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S13 Pflege für Alle. Alle(s) für die Pflege

31.03.2023

Pflege für Alle. Alle(s) für die Pflege.

Die Bundesrepublik sieht sich im Jahr 2019 mit 3,4 Millionen Pflegebedürftigen konfrontiert, die Zahl wird erwartungsgemäß in den nächsten Jahren steigen und wird für 2060 mit einer Zahl von 4,6 Millionen prognostiziert. Dem gegenüber stehen aktuell rund 1,1 Millionen Beschäftigte in der Pflegebranche, hauptsächlich Frauen und größtenteils in Teilzeit beschäftigt. Der Durchschnittsverdienst dieser Berufsgruppe liegt aktuell bei Vollzeit ca. bei 2.600 € brutto, variiert aber abhängig von Bundesland und Region gravierend. Während für die Pflegebedürftigen und deren Angehörigen die finanziellen Eigenanteile bei stationärer Pflege stetig steigen – selbst im ländlich geprägten Niederbayern abseits der größeren Städte sind über 2000€ monatlich keine Seltenheit – ist die deutsche Pflegelandschaft eine beliebte Spielwiese für in- und ausländische Investor:innen zur Maximierung ihrer Rendite. Gleichzeitig ruhen 5,17 Milliarden Euro im Pflegevorsorgefond und warten bedächtig auf die eigene Wertminderung, statt das jährliche Defizit der sozialen Pflegeversicherung (2018: ca. 3 Milliarden Euro) zu begleichen. Dem häufig deklarierten „Pflegenotstand“ und dem Personalengpass in der Branche wird mit politischem Stückwerk wie dem Pflegepersonalstärkungsgesetz begegnet, welches obendrein dann nur träge umgesetzt wird und durch verspätete Zustellung von Bescheiden Einrichtungen und Träger:innen finanzielle Schwierigkeiten bereitet, statt Personalprobleme zu beheben. Durch die Einführung der generalistischen Ausbildung steigt die Unsicherheit im Bereich der Ausbildung, also der zentralen Strategie gegen den Fachkräftemangel, die Anwerbung ausländischer Fachkräfte ist durch komplizierte und langwierige Anerkennungsverfahren aufwändig und mit der Umstellung auf Prüfungen mittels dem indikatorengestützten Qualitätssystem werden Mitarbeiter:innen vor zusätzliche Herausforderungen gestellt.

Gerade um den skizzierten Missständen konsequent zu begegnen und zukunftsgewandte Konzepte entgegenzustellen, ist eine klare Positionierung der Sozialdemokratie unerlässlich. In einem klassischen Feld der Sozialpolitik in dem die Interessen von Beschäftigten, Angehörigen und Pflegebedürftigen gegen Gewinnmaximierung und die freie Kraft des Marktes zu verteidigen sind, kann die SPD nicht zuletzt auch ihr eigenes Profil schärfen und verlässliche Partnerin von Bürger:innen sein.

Zur Umsetzung sind einige zentrale Weichenstellungen nötig:

  1. Gesetzliche Maßnahmen im Pflegebereich müssen umgehend und strukturiert umgesetzt werden. Die Kritik am PpSG ist vielerorts berechtigt, so bleibt fraglich woher die zusätzlichen Pflegekräfte kommen sollen und ob durch die Reform nicht eher Beschäftigte mit Mehrarbeitsstunden beladen werden, statt neue Kolleg:innen begrüßen zu können. Vor allem ist aber anzumerken, dass bei einer geplanten finanziellen Entlastung von Träger:innen und Einrichtungen die Hilfe auch umgehend erfolgen muss. Wenn tatsächlich neues Personal eingestellt und bezahlt wird, die Rückvergütung aber über mehrere Monate stockt, bringt man die Betroffenen in eine missliche Lage und lastet unnötigerweise finanzielles Risiko auf die Stützen des Systems. Wenn die Bundesregierung wirksame oder zumindest mildernde Maßnahmen erlässt, müssen diese auch die Nutznießer:innen im angekündigten Zeitrahmen erreichen. Dafür zu streiten, ist ehrenhafte Aufgabe der SPD.
  2. Solidarische Finanzierung: Die Kostensteigerung des Eigenanteils bei stationärer Pflege muss gestoppt werden und eine Deckelung des Betrags erfolgen. Nur so wird die finanzielle Belastung von Pflegebedürftigen und Angehörigen vermieden, Unsicherheiten beseitigt und Angespartes verteidigt. In der aktuellen Situation werden bei Einzug in eine Pflegeeinrichtung die mühsam erwirtschafteten Geldbeträge der Pflegebedürftigen abgebaut, bis die betroffenen Personen in die Sozialhilfe rutschen und somit die kommunalen Gebietskörperschaften belasten. Perspektivisch soll die Pflegeversicherung freilich zur Bürger:innenversicherung umgestaltet werden, sodass alle in denselben Topf einzahlen und alle Einkommensarten berücksichtigt werden. Im Zuge dessen ist die Pflegeversicherung zur Vollversicherung umzugestalten, um den Zugang zu adäquater Pflege schlicht für Alle zu ermöglichen.
  3. Kommunale Pflege-Infrastruktur: Die Kommunen müssen sukzessive und nachhaltig bei der Schaffung von Pflegeinfrastruktur unterstützt werden. Dazu gehört die Gewährleistung von Beratungsangeboten genauso, wie die Förderung eigener Pflegestützpunkte. Zur Finanzierung soll der Pflegevorsorgefond aufgelöst werden und die Beitragsgelder zweckgebunden an die Kommunen ausgegeben werden. Das Geld wird dann dafür eingesetzt, wofür es gedacht ist: Fu r die Sicherstellung eines flächendeckenden Pflegeangebots.
  4. Tarifvertrag für Alle: Wir brauchen dringend einen flächendeckenden Tarifvertrag für die Pflegebranche, der für alle Beschäftigten in der stationären und ambulanten Pflege gilt. Dieser Tarifvertrag muss gleichermaßen regionale Lohnunterschiede beheben, Mindeststandards sichern und Ausbeutung verhindern. Außerdem soll eine gesetzliche Personalbemessung in der Altenpflege für zusätzliche Sicherheit sorgen. Durch einen Tarifvertrag soll privaten Anbietern der „Wettbewerbsvorteil“ niedriger Löhne zur Steigerung der Rendite genommen werden und wohlfahrtsverbandliche, kommunale und staatliche Strukturen gefördert werden.
  5. Zur weiteren Stärkung der Rolle der Mitarbeiter:innen in der Pflege ist die Fortschreibung und Ausweitung der „Charta der Rechte von hilfe- und pflegebedürftigen Menschen“ dringend geboten. Auch die Beschäftigten sollen hier deutlich erfasst und deren Rechtssicherung zusätzlich betont werden. Fu r die Schlagkraft dieser Maßnahme ist freilich die Erklärung der Verbindlichkeit der sog. Pflege-Charta notwendig, nur so kann die Rechtsstellung beider betroffenen Gruppen, der Pflegebedürftigen wie der Beschäftigten, abgesichert werden. Umfassende Aufklärung und Kontrolle sind dafür obligatorisch.
  6. Streichung des Vorrangs von privaten und freigemeinnützigen Trägern aus dem SGB streichen: Der Staat muss dazu berechtigt sein, selbst Pflegeeinrichtungen anzubieten und zu betreiben. Die im SGB XI formulierte Regelung, dass freigemeinnützige und private Träger:innen zu bevorzugen sind, soll gestrichen werden. In einer solidarischen Gesellschaft ist die Sicherstellung von Pflegeinfrastruktur ehrenhafte Aufgabe der Gesellschaft und damit des Staates. In der Entscheidung, dieses Angebot zu schaffen, soll er frei sein und nicht von anderen Akteuren beeinträchtigt werden. Natürlich sind gemeinnützige und wohlfahrtsverbandliche Pflegeeinrichtungen und deren Träger:innen trotzdem entscheidende Stützen unseres Sozialstaates und traditionelle Bündnispartner:innen unserer Sozialdemokratie.
  7. Letztlich braucht es für eine neue Perspektive der Pflege auch einen neuen Blick auf die Situation. Dazu müssen wir gemeinsam für eine positivere Wahrnehmung streiten. Statt anstrengender Schichtarbeit, mäßiger Vergütung und Personalengpässen sollen fortan auch Weiterbildungsmöglichkeiten, hohe Jobsicherheit und der soziale Charakter der Arbeit betont werden. Gegen die unstrittigen Probleme in dem Bereich definieren wir Sozialdemokrat:innen freilich ohne Vorbehalte Lösungsansätze, legen aber gleichermaßen Wert auf die positiven Seiten der Arbeit im Sinne unserer Gesellschaft. Abschließend geben wir den Pflegebedürftigen, den Beschäftigten und den Angehörigen mit Nachdruck das höchste Gut unserer politischen Arbeit, nämlich unsere Solidarität.

 

 

S12 Selbstbestimmungsrecht von Schwangeren wiederherstellen – Pflichtberatung abschaffen

31.03.2023

 

FLINTA*-Personen in unserer Gesellschaft werden noch immer durch veraltete und rückwärtsgewandte Machtkonstellationen unterdrückt. Eine der effektivsten und perfidesten Formen dieser Unterdrückung ist die Fremdbestimmtheit über den gebährfähigen Körper. Allem voran wird schwangeren Personen die Entscheidungsfähigkeit über ihren eigenen Körper und so auch über ihr eigenes Leben abgesprochen.

Wird eine Person ungewollt schwanger und ist sich diese über das weitere Vorgehen nicht im Klaren, bekommt sie im Idealfall von ihrem*ihrer Gynäkolog*in Hinweise zu Beratungsangeboten. Gerade wenn ein Schwangerschaftsabbruch durchgeführt werden soll, ist ein Umgehen einer Pflichtberatung unmöglich, da erst nach erfolgtem Gespräch ein Beratungsschein ausgestellt wird. Diese Pflichtberatung muss zwar offiziell neutral und ergebnisoffen geführt werden, davon kann aber keine Rede sein, wenn in §219 (StGB) steht, dass die Beratung dem Schutz des ungeborenen Lebens dient. Also nicht etwa der Entscheidungsfindung der schwangeren Person. Die Beratung soll ebenfalls zur Fortsetzung der Schwangerschaft ermutigen und Perspektiven für ein Leben mit dem Kind eröffnen. Eine klare moralische Abwertung eines Abbruchs wird schon hier klar. Wie kann also ein Pflichtgespräch, das durch seine bloße Existenz klarmacht, dass Schwangeren keine Entscheidungsfindung ohne Beratung zugetraut wird, keine Belastung darstellen? An dieser Stelle möchten wir klarstellen, wie wichtig es ist, eine freiwillige Beratung in angemessener Nähe zur Verfügung zu haben, deshalb sprechen wir uns auch für die weitere kostendeckende Finanzierung von unabhängigen Beratungsstellen und den Ausbau gerade auch im ländlichen Raum aus. Trotzdem verhindert der Pflichtcharakter des Gesprächs und die Gesetzeslage eine ergebnisoffene Beratung und kann die physische und psychische Gesundheit der Betroffenen belasten. Auch wenn die schwangere Person sich bereits vor dem Gespräch entschieden hat, macht die Pflichtberatung keinen Sinn, sie zeigt nur, dass hier ein Stück Mündigkeit abgesprochen wird. Die folgende Wartezeit von drei Tagen kann ebenfalls von einigen als belastend wahrgenommen werden, denn das Ziel ist klar, nämlich einen Abbruch zu verhindern. Die Beratung selbst sehen wir als Chance an, die Perspektiven eröffnet, ihr Pflichtcharakter aber ist eine Zumutung. Es soll die bestmögliche Beratung zur richtigen Entscheidung möglich sein und diese richtige Entscheidung ist nicht immer das Fortsetzen der Schwangerschaft.

Wir fordern deshalb:

  • Die Abschaffung von Beratungsscheinen und der stigmatisierenden Pflichtberatung durch die Streichung von §219 StGB. Beratungsstellen sollen trotzdem weiterhin als freiwilliges Angebot finanziert werden, die einen wichtigen Teil zur Aufklärung beitragen.
  • Beratungsstellen müssen auch im ländlichen Raum gut zugänglich und unabhängig von konfessionellen Weisungen sein.
  • Die Aufklärung muss auch durch die durchführenden Ärzt*innen möglich sein.
  • Die komplette Übernahme von Schwangerschaftsabbrüchen und gegebenenfalls die psychotherapeutische Begleitung durch die gesetzlichen Krankenkassen.
  • Besserer Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen, denn sie sind Teil der Grundversorgung, die Länder müssen hier ihrem Versorgungsauftrag entgegenkommen.
  • Enttabuisierung von Schwangerschaftsabbrüchen, dazu gehört die Aufklärung darüber und über Verhütung in der Schule. Öffentliche Informationsportale, die umfassend über die Möglichkeiten aufklären und die Streichung von §219a, denn auch dieser Paragraf stellt eine Bürde für Schwangere und Ärzt*innen dar. Sexuelle Selbstbestimmung ist nur möglich, wenn frühzeitig informiert und aufgeklärt wird und ein Abbruch frei von der Einflussnahme des Staates und konfessionellen Organen ist und vor der Androhung von Strafe.
  • Die Aufnahme von Abbruchsmöglichkeiten in den Lehrplan des Medizinstudiums.

 

S11 Verbesserung der wohnortnahen Versorgung von ungewollt Schwangeren und Abschaffung des Paragraphen 219a StGB und Änderung des Paragraphen 218 StGB

31.03.2023

 

Das Thema Schwangerschaftsabbruch ist eines, von dem unmittelbar nur Frauen betroffen sein können. Betroffene Frauen sind mit Blick auf den zeitlichen Druck, der von Gesetzeswegen vorgegeben ist, in einer äußerst schwierigen Situation. Für uns ist klar: Ein Schwangerschaftsabbruch ist kein Verhütungsmittel, sondern ein medizinischer Eingriff mit gesundheitlichen Risiken. Kein Verhütungsmittel wirkt absolut sicher – das Risiko für eine Schwangerschaft ist im Falle von Geschlechtsverkehr immer gegeben. Frauen, die ungewollt schwanger werden und sich für einen Abbruch entscheiden, müssen in einem medizinisch fortschrittlichen Land wie Deutschland eine bessere Versorgung erhalten. Das Thema Schwangerschaftsabbruch muss ferner enttabuisiert und die Informationen hierzu verbessert werden. Der in der GroKo erzielte Kompromiss zur Reform des §219a StGB verbessert die Situation von Ärzt*innen, Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen und ungewollt Schwangeren insgesamt nicht. Das Informationsverbot für Ärzt*innen bleibt darin bestehen, wodurch sich zum einen das Auffinden medizinisch sachgemäßer Informationen für Betroffene weiterhin als schwierig gestaltet und zum anderen die Stigmatisierung von Schwangerschaftsabbrüchen bestehen bleibt. Solange Ärzt*innen eine Anklage wegen einer Information auf ihrer Website fürchten müssen, solange werden weiterhin nur wenige von ihnen für diese Eingriffe bereitstehen.

Wir fordern:

  • die freie Wahl der Abbruchmethode muss bei den betroffenen Frauen liegen,
  • Methoden des Schwangerschaftsabbruchs müssen in der medizinischen Ausbildung verpflichtend verankert werden,
  • die Beratungspflicht soll vereinfacht werden und es sind vielfältige und niederschwellige Beratungsangebote zu schaffen
  • die Änderung des § 218 StGB und somit die Entkriminalisierung von Abbrüchen, was mit einer Enttabuisierung dieses Themas in der Gesellschaft einhergehen wird,
  • die Streichung des § 219a StGB, damit Ärztinnen und Ärzte über ihre Abbruchmethode informieren dürfen, ohne dafür bestraft zu werden.

Neben Verbesserungen im Bereich Schwangerschaftsabbruch setzen wir uns auch für einen besseren Zugang zu Verhütungsmitteln für bedürftige Frauen ein. Viele Frauen in Deutschland können sich die Kosten für Pille, Spirale und Co. schlicht und ergreifend nicht leisten und verhüten deshalb unregelmäßiger, greifen zu weniger zuverlässigen Methoden oder verzichten ganz auf Verhütung. Frauen im Studium, in der Ausbildung, alleinerziehende Frauen in Minijobs oder Teilzeit – nicht nur Bezieherinnen von Sozialleistungen, sondern für viele Frauen darüber hinaus sind Verhütungskosten eine hohe finanzielle Belastung.

Wir fordern ein bundesweites Modell zur Übernahme der Kosten von Verhütungsmitteln alle.

Frauen sind ferner auch besonders häufig Opfer von Gewalt, insbesondere häuslicher Gewalt. Die Frauenhäuser und Frauennotdienste sind seit Jahren unterfinanziert. Um Frauen in dieser Notsituation besser helfen zu können, müssen die staatlichen Fördermittel hier aufgestockt werden.

Wir fordern: Mehr staatliche Finanzmittel für Frauenhäuser und Hilfseinrichtungen für von Gewalt betroffenen Frauen.

 

S10 Gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land – auf allen Ebenen!

31.03.2023

 

Das Bestreben, in Stadt und Land gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen, zeichnet unsere Partei seit jeher aus. Dies bezieht sich insbesondere auch auf die medizinische Versorgung, die in ländlichen Regionen ebenso gut sein muss wie in größeren Städten.

Leider ist dies in vielen Fällen nicht gegeben. Besonders betrifft dies die gynäkologische Versorgung von Frauen. In einem Umkreis von 200 km um die Stadt Passau herum, sowie in mehreren ländlichen Regionen in ganz Deutschland ist es für Frauen nicht möglich, einen Schwangerschaftsabbruch nach der Beratungsregel durchzuführen und dabei von einem*einer zu- und niedergelassenen Arzt*Ärztin betreut zu werden. Betroffene müssen in einer physischen und psychischen Ausnahmesituation oft mehrere Stunden in eine fremde Stadt fahren, um in einem Klinikum oder einer Praxis behandelt zu werden.

Wir fordern die gewählten Vertreter*innen der SPD dazu auf, sich für eine konkrete Verbesserung der gynäkologischen Versorgung hinsichtlich von Schwangerschaftsabbrüchen insbesondere in ländlichen Regionen einzusetzen.

Dabei sind zwei Anmerkungen von besonderer Wichtigkeit: Zum einen geht es hier nicht um die Entscheidung, ob Schwangerschaftsabbrüche moralisch zu vertreten sind oder nicht. Es geht vielmehr darum, geltendes Recht – nämlich die Straffreiheit von Schwangerschaftsabbrüchen – für alle Frauen unabhängig von ihrem Wohnort zugänglich zu machen. Zum anderen geht es darum zu verstehen, dass ungewollt Schwangere auch bei Verboten oder in schlechten medizinischen Versorgungslagen – wie dies etwa in Passau der Fall ist – ihre Schwangerschaften beenden. Dies zeigen Zahlen aus Ländern, in denen dies gänzlich verboten ist. Sie tun dies dann mithilfe unsicherer und teils lebensgefährlicher Methoden und Medikamente. Es geht in der vorliegenden Forderung also auch darum, Letzteres zu verhindern und gleichwertige, rechtssichere Bedingungen zu schaffen.

 

 

S9 Künstliche Befruchtung auch für unverheiratete Paare und verpartnerte Frauen

31.03.2023

 

Die Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion sowie die sozialdemokratischen Mitglieder des Bundesrates werden aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass die bestehende Ungleichbehandlung zwischen verheirateten und unverheirateten Paaren/verpartnerten Paaren hinsichtlich der Anwendung des § 27a SGB V (Künstliche Befruchtung) durch eine entsprechende gesetzliche Regelung beseitigt wird.

Begründung:

Denn obwohl die Diskriminierung eingetragener Lebenspartnerschaften bereits in einigen wichtigen Bereichen abgebaut werden konnte (so z.B. durch das Lebenspartnerschaftsgesetz oder durch diverse Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts), besteht im Bereich der künstlichen Befruchtung für unverheiratete Paare und für verpartnerte Frauen nach wie vor eine große Ungleichbehandlung. So müssen Personen, die Maßnahmen nach § 27a SGB V (Künstliche Befruchtung) in Anspruch nehmen wollen, bei denen die gesetzlichen Krankenkassen im Normalfall bis zu 50% der Kosten übernehmen, miteinander verheiratet sein. Richtlinien der Bundesärztekammer (BÄK) untersagen die Durchführung von fortpflanzungsmedizinischen Behandlungen bei gleichgeschlechtlicher Partnerschaft nach diesem Paragrafen („heterologeInsemination [ist] zurzeit bei Frauen ausgeschlossen, die […] in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft Leben.“, Richtlinie der BÄK zur Durchführung der assistierten Reproduktion, 2006). Begründet wird dies damit, dass für das Kind eine „stabile Beziehung zu beiden Elternteilen zu sichern sei“. Dies steht jedoch im Widerspruch zur Rechtsauffassung des Bundesverfassungsgerichts, wonach die eingetragene Lebenspartnerschaft die gleiche, auf Dauer übernommene, auch rechtlich verbindliche Verantwortung für den Partner darstellt, wie die Ehe (vgl. BVerfG zur Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im Bereich der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung, 1 BvR 1164/07, Rdn. 104f.)

Die Länder Berlin und Hamburg haben zur Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften mit der Ehe im Kindschaftsrecht bereits eine Entschließung im März 2011 in den Bundesrat eingebracht (Drs. 124/11), die dort jedoch abgelehnt wurde. Mit einem Urteil hatte das Bundessozialgericht in Kassel 2014 grundlegend entschieden, dass die Kassen Paaren ohne Trauschein eine künstliche Befruchtung nicht mitfinanzieren dürfen. Für uns ist allerdings nicht erkennbar, warum Paare ohne Trauschein schlechtere Eltern für ein Kind sein sollen.

 

W2 Volle Transparenz bei Gehältern

31.03.2023

 

Nach wie vor existiert eine gravierende Genderpaygap. Außerdem vergrößert sich der Niedriglohnsektor in Deutschland rasant. Die immer noch weit verbreitete Etikette, nicht über das eigene Gehalt zu sprechen, ist allgegenwärtig. Dies führt ferner dazu, dass in sogenannten „Frauenberufen“ deutlich geringere Gehälter bezahlt werden. Arbeitgeber*innen lehnen Tarifbindungen zu unserem großen Bedauern immer häufiger ab. Der aktuell geltende gesetzliche Mindestlohn ist aus unserer Sicht einerseits unzureichend für den gegenwärtigen Lebensunterhalt, andererseits reicht dieser nicht zu einer Mindestabsicherung im Rentenalter aus.

Wir Jusos möchten, dass über Löhne und Gehälter in der Öffentlichkeit gesprochen wird und eine Debatte über die Wertigkeit von vor allem Hilfsberufen, Sozialberufen und Berufen während der Ausbildungsphase diskutiert wird. Einen geschlechterspezifischen Lohnunterschied nehmen wir nicht mehr hin. Daher plädieren wir für die sofortige Einführung einer korrekten Mindestgehaltsangabe in Stellenanzeigen. Bei der Veröffentlichung der Löhne und Gehälter sind folgende Varianten zulässig:

  • Bei Vollzeitstellen unter Angabe der Wochenarbeitszeit entweder das Jahresgehalt, das Monatsgehalt oder die Stundenentlohnung in Euro als Bruttoentlohnung.
  • Bei Teilzeitstellen unter Angabe der Wochenarbeitszeit entweder das Jahresgehalt, das Monatsgehalt oder die Stundenentlohnung in Euro als Bruttoentlohnung.
  • Bei sonstigen Beschäftigungsverhältnissen die Stundenvergütung in Euro als Bruttoentlohnung.

 

W1 Gesetzliche Regelungen für mobile Arbeit

31.03.2023

Die NiederbayernSPD bekennt sich ausdrücklich zu gesetzlichen Mindestregelungen für mobile Arbeit.

Ziel ist es, Mindestregelungen für Arbeitnehmer*innen bei mobiler Arbeit gesetzlich abzusichern und die sich daraus ergebenden Chancen für die Gesellschaft zu nutzen.

Mobile Arbeit bedeutet, dass Arbeitnehmer*innen ihre Arbeit von einem Ort außerhalb der eigentlichen Betriebsstätte erbringen. Mobile Arbeit kann entweder an einem Ort, der von Arbeitnehmer*innen selbst gewählt wird oder an einem fest mit der/dem Arbeitgeber*in vereinbarten Ort erbracht werden. Mobile Arbeit setzt die Verwendung von Informationstechnologie voraus.

Die nachfolgenden Forderungen für eine gesetzliche Regelung beziehen sich auf die regelmäßige, das heißt planmäßig wiederkehrende mobile Arbeit, wie zum Beispiel einmal oder mehrfach in der Woche oder zweimal im Monat an einem bestimmten Wochentag.

Forderungen für die gesetzlichen Regelungen zur mobilen Arbeit:

  • Die Ruhezeiten und Höchstarbeitszeiten nach Arbeitszeitgesetz dürfen auch durch mobile Arbeit nicht aufgehoben werden.
  • Die/der Arbeitgeber*in hat den Arbeitnehmer*innen, auch in leitenden Positionen, mobile Arbeit zu ermöglichen.
  • Die Arbeitnehmer*innen können verlangen, wenn es auf Grund ihrer Tätigkeit möglich ist, einen Teil ihrer Arbeit auch als mobile Arbeiten zu erbringen. Die/der Arbeitgeber*in hat der mobilen Arbeit der Arbeitnehmer*in zuzustimmen, soweit betriebliche Gründe nicht entgegenstehen.

Ein betrieblicher Grund liegt insbesondere vor, wenn die mobile Arbeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht.

Die Ablehnungsgründe können auch tarifvertraglich festgelegt werden.

Lehnt ein/e Arbeitgeber*in die mobile Arbeit ab, so hat sie/er dies innerhalb von vier Wochen der Arbeitnehmer*in schriftlich mit einer Begründung mitzuteilen.

  • Die/der Arbeitgeber*in ist berechtigt, den Arbeitnehmer*innen mobile Arbeit nach Maßgaben dieses Gesetzes anzubieten. Die/der Arbeitgeber*in ist aber nicht berechtigt eine einseitige Anordnung durchzusetzen.
  • Grundsätzlich sollte die mobile Arbeit in Form einer betrieblichen Vereinbarung mit der betrieblichen Mitbestimmung geregelt werden. Besteht keine betriebliche Mitbestimmung, muss eine Vereinbarung auf Augenhöhe zwischen Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen erfolgen.

 

Folgende Mindestregelungen muss die Vereinbarung enthalten:

o        Wer hat ein Anrecht auf mobile Arbeit?

o        Betriebliche Gründe für die Ablehnung von mobiler Arbeit

o        Wo kann die mobile Arbeit geleistet werden (Festlegung der Örtlichkeiten)

o        Anteil der mobilen Arbeit an der Gesamtarbeitszeit

o        Erfassen der Arbeitszeit

o        Arbeitszeiten in der mobilen Arbeit und damit auch Erreichbarkeit

o        Planungs-, Freigabe- und Kontrollverfahren für mobiles Arbeiten und betrieblicher Konfliktlösungsmechanismus bei Uneinigkeit

o        Konzept / Maßnahmen zur Sicherstellung des Arbeitsschutzes und der Gesundheit der Arbeitnehmer*innen

o        Verfahren und Maßnahmen zur Beförderung und Aufrechterhaltung der betrieblichen sozialen Gemeinschaft (Teamgeist)

  • Die mobile Arbeit darf auf keinen Fall die Gesamtarbeitszeit überwiegen. Grundsätzlich sollte die mobile Arbeit höchstens 50% der vereinbarten Arbeitszeit betragen. Ausnahmen davon sind zeitlich zu begrenzen (z.B. Pflege von Familienangehörigen, temporäre Projekte, Pandemie) und ausdrücklich per Tarifvertrag oder mit der Mitbestimmung zu vereinbaren. Besteht weder ein Tarifvertrag noch eine Mitbestimmung im Betrieb, muss dies einvernehmlich zwischen der/dem Arbeitgeber*in und der Arbeitnehmer*in geregelt werden.
  • Die Kosten der Ausgestaltung für mobiles Arbeiten sind durch die/den Arbeitgeber*in zu tragen. Die/der Arbeitgeber*in stellt alle notwendigen (technischen) Mittel für die mobile Arbeit zur Verfügung.
  • Die Fragen des Datenschutzes sind durch die/den Arbeitgeber*in zu regeln.
  • Die/der Arbeitgeber*in hat die Weiterqualifizierung für die Arbeitnehmer*innen zu gewährleisten.
  • Die/der Arbeitgeber*in hat zu gewährleisten, dass Arbeitnehmer*in auf Antrag eine Beendigung der mobilen Arbeit vornehmen können.

Begründung:

Bisher gibt es keine gesetzlichen Regelungen für mobile Arbeit. Erst in Zeiten der Pandemie wurde in vielen Bereichen die mobile Arbeit unter dem Aspekt der Fürsorgepflicht der Arbeitgeber*innen und den Vorgaben des Arbeits- und Gesundheitsschutzes umgesetzt.

Die mobile Arbeit hat für viele Arbeitnehmer*innen Vorteile gezeigt, sodass der Ruf lauter wurde, auch nach der Pandemie eine Möglichkeit der mobilen Arbeit zu erhalten. Deswegen und aufgrund der Vereinbarungen im Koalitionsvertrag (2017) sollte jetzt der gesetzliche Rahmen geschaffen werden.

Die Regelungen zum mobilen Arbeiten beziehen sich nicht auf heimbasierte Arbeit oder Telearbeit, bei denen ein fest eingerichtetes Arbeitszimmer in der Privatwohnung besteht. Mobile Arbeit kann entweder an einem Ort, der von Arbeitnehmer*innen selbst gewählt wird, oder an einem fest mit der/dem Arbeitgeber*in vereinbarten Ort erfolgen.

 

V2 Die Verkehrswende in Niederbayern verwirklichen

31.03.2023

Unter dem Titel Sozial Verkehrswende: Klimafreundliche Mobilität – bezahlbar und für Alle hat die Bayern-SPD am 12.09.2020 eine Grundsatzposition beschlossen. Der SPD Bezirksverband Niederbayern unterstützt diese Grundsatzposition und macht das Thema ÖPNV zu einem Schwerpunkt für die künftige politische Arbeit. Damit die Verkehrswende in Niederbayern erfolgreich sein kann, müssen folgende ergänzende Forderungen verwirklicht werden:

  1. Mindestdichte des Haltestellennetzes

Die Mobilitätsgarantie für ganz Bayern muss durch eine Aussage zum Netz der Haltestellen ergänzt werden. Die nächstgelegene Haltestelle soll im Bereich von im Zusammenhang bebauten Ortsteilen mit einer Wegstrecke von nicht mehr als 1000 m erreicht werden.

In Städten und Verdichtungsräumen muss die Haltestellendichte deutlich enger

sein. Weitere Haltestellen sind, insbesondere für Freizeitnutzungen, nach Bedarf

und unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf Natur und Umwelt einzurichten.

  1. Umfassende Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Planung der Angebote des öffentlichen Personennahverkehrs

Die Bürger müssen aktiv in die Planung der Angebote des öffentlichen Personennahverkehrs einbezogen werden. Insbesondere sind folgende Gruppen in die Entscheidungsfindungen einzubeziehen:

  • BenutzerInnen des ÖPNV; für Kinder und Jugendliche, Ältere und in der Mobilität eingeschränkte BenutzerInnen sind jeweils geeignete Beteiligungsformen anzubieten
  • Verbände der Zivilgesellschaft wie Umweltverbände, Verband der Verkehrsunternehmen (VDV), Gewerkschaften, Handwerkskammern und IHK, Sozialverbände usw.
  • Beschäftigte bei den öffentlich-rechtlich organisierten Verkehrsverbünden oder beauftragten Firmen
  1. Verkehrsverbund Niederbayern und Oberpfalz

Die Organisation des ÖPNV soll in flächendeckenden regionalen Verkehrsverbünden erfolgen. Für Niederbayern wäre ein Verkehrsverbund Ostbayern gemeinsam mit der Oberpfalz zielführend bzw. ein Verkehrsverbund, der ganz Bayern mit einbezieht. Träger der Verkehrsverbünde soll der Freistaat Bayern sein. Die Organisation, Gestaltung und Planung des ÖPNV sind einvernehmlich mit den Kommunen und Landkreisen zu gestalten.

  1. Finanzierungs-, Planungs- und Organisationsverantwortung des Freistaates Bayern

Der Freistaat Bayern ist für die Finanzierung und die Gesamtorganisation des

ÖPNV zuständig.

In Grenzgebieten zu anderen Bundesländern stellt der Freistaat Bayern in Abstimmung mit dem anderen Bundesland sicher, dass diese Rahmenbedingungen auch im Grenzbereich entsprechend sichergestellt werden.

Sinngemäß ist dies auch in den Grenzbereichen zu anderen Staaten umzusetzen.

  1. Die Finanzierung dauerhaft sichern

Die Finanzierung des Investitionsbedarfs für den ÖPNV kann durch Umwidmung z. B. von Mitteln des Straßenbaus erfolgen.

Die Finanzierung des Betriebes des ÖPNV soll durch Steuern und freiwerdende Mittel

durch den Abbau von klimaschädlichen Subventionen erfolgen, wie etwa:

  • Dienstwagenprivileg
  • Pendlerpauschale
  • Subventionen von Treibstoffen

Die Finanzierung eines bedarfsdeckenden ÖPNV darf nicht von der konjunkturbedingten Finanzsituation des Freistaates Bayern abhängig sein. Eine Möglichkeit einer konjunkturunabhängigen Finanzierung ist eine allgemeine Nahverkehrsabgabe oder Nahverkehrssteuer. Eigentümer von bebauten Grundstücken (Wohngebäude, Gewerbeimmobilen, Geschäfte usw.) könnten zusätzlich als Nutznießer des ÖPNV in die Finanzierung mit einbezogen werden.

  1. Beschäftigte beim ÖPNV

Der ÖPNV ist von qualifiziertem und motiviertem Personal abhängig. Es ist deshalb

von entscheidender Bedeutung das gute Arbeitsbedingungen geschaffen werden.

Die Arbeitsbedingungen sind entsprechend dem DGB Index „Gute Arbeit“ zu bewerten.

Grundsätzlich soll der ÖPNV in der Verantwortung des Freistaates Bayern bzw. der öffentlich-rechtlichen Verkehrsverbünde durchgeführt oder organisiert werden. Eine Vergabe von ÖPNV-Leistungen ist dann möglich, wenn die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten mindestens dem Standard in den Verkehrsverbünden entsprechen und die betriebliche Mitbestimmung gesichert ist.

  1. Rechtliche Rahmenbedingungen anpassen

Der Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs muss durch flankierende rechtliche Rahmenbedingungen unterstützt werden. Beispiele hierfür sind:

  • Verkehrliche Anbindung durch den ÖPNV als Erschließungsvoraussetzung in die baurechtliche Prüfung mit aufnehmen
  • Verkehrliche Anbindung durch den ÖPNV als Voraussetzung für die Ausweisung von Baugebieten
  • Abschaffung der Stellplatzverordnung
  • Schaffung der gesetzlichen Grundlagen für die Erhebung von Maut für durch den Individualverkehr belastete Bereiche
  1. Breites Bündnis für den ÖPNV

Einen leistungsfähigen und flächendeckenden ÖPNV können wir nur dann erreichen, wenn wir unsere Forderung in einem breiten gesellschaftlichen Bündnis präsentieren. Der SPD-Bezirk Niederbayern wird deshalb Gespräche mit allen relevanten gesellschaftlichen demokratischen Gruppen zur Gründung eines entsprechenden Bündnisses aufnehmen.

Begründung:

Der ÖPNV soll mithelfen, für gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land zu sorgen. Er hat als Aufgabe der Daseinsvorsorge die örtliche Mobilität sicherzustellen, die erforderlich ist, um die Teilhabe aller Bevölkerungsgruppen am öffentlichen Leben zu ermöglichen.

Insbesondere ist die Mobilität im Nahbereich für folgende Aufgaben sicherzustellen:

  • Private Versorgung mit Waren und Gütern
  • Erwerbsmöglichkeiten
  • Gesundheitliche Versorgung
  • Erreichbarkeit von Verwaltungseinrichtungen
  • Kulturelle und gesellschaftliche Ereignisse
  • Freizeit und Erholung
  • Bildung

Ohne einen funktionierenden und bedarfsgerechten ÖPNV sind alle Bevölkerungsgruppen ohne Zugriff auf ein Auto von wichtigen gesellschaftlichen Möglichkeiten ausgeschlossen. Der motorisierte Individualverkehr fördert damit nicht die Mobilität, sondern gefährdet im Gegenteil den Zugang zu wichtigen gesellschaftlichen Leistungen für große Bevölkerungsgruppen. Dieser Effekt verstärkt sich durch die hohen Energiekosten. Die aus Klimaschutzgründen erforderlichen Kostensteigerungen für Energie sind nur dann sozial und gerecht, wenn entsprechende Angebote des ÖPNV für eine ausreichende Mobilität sorgen.

Nach dem Bundesklimaschutzgesetz muss der Verkehrssektor die Jahresemissionsmenge in Millionen Tonnen CO2-Äquivalent von 139 Millionen Tonnen 2022 auf 85 Millionen Tonnen 2030 senken. 2021 wurde trotz Corona die zulässige Jahresemissionsmenge mit 148 Millionen Tonnen um 3 Millionen Tonnen überschritten. Ohne ein entschlossenes Umsteuern werden die Klimaschutzziele beim Verkehr nicht zu erreichen sein. Auch deshalb ist eine Stärkung des ÖPNV alternativlos.

Mindestdichte des Haltestellennetzes

Ein zentraler Punkt für einen funktionierenden ÖPNV ist ein dichtes Netz an Zu- und Ausstiegsstellen. Wenn zur Benutzung des ÖPNV ein privates Kraftfahrzeug benutzt werden muss (z.B. zur Fahrt zum Bahnhof), werden viele Umstiege auf den ÖPNV nicht erfolgen. Weiter werden gesellschaftliche Gruppen ohne Auto von einer eigenständigen Mobilität ausgeschlossen.

Umfassende Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Planung der Angebote des öffentlichen Personennahverkehrs

Die Einbeziehung der potenziellen Nutzer sowie der Interessensgruppen in Planungen und Umsetzung ist ein Erfolgsrezept für einen zukunftsfähigen ÖPNV. Nur auf diesem Weg können die notwendigen Informationen zum Bedarf und zur Qualitätsverbesserung gewonnen werden.

Verkehrsverbund Niederbayern und Oberpfalz

In der beratenden Äußerung zum Weiterentwicklung der staatlichen Finanzierung vom November 2017 hat der Oberste Bayer. Rechnungshof auch Aussagen zu der Bedeutung und Anzahl der Verkehrsverbünde in Bayern gemacht. Verkehrsverbünde haben nach Ansicht des Obersten Bayer. Rechnungshofes eine hohe Bedeutung insbesondere bei der Verbesserung der Schnittstellen Stadt – Umland. Es wird vorgeschlagen, dass das Ziel einer kompletten Abdeckung des Staatsgebietes mit Verkehrsverbünden zeitnah umgesetzt werden soll. Für Bayern solle eine Zahl von 5 Verkehrsverbünden angestrebt werden. Damit ist ein Verkehrsverbund Ostbayern für die Regierungsbezirke Oberpfalz und Niederbayern zielführend.

Finanzierungs-, Planungs- und Organisationsverantwortung des Freistaates Bayern

Eines der Hauptprobleme bei der Weiterentwicklung des öffentlichen Personennahverkehrs ist die Zersplitterung der Verantwortlichkeiten auf verschieden Träger wie Landkreise oder den Freistaat Bayern. Die Finanzierungs-, Planungs- und Organisationsverantwortung muss sich in einer Hand befinden. Um für ganz Bayern einen vernünftigen ÖPNV zu erreichen, muss der Freistaat Bayern diese Aufgaben übernehmen. Durch eine weitgehende Einbindung der Bevölkerung sowie von gesellschaftlichen Gruppen und eine zwingende Abstimmung mit den betroffenen Kommunen werden die örtlichen Interessen gewahrt.

Die Finanzierung dauerhaft sichern

Die derzeitige Finanzierung des ÖPNV ist unübersichtlich und nicht nachhaltig. Es müssen neue Modelle wie etwa eine Nahverkehrsabgabe usw. diskutiert werden. Weiter ist der Abbau von umweltschädlichen und sozial ungerechten Subventionen möglich.

Beschäftigte beim ÖPNV

Gute Arbeitsbedingungen und Löhne sind für die Personalgewinnung und -haltung Grundvoraussetzung. Nur durch qualifizierte und engagiertes Personal kann der ÖPNV für die Zukunft ausgebaut und gesichert werden.

Rechtliche Rahmenbedingungen anpassen

Der ÖPNV muss in allen Entscheidungen vorrangig betrachtet werden. Die Stellplatzverordnung soll als generelle Verpflichtung abgeschafft werden. Gesetzliche Regelungen sollen den Kommunen weitere Möglichkeiten zur Verkehrsregelung und zur Mauterhebung schaffen.

Breites Bündnis für den ÖPNV

Bereits die derzeitigen Diskussionen zur Nachfolgelösung des 9-Euro-Tickets zeigen auf, dass Veränderungen in der Verkehrspolitik nur über breite Bündnisse möglich sind. Die SPD muss deshalb vorrangig Verbündete finden und gemeinsame Handlungsstrategien umsetzen.

 

G1 „Catcalling“ strafbar machen – JETZT!

31.03.2023

Im August des vergangenen Jahres startete die Studentin Antonia Quell eine Petition mit dem Titel „Es ist 2020. Catcalling soll strafbar sein.“ Die Petition wird mittlerweile von der UN Women, Pinkstinks Germany e.V. und The Female Company GmbH unterstützt. Doch worum geht es hier überhaupt?

Die allgemeine Definition des Catcalling betrifft jegliche übergriffigen, sexuell aufgeladenen Kommentare von Männern gegenüber Frauen. Darin enthalten sind Hinterherrufen, Hinterherpfeifen, abfällige Kommentare und andere obszöne Äußerungen und Geräusche. In einer Online-Befragung an der George Washington University gaben 809 von 811 befragten Frauen an, schon einmal Opfer von sexueller Belästigung auf der Straße gewesen zu sein. In anderen Studien global berichten 60-90% der Frauen, Catcalling mindestens einmal in ihrem Leben erlebt zu haben. Doch von Catcalling sind nicht nur Frauen im Sinne der Zweigeschlechtlichkeit betroffen. Oft beziehen sich die Äußerungen auch erniedrigend auf äußere Merkmale, sodass von Catcalling neben vor allem weiblich gelesenen Personen auch allgemein FLINTA*- (Frauen, Lesben, Inter-, nicht-binäre, Agender- und Transpersonen) betroffen sind. Genderforscher:innen bezeichnen Catcalling bereits im Jahr 1993 als eine Form männlicher Herrschaft, weiblicher Unterdrückung und einen Ausdruck patriarchaler Macht. Indem Catcalling nicht als Straftatbestand geahndet wird, wird suggeriert, dass die Körper von FLINTA*-Personen jederzeit verfügbar und kommentierbar sind, ihr Recht auf Privatsphäre wird verletzt und physische und geografische Mobilität eingeschränkt, da sie ihr Verhalten ändern, um Belästigungen auf der Straße zu vermeiden. Catcalling führt somit nicht nur zu Einschränkung im Alltag vieler FLINTA*, es hat auch weitere negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Betroffenen. Catcalling ist sexuelle Belästigung und damit Gewalt an FLINTA*. Die psychischen Folgen reichen von Angststörungen und Depressionen zu etlichen anderen gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Während es für die Täter meist keinerlei Konsequenzen gibt, haben Betroffene mit den Folgen von Catcalling also weit länger zu kämpfen als nur während der Vorfälle selbst.

Aktuell ist Catcalling nicht strafbar. Diese fehlende Strafbarkeit zeigt auch, dass sexualisierte Gewalt viel zu oft unbeachtet bleibt – gesellschaftlich wie rechtlich. Dies verstärkt die Normalisierung von sexualisierter Gewalt. Die einzige Möglichkeit Catcalling zur Anzeige zu bringen, ist aktuell über den Straftatbestand der Beleidigung. Die wissenschaftlichen Dienste des Bundestags haben dazu am 02. November 2020 einen Bericht abgeschlossen. Sie kommen darin zu dem Schluss, dass nach aktueller Rechtsprechung Catcalling nur dann unter Straftatbestand der Beleidigung fällt, wenn neben der sexuell motivierten Äußerung auch eine Beleidigung fällt, wenn also eine „Ehrverletzung“ zu erkennen ist. Somit fallen sexualisierte Äußerungen nicht unter Beleidigungen, sofern der Person nicht beispielsweise auch Geld oder anderes für ihre Sexualität geboten werden würden. Damit ist die Verfolgung von Catcalling als Straftat aktuell sehr schwer umsetzbar.

Catcalling ist aber generell nicht gleichzusetzen mit Beleidigungen, da schon allein die verbalen Äußerungen sexuell konnotiert sind und somit sexualisierte Gewalt darstellen. Für den Straftatbestand der sexuellen Belästigungen setzt die aktuelle Gesetzeslage allerdings eine körperliche Berührung voraus. Somit ist es für Betroffene fast unmöglich sich gegen Catcalling rechtlich zu wehren und Täter fühlen sich somit sicher in ihrem Handeln. Catcalling muss daher endlich aus der rechtlichen Grauzone gehoben werden und juristisch handfest gemacht werden. Betroffene müssen die rechtliche Sicherheit haben, gegen dieses Verhalten vorgehen zu können. Bereits verschiedene europäische Länder haben Catcalling explizit als Straftat eingestuft. In Belgien, Portugal und den Niederlanden beispielsweise ist Catcalling auch ohne Beisein von Polizist:innen (wie in Frankreich) strafbar. Catcalling wird hierbei als ungewollte Äußerung oder Gestik definiert, die sexuell konnotiert ist. Die vorgesehenen Strafen reichen von Geldstrafen bis hin zu einem Jahr Gefängnis.

Die Strafbarkeit von Catcalling wird diese weitverbreitete Form sexualisierter Gewalt allerdings nicht allein vermindern. Breite Aufklärungskampagnen sind dabei notwendig, um das Thema und deren negative Konsequenzen in das Bewusstsein der Öffentlichkeit und insbesondere ins Bewusstsein von Männern zu bringen.

Deshalb fordern wir:

  • Die Ergänzung von „geschlechtsspezifisch“ in § 46 II 2 StGB.
  • Eine entsprechende Anpassung des Strafgesetzbuchs, so dass Catcalling explizit einen Straftatbestand nach belgischem, niederländischem oder portugiesischem Vorbild darstellt. Die Auslegung des Tatbestands der Beleidigung (§ 185 StGB) sollte deshalb in der Rechtspraxis dahingehend geändert werden, dass nicht körperliche sexuelle Belästigungen, die die Herabwürdigung einer Person zum Sexualobjekt darstellen, als Kundgabe der Nichtachtung oder Missachtung dieser Person zu verstehen sind.
  • Die Schaffung eines Straftatbestandes, der weitere Formen der unzumutbar aufgedrängten Sexualität erfasst.
  • Catcalling muss eine breitere Öffentlichkeit finden. Wir fordern eine Aufklärungskampagne zu diesem Thema.

 

Zusätzlich zu der öffentlichen Kampagne muss das Thema bereits in der Schule thematisiert werden, damit Kinder schon früh lernen die körperliche Autonomie von FLINTA: zu respektieren. Dabei sollen insbesondere männliche Kinder und Jugendliche bezüglich ihrer Männlichkeitsbilder sensibilisiert werden.

S8 Blut ist Blut – Egal, ob rot oder bunt!

31.03.2023

 

„Ich bin schwul, darf heiraten, Kinder adoptieren und Organe spenden, aber mein Blut soll zu schmutzig zum Spenden sein?“

Damit muss in unseren Augen Schluss sein!

Trotz der gesellschaftlichen, sehr positiven Entwicklungen der letzten Jahre und Jahrzehnte gibt es immer noch Bereiche, in denen transgeschlechtliche genauso wie homosexuelle Menschen mittelbar oder unmittelbar diskriminiert werden. Hierzu gehört auch die Blut- und Plasmaspende. Bis in das Jahr 2017 war es für Homo-, Bi- und Transsexuelle überhaupt nicht möglich Blut und Blutbestandteile zu spenden. Erst mit der „Richtlinie zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen sowie zur Anwendung von Blutprodukten“ (Richtlinie Hämotherapie) aus 2017 ist es Männern, die Sex mit Männern haben (MSM) erlaubt, ihr Blut zu spenden, falls sie in den letzten 12 Monaten keinen Geschlechtsverkehr hatten. Im September 2021 wurde dies nach massivem Druck aus der Gesellschaft heraus auf vier Monate abgesenkt. Sofern die betroffenen Menschen allerdings nicht abstinent leben, werden sie daher praktisch trotz fehlender Sachgrundlage von der Blutspende ausgeschlossen. Für ein erhöhtes HIV-Risiko ist nämlich nicht die Sexualität entscheidend, sondern das individuelle Sexualverhalten. Diese aktuell geltenden vier Monate sind wissenschaftlich unverhältnismäßig, noch entsprechen sie der Lebensrealität vieler homo-, bi- und transsexueller Menschen. Eine ganze Bevölkerungsgruppe auf Grund von Stigmatisierung unter Generalverdacht zu stellen, ist eine offene Diskriminierung und sollte gesellschaftlich nicht mehr geduldet werden.

Darüber hinaus ist die aktuelle Regelung an einer weiteren Stelle unsinnig: Wieso sollten Menschen erst vier Monate nach einem „Risikokontakt“ spenden dürfen, obwohl jede Blutspende im Labor getestet wird und das HI-Virus nach sechs bis 12 Wochen sehr zuverlässig nachweisbar ist? Dies erweckt den Eindruck, dass der Ursprung des Blutspendeverbots noch bis heute in den antiquierten Ansichten einiger Mediziner:innen und Politiker:innen sehr präsent zu sein scheint: Denn dieses Verbot stammt noch aus Zeiten der AIDS-Krise in den 1980er Jahren und dass deshalb ein Verbot aufgrund der kaum vorhandenen medizinischen Vorkenntnisse und Behandlungsmöglichkeiten als Vorsichtsmaßnahme geschaffen wurde, ist vollkommen nachvollziehbar. Fast 40 Jahre später steht dies allerdings aufgrund der massiven Fortschritte in der Forschung und Medizin nicht mehr im Verhältnis zueinander und ist gleichzeitig noch weniger zeitgemäß, da wissenschaftliche und medizinische Erkenntnisse eine ganz andere Einschätzung der Situation heute zulassen.

Es ist Konsens, dass eine Blutspende sicher für Spender:innen und Empfänger:innen sein muss, jedoch basiert die aktuelle Richtlinie nicht auf einer Sachgrundlage, sondern auf Vorurteilen. Dies wird auch deutlich an Formulierungen wie „Transsexuelle Personen mit sexuellem Risikoverhalten“, welche Transsexualität direkt mit einem erhöhten HIV-Risiko in Verbindung setzt, wobei doch eigentlich klar sein sollte, dass die persönliche Geschlechtsidentität genauso wenig wie die individuelle Sexualität für oder gegen ein erhöhtes Risiko für eine HIV-Infektion spricht. Auch besteht kein Zusammenhang zwischen einer Transidentität und (risikoreichem) Sexualverhalten, da die Geschlechtsidentität von der Sexualität abzugrenzen ist, so auch in diesem Zusammenhang.

Auch wenn davon ausgegangen wird, dass Männer, die mit Männern Sex haben, statistisch häufiger von HIV betroffen sind, können HIV-Infektionen inzwischen nach 6 Wochen nachgewiesen werden. Dies zeigt, dass ein Wartezeitraum von vier Monaten vollkommen außerhalb jeglicher Proportion formuliert ist.

Es geht bei dieser Diskussion scheinbar auch nicht nur um die allgemeine Diskriminierung nicht Blut spenden zu dürfen, sondern auch um die diskriminierenden Erfahrungen die Schwule, Bisexuelle und Transsexuelle bei möglichen Blutspenden begegnen. Fragen nach der Sexualität kommen hierbei einem Zwangsouting gleich, das es in dieser Form nicht geben darf. Der Umgang und die Kommunikation der eigenen Sexualität sollte immer noch eine persönliche Entscheidung sein.

Aus diesen Gründen fordern wir als SPD Niederbayern die SPD-Verhandlungsgruppe im Bereich Gesundheit sowie die SPD-Bundestagsfraktion auf, im Laufe der Koalitionsverhandlungen eine komplette Abschaffung dieser diskriminierenden Regelungen für queere Menschen in den Koalitionsvertrag mit aufzunehmen und im Laufe der Legislaturperiode auch zu erwirken. Die Diskriminierung aufgrund der Hämotherapie-Richtlinie muss beendet werden. Dabei soll sie dahingehend geändert werden, dass Spender:innen nur auf Grund ihres individuellen Risikoverhaltens, nicht aber aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer Sexualität von der Blut- und Plasmaspende ausgeschlossen werden können. Hierbei ist entscheidend, dass nicht nur eine medizinisch sinnvollere Lösung gefunden wird, sondern auch respektvolle und diskriminierungsfreie Formulierungen verwendet werden. Gerade in Zeiten, in denen schlicht und ergreifend etliche Blutspenden fehlen, sollten wir die gesundheitlichen Aspekte vor konstruierten Diskriminierungen stellen und das Blutspendeverbot für Schwule, Bi- und Transsexuelle endlich abschaffen!