatsächlich so zutrifft.
Bei der Frage nach der Abbildung des Bürger*innenwillens darf nicht beim Entscheid als solchen stehen geblieben werden, sondern es muss gerade die entscheidende Vorlaufphase genauer betrachtet werden. In dieser Phase der Meinungsbildung versuchen alle Gruppen, Einfluss auf die Bürger*innen im Sinne ihrer Kampagne zu nehmen. Hierbei kommen vor allem die unterschiedlichen strukturellen Ausstattungen zum Tragen: ein Mehr an Finanzen und sozialer Vernetzung ermöglicht eine stärkere Präsenz der entsprechenden Interessengruppe. Im Zeitpunkt der Entscheidung wird der*die Wähler*in im Zweifel zur bekannteren Alternative neigen. Dazu kommt, dass oftmals diejenigen, die der Meinung sind, dass diese Frage sie ohnehin nicht betrifft, sich gar nicht beteiligen. Der Bürger*innenwille wird also bei einem Volksbegehren keineswegs direkt, sondern unter Umständen sogar sehr verzerrt abgebildet.
Auch können Erwägungen außerhalb der Sachfrage eine starke Eigendynamik entfalten. Die Erfahrung zeigt, dass bei Abstimmungen über Projekte im kommunalen Bereich die Bürger*innen grundsätzlich seltener erreicht und mobilisiert werden können. Emotionen, wie Wut und Empörung, motivieren nicht nur zur Teilhabe, sondern beherrschen auch die Diskussion und schließen so sinnvolle Alternativen aus.
Inhaltlich führt die auf Ja oder Nein beschränkte Diskussion in der Sachfrage in der Regel zu weiter gehenden, teils populistisch eingefärbten, Vereinfachungen. Komplexe Zusammenhänge lassen sich, anders als im parlamentarischen Verfahren, nicht in allen Dimensionen darstellen und berücksichtigen. Vor allem, wenn die Stimmung in der Bevölkerung von der Wahrnehmung einer Krisensituation geprägt ist, können sich Positionen durchsetzen, die unter “normalen” Umständen keine Mehrheit finden würden. Dass diese Gefahr real ist, zeigt sich zum Beispiel im Anstieg der Popularität von rechtsextremen und populistischen Positionen ab Sommer 2015, wie es die Mitte-Studie aufzeigt (https://www.boell.de/de/2016/06/15/die-enthemmte-mitte-studie-leipzig).
Neben der gesteigerten Akzeptanz „populistischer“ Ansätze schließt die Sachfrage, die auf nur zwei Lösungen zugeschnitten ist, die Diskussion darüber hinausgehender Lösungsmöglichkeiten aus. In dieser Situation besteht keine Möglichkeit, einen Kompromiss zu erreichen.
Diese Punkte zeigen, dass direktdemokratische Verfahren bei der Abbildung des Wähler*innenwillens besonders zugänglich für sachfremde Gründe (z.B. Emotionen, Populismus oder Verkürzungen) sind. Das Ergebnis vieler Volksentscheide hängt so oftmals von der aktuellen Stimmungslage ab.

e) Scheinbeteiligung

In der Regel ist der Erfolg von Volksentscheiden von der Aktualität des Themas abhängig. Die Bürger*innen können sich somit aktiv in aktuelle politische Entscheidungen einbringen, auch wenn die nächsten Wahlen erst in mehreren Jahren stattfinden. Dadurch entsteht jedoch eine Scheinbeteiligung der Bürger*innen, da sie zwar über aktuelle Themen abstimmen und so kurzfristige Entscheidungen treffen, nicht aber nachhaltig Politik prägen können. Eine solche Entscheidung kann dann zudem nicht ohne Weiteres nachträglich korrigiert werden, auch wenn dies durch eine mittel- oder langfristige Veränderung der Situation nötig wäre. Außerdem führt es zu einer Abwertung des Parlaments, wenn aus Volksentscheiden langfristig gültige Gesetze hervorgehen. Könnte hingegen das Parlament Gesetze aus Volksentscheiden jederzeit einschränken, entkräften oder gar rückgängig machen, würde dies endgültig zu einer Scheinbeteiligung führen.

Argumentation

  • “Medien manipulieren die Meinungsbildung der Bürger*innen.” Befürworter*innen von mehr direkter Demokratie argumentieren oft mit einer scheinbaren Manipulation durch Medien. Diese würde angeblich durch mehr direkte Beteiligung an Abstimmungen unterbunden werden. Medien nehmen zwar Einfluss auf den Meinungsbildungsprozess – das ist sogar auch Teil ihrer Aufgabe – aber dies ist unabhängig von repräsentativen oder direktdemokratischen Partizipationsmöglichkeiten. Selbst wenn dieser Einfluss sich zu Manipulation entwickelt, ist auch ein direktdemokratisches Verfahren nicht davor geschützt. Ein Beispiel ist die Propaganda, die die Initiator*innen des Minarettverbots in der Schweiz betrieben haben. Meinungsfindung sollte immer durch Medien begünstigt, nicht geschädigt werden. Mag eine Meinung den persönlichen Präferenzen nicht, der Meinungsfreiheit aber doch, entsprechen, ist sie nicht abzuwerten.
  • “Wir müssen die Demokratie wieder vom Kopf auf die Füße stellen.“ So lässt sich ein weiteres Argument für Volksabstimmungen auf Bundesebene zusammenfassen. Das impliziert, Abgeordnete würden den Willen der Bürger*innen nicht angemessen repräsentieren und deshalb müsste man, um den tatsächlichen Bürger*innenwillen zu ermitteln, immer alle abstimmen lassen. Füße alleine können aber nicht denken. Aus diesem Grund ist eine funktionierende Zusammenarbeit von Zivilgesellschaft und demokratisch gewählten Vertreter*innen zwingend notwendig. Ein Abstimmungsrecht alleine bietet noch keine volle politische Mitbestimmung. Die Beteiligungsmöglichkeiten in unserer Demokratie sind stark ausgeprägt. Ein Mitarbeit in einer Partei beispielsweise bietet dies in größerem Maße, als ein Kreuz bei einem Referendum. Repräsentative Demokratie ist nicht gleichbedeutend mit einem absoluten Repräsentationsanspruch des Staates. Ein*e Abgeordnete*r arbeitet nach seiner*ihrer Wahl nicht frei von Einflüssen aus der Zivilgesellschaft, sondern steht in ständigem Kontakt zu Personen, Organisationen und Interessengruppen aus seinem*ihren Wahlkreis und aus verschiedenen Fachbereichen und Branchen aus Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur.
  • “Die Macht ist einseitig bei Wirtschaft und Eliten konzentriert. Die Gewaltenteilung funktioniert nicht mehr. Es braucht die Bürger*innen, um wirkliches Umdenken anzustoßen, neue Strukturen zu schaffen, alte Institutionen zu reformieren. Es braucht bei der Gesetzgebung eine Gewaltenteilung zwischen Bürger*innen und Parlamenten.” Auch das hört man oft in konservativen Argumentationen für mehr direkte Demokratie. Doch hier wird zum einen der Begriff der Gewaltenteilung falsch verwendet, denn Gewaltenteilung heißt nicht, dass 82 Millionen Menschen ihren 82-Millionstel-Anteil an Einfluss bekommen. Vielmehr findet in Deutschland eine Gewaltenteilung in Judikative, Legislative und Exekutive statt, die sich gegenseitig kontrollieren. Zum anderen unterstellt dieses Argument den Parlamenten eine fehlende Rückkopplung mit der Bevölkerung. Dagegen wollen wir uns positionieren. Vielmehr halten wir es für sinnvoll, die Zusammenarbeit zwischen Politik und Bürger*innen weiter zu stärken.
  • “Volksentscheide ermöglichen schnelle und einfache Abstimmungen, um viele Meinungen die die Entscheidungsfindung einzubeziehen.” Dies ist ein häufig vorgebrachtes Argument für Volksentscheide. Das Beispiel Stuttgart 21 zeigt jedoch, dass im Gegenteil derartige Entscheide oft langwierig sind und einer großen Vorbereitungszeit bedürfen. Politik muss aber in manchen Situationen schnell und entschlossen reagieren. Die kurzfristige Reaktionsmöglichkeit der Politik, wie sie etwa bei Banken-Rettungspaketen notwendig ist, wird durch Volksabstimmungen in bestimmten Bereichen stark eingeschränkt.
  • “Durch die Formulierung in einem Volksentscheid wird die Thematik so zusammengefasst, dass sie klar und für alle Bürger*innen verständlich ist.” Befürworter*innen sagen, dass durch diese Reduzierung auf eine Ja-oder-Nein-Entscheidung alle aktiv in den Gesetzgebungsprozess eingebunden werden können. Das klingt zunächst einleuchtend und logisch. Dabei bleiben jedoch wichtige Details, wie etwa die Finanzierung oder die genaue Formulierung der Gesetzestexte, ungeklärt. Eine Beteiligung findet daher nur mittelbar statt.
  • “Es ist Zeit, dem eigentlichen Souverän, also dem Volk, mehr Kompetenzen zuzugestehen.” Der Parlamentarische Rat hat sich allerdings bei der Ausarbeitung des Grundgesetzes bewusst für eine repräsentative Demokratie entschieden. Auch die Legislative muss in einer Demokratie durch die anderen Gewalten kontrolliert werden. Eine direkte Abstimmung über Gesetze würde diese Kontrollfunktion in Frage stellen. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts könnten mit der Argumentation angegriffen werden, sie würden dem Volkswillen, der in einem Referendum seinen Ausdruck gefunden hat, entgegenstehen.
  • “Regierungen und Abgeordnete sind abgehoben und entscheiden über die Köpfe der Menschen hinweg.” Dem kann man die vielfältigen Möglichkeiten der Beteiligung am politischen System entgegen halten: Politische Gestaltung durch Wahlen auf den verschiedenen Ebenen, Mitarbeit in Parteien oder anderen politischen Organisationen und ein aktiver Umgang mit Politik im Allgemeinen, wie Bürgerdialoge, Kontakt zum jeweiligen Mandatsträger oder Beteiligung an politischer Aufklärung. Aktive Teilnahme am politischen Geschehen kann einen bedeutend größeren Einfluss nehmen, als ein Kreuz auf einem Abstimmungszettel.
  • “Volksentscheide stärken die Demokratie“. Von fehlendem Hintergrundwissen profitieren gerade Populist*innen, indem sie einfache Lösungen anbieten und sich zu Fürsprecher*innen des “Volkes” stilisieren. Genau dadurch besteht die Gefahr, dass sie ihre undifferenzierten Inhalte durchsetzen, denn sie bieten per se einfache Lösungen an und verkürzen sie auf Ja-/Nein-Entscheidungen. Dies geht zum Nachteil einer Vielfalt an Optionen, von denen eine Demokratie lebt. Förderlicher wäre stattdessen der Ausbau bereits bestehender Teilhabemöglichkeiten, z.B. Bürgerdialoge sowie Mitarbeit in der politischen Arbeit und Bildung.
  • “Volks- und Bürgerentscheide funktionieren doch in den Bundesländern auch. Warum also nicht auch auf Bundesebene, wenn auch hiervon Menschen direkt betroffen sind?” Fragen auf Bundesebene zeichnen sich aber im Zweifel durch eine höhere Abstraktheit und Komplexität aus, da eine Vielzahl an Personen, Orten und Sachverhalten davon betroffen ist. Fragen auf Kommunal- und Landesebene sind hingegen meist überschaubar und eignen sich daher besser für die Ja-/Nein-Fragen von Volksentscheiden. Dies ist bei Fragen, die die gesamte Bundesrepublik oder die europäische Politik betreffen nicht der Fall.
  • “Volksentscheide führen dazu, dass sich Bürger*innen wieder stärker in Entscheidungsprozesse eingebunden fühlen.” Dem ist entgegen zu setzen, dass diese nur ein scheinbares Mehr an Mitbestimmung bieten. Wie oben ausgeführt, besteht die Gefahr einer Scheinbeteiligung sowie Verzerrung des Bürger*innenwillens und einer stark eingeschränkten Themensetzung. Eine Stärkung der demokratischen Kultur und eine Bekämpfung der Politikverdrossenheit ist daher nicht zu erwarten.
  • “Die Bürger*innen sind klüger, als viele Politiker glauben – und sehr wohl in der Lage, Argumente abzuwägen“ Gerade bei komplexen Themen ist eine Einarbeitung von Laien in wenigen Wochen kaum möglich. Eine Abwägung der Argumente und eine Entscheidungsfindung ist so nur erschwert möglich.

 

Unsere Forderungen

  • Wir lehnen Volksentscheide auf Bundesebene weiterhin ab, auf Landes-/Kommunalebene sind Verbesserungen notwendig.
  • Die Kampagnenfinanzierung bei Volksentscheiden muss transparent gemacht werden. Zudem müssen der Finanzierung Grenzen gesetzt werden, um eine massive Einflussnahme gut finanzierter Interessensgruppen vorzubeugen.
  • Eine gleiche Verteilung der Finanzen muss ein langfristiges Ziel sein, z.B. durch Schaffung eines einheitlichen Finanzierungstopfs oder Festlegung einer maximalen Budgetdifferenz der Gruppen.
  • Politische Bildung, vor allem in Bezug auf Partizipationsmöglichkeiten, muss sowohl in den Lehrplänen als auch in der Erwachsenenbildung verstärkt gefördert werden.
  • Auf Landes- und Kommunalebene fordern wir eine Mindestwahlbeteiligung bei Entscheiden
  • In Grundrechte und wesentliche Staatsstrukturprinzipien darf durch Volksentscheide nicht eingegriffen werden.
  • Den abstimmungsberechtigten Bürger*innen müssen vor der Entscheidung ausreichend Informationen zur Verfügung gestellt werden, welche die Breite der Debatte mit den verschiedenen Meinungen wiederspiegeln.