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S3 Künftige Finanzierung der Sozialversicherung - Umbau des jetzigen Systems

29.11.2018

Der SPD Ortsverein Marktredwitz beantragt, dass auf dem 71. ordentlichen Parteitag der BayernSPD folgendes Thema beraten wird:

Künftige Finanzierung der Sozialversicherung – Umbau des jetzigen Systems

S2 Gleichstellung pflegender Angehöriger

28.11.2018

Um dem Pflegenotstand in der häuslichen Pflege zu begegnen, wird die sofortige Gleichstellung von pflegenden Angehörigen mit den ambulanten Pflegestationen bei gleichen finanziellen Rahmenbedingungen beantragt.

Pflegende Angehörige die ihren Beruf aufgeben, oder seit dem 01.01.2018 ** aufgegeben haben, erhalten nach Ablauf des Leistungszeitraums für ALG I (2/3 ihres vorher verdienten Bruttogehaltes), sowie ab dem Folgemonat nach Ereigniseintritt, den Sachleistungsanteil der professionellen Pflege durch die Pflegekasse. Der pflegende Angehörige (Pflegeperson) muss sich selbst kranken- und rentenversichern.

A1 Arbeits- und Ausbildungsbedingungen aktiv gestalten.

28.11.2018

Letztes Jahr hat die OECD-Bildungsstudie erneut gezeigt, was schon lange bekannt ist: In Deutschland, gerade in Bayern, hängen die Bildungschancen vom Geldbeutel und der sozialen Herkunft der Eltern ab. 2015 war die Quote der Azubis mit Abitur zum ersten Mal höher als die der Azubis mit Hauptschulabschluss. 1,22 Millionen junge Menschen im Alter zwischen 20 und 29 Jahren haben keine abgeschlossene Ausbildung. Nur jede*r zweite Mittelschüler*in schafft direkt den Sprung von der Schule in die Ausbildung. Für Mittelschüler*innen bleiben in der bundesweiten Lehrstellenbörse der Industrie- und Handelskammern fast zwei von drei Angeboten von vornherein verschlossen.
Gute Ausbildung jetzt!
Neben der schnelleren Genehmigung der Arbeitserlaubnis muss es eine Ausbildungsgarantie auch für Geflüchtete gelten. Damit ist für uns auch selbstverständlich: keine Abschiebung der Geflüchteten während der Ausbildung!
Viele Unternehmen sehen hingegen in der Ausbildung einen wirtschaftlichen Nachteil.  Nur noch jeder fünfte Betrieb bildet einen oder mehrere Lehrlinge im dualen System aus.  Gleichzeitig klagt die Wirtschaft über den Fachkräftemangel. Deshalb fordern wir eine gesetzliche  Ausbildungsgarantie mit einer Mindestausbildungsvergütung : Alle Unternehmen mit über 10 Mitarbeiter*innen sollen dazu verpflichtet werden auszubilden. Betriebe, die nicht oder wenig ausbilden, sollen Umlagezahlungen an einen Ausbildungsfond entrichten und sich dadurch an den Ausbildungskosten beteiligen.

Die Qualität der Ausbildung ist nämlich ein zentraler Baustein für das weitere Arbeitsleben von jungen Menschen. Leider werden Verstöße gegen das Jugendschutzgesetz und Ausbildungsmängel viel zu selten geahndet, da die Kontrollen und das Personal dazu fehlen. Ausbildungsrahmenpläne werden nicht bekannt gemacht und eingehalten, Ausbilder*innen stehen den Auszubildenden nicht zur Verfügung und Auszubildende müssen ausbildungsfremde Tätigkeiten wie Kaffee kochen oder Brotzeit holen durchführen. 44 % der befragten Azubis des Ausbildungsreports der DGB Bayern berichten über regelmäßige Überstunden. Von den Jugendlichen unter 18 Jahren arbeiten 15 % regelmäßig über 40 Stunden pro Woche. Das Personal in der Gewerbeaufsicht muss aufgestockt werden! Der Freistaat sollte, anstatt bei Cannabis oder etwas Lärm beim Feiern, lieber bei Verstößen bei der Ausbildung hart durchgreifen. Schwierig ist die Situation vor allem in Ausbildungsbetrieben die zu klein sind für eigene Betriebsrats- und JAV-Strukturen. Wenn in deiner Ausbildung zum*zur Maler*in dein*e Ausbilder*in gleichzeitig dein*e Chef*in ist, an wen wendest du dich, wenn du nur als billige Hilfskraft eingesetzt wirst und ausbildungsferne Tätigkeiten ausführen sollst? Der Zugriff auf die Auszubildenden, unabhängig der Strukturen ihres Ausbildungsbetriebes sind die Berufsschulen. Dafür ist es sinnvoll, Auszubildendenräte in den Berufsschulen als Partizipationsmöglichkeit zu etablieren. Auch müssen Anlaufstellen für Auszubildende in der Berufsschulen gestärkt werden, um in Konflikten mit dem Betrieb zu vermitteln, bei der Kontaktaufnahme zu Kammern, Gewerkschaften oder Berufsinteressensvertretung zu unterstützen und gegebenenfalls gemeinsam gegen ausbeuterische Ausbildungsbetriebe vorgehen zu können. Berufskammern und Gewerbeaufsichtsämter sind personell so auszustatten, dass es gewährleistet ist, dass sie die Ausbildungsqualität mindestens einmal jährlich in den Ausbildungsstätten kontrollieren können. Aufgaben gilt es zu konkretisieren, Berufsbildungsausschüssen muss ein Anhörungsrecht eingeräumt werden und ein Unterausschuss zur Ausbildungsqualität etabliert werden. Den Gewerkschaften des DGB ist ein gesetzlich verankertes, regelmäßiges Zugangsrecht zur Information der Berufsschüler*innen während der Unterrichtszeit in den Klassen an allen Berufsschulen zu gewähren
In Betrieben, die die nötige Anzahl Mitarbeiter*innen haben, ist das wirksamste Mittel gegen eine schlechte Ausbildungsqualität eine starke Jugend- und Ausbildungsvertretung. Junge Arbeitnehmer*innen können selbst am besten beurteilen, was sie benötigen, und können sich so zu guten Fachkräften entwickeln. Wir fordern, die Mitbestimmungsrechte junger Arbeitnehmer*innen und der Jugend- und Auszubildendenvertretungen  in  den  Betrieben  und Berufsschulen gesetzlich  zu  stärken  und  die  Jugend- und Auszubildendenvertretungen  (JAV)  daher  mit  weiteren  Rechten  auszustatten. Dazu gehört, die Mitbestimmungsgrenze bis 25 Jahre zu streichen. Wer eine Ausbildung macht, muss unabhängig vom Alter das Recht darauf haben, die Jugend- und Auszubildenden Vertretung zu wählen oder für sie zu kandidieren. Die Anpassung des entsprechenden Gesetzestextes (Betriebsverfassungsgesetz, Dritter Teil, Jugend- und Auszubildendenvertretung) muss angestrebt werden.  Zudem  fordern wir  eine klare Regelung zu Teilfreistellungen mit einer festen Staffelung  von  Teilfreistellungen  für  Jugend- und  Auszubildendenvertreter*innen, die jedoch nicht mit dem Ziel, einen Berufsabschluss zu erreichen, kollidieren dürfen und daher beschränkt bleiben müssen.
Unabdingbar ist es, gesetzlich zu verankern, dass auch Dual Studierende die JAV wählen dürfen, um gleichgestellt mit Auszubildenden eine Interessensvertretung und Ansprechpartner*innen zu haben.
Eine gute Ausbildung findet nicht nur im Betrieb, sondern auch an den Berufsschulen statt. Diese geben leider meistens ein trauriges Bild ab: Kaputte Zimmer und Sanitäranlagen, veraltete Lehrmaterialien oder undichte Fenster sind keine Seltenheit. Wenn wir gute Fachkräfte wollen, dürfen wir nicht in der Bildung sparen und Berufsschulen so sanieren und gestalten, dass sie tatsächlich Orte zum Lernen werden! Dafür müssen die Kommunen finanziell so ausgestattet werden, dass sie diese Aufgabe wahrnehmen können.
Zudem muss die Rückkehrpflicht in den Betrieb nach der Berufsschule unabhängig vom Alter  der*des Auszubildenden abgeschafft werden. Berufsschulwochen sollen wie die vertraglich vereinbarte Wochenarbeitszeit berücksichtigt werden.
Kostenfreies  Lernen  ist  für  uns  nicht  nur  eine  Forderung  für  die  Gestaltung  des  Lernens  an allgemeinbildenden   Schulen.  Auch   die  Berufsausbildung   sowie   das   duale   Studium sollen kostenfrei angeboten werden.
Selbiges gilt auch für Weiterbildungen: Lebenslangem Lernen wird heute extrem hohe Bedeutung zugemessen. Daher muss vom Landtag die Forderung nach der Kostenfreiheit von Meister- und Technikerausbildung beschlossen und unterstützt werden.
Gute Ausbildung braucht Zeit! Eine qualifizierte Ausbildung zu verantwortungsvollen Facharbeiter*innen  dauert  mindestens  drei  Jahre, denn sie  bildet nicht nur die Basis für eine interessantere und abwechslungsreichere Tätigkeit;  Gut qualifizierte Ausgebildete werden auch deutlich seltener erwerbslos als gering Qualifizierte. Dies kann eine zweijährige, vermeintlich “billigere“ Ausbildung,  wie sie viele Arbeitgeber*innen und das Wirtschaftsministerium anstreben, nicht leisten So eine  „Kurzausbildung“ sorgt nicht für die erforderliche umfassende Kompetenzvermittlung. Außerdem darf nicht dem Druck der*des Arbeitgebers*in nachgegeben werden und eine Modularisierung der Ausbildungsberufe muss verhindert werden. Die Modularisierung ist ein Mittel, die 3-jährige Berufsausbildung zu kürzen und an den einzelnen Betrieb anzupassen, was dem ursprünglichen Zweck widerspricht, dass Jugendliche für einen ganzen Beruf, keinen einzelnen Betrieb ausgebildet werden sollen.“
Zeit braucht es auch zum Lernen! Auszubildende  sollen  genügend  Zeit  haben,  um  sich  auf  ihre  Prüfung  vorbereiten  zu  können, deshalb sollen sie fünf Tage Sonderurlaub vor ihrer Abschlussprüfung bzw. gestreckten Prüfung bekommen.  Analog  dazu  müssen  auch  dual  Studierende  für  ihre  abschlussnotenrelevanten Prüfungen angemessen freigestellt werden.
Schlussendlich ist Sicherheit für Beschäftigte ein wichtiger Aspekt. Gerade für Jugendliche spielt die Frage, ob ein Beschäftigungsverhältnis über die Ausbildung hinaus bestehen bleibt, eine gewichtige Rolle. Entscheidungen wie der Bezug einer Wohnung oder das Gründen einer Familie werden immer auch maßgeblich von der beruflichen Sicherheit geprägt, ebenso wie größere, immobile Investitionsentscheidungen. Wir fordern deshalb eine allgemeine Übernahmeverpflichtung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Gerade kurzfristige Ankündigungen hinsichtlich der Übernahme führen bei vielen Auszubildenden zu unnötig großer Unsicherheit und üben Leistungsdruck aus. Entsprechend fordern wir eine Ankündigungsfrist bei geplanter Nichtübernahme: Wird ein*e Auszubilden-de*r nicht übernommen, so muss dies ein Jahr vor Beendigung des Ausbil-dungsverhältnisses mitgeteilt werden und entsprechend durch wichtige Gründe erläutert werden. Lässt der*die Arbeitgeber*in diese Frist verstreichen, so besteht der Rechtsanspruch auf eine unbefristete Stelle in Vollzeit für den*die Auszubildende.
Unterstützung der Auszubildenden neben der Ausbildung
Selbst, wenn ein guter Ausbildungsplatz ergattert werden konnte, sind die Probleme noch längst nicht gelöst. Viele müssen noch daheim bei ihrer Familie wohnen, da ihre (Ausbildungs)vergütung nicht für eine eigene Wohnung und der Bezahlung für den Weg zur Arbeit reicht.
Es kann nicht sein, dass Auszubildende, die in Vollzeitausbildung erheblich zum Betriebserfolg beitragen, so wenig verdienen, dass sie sich ihr Leben damit alleine nicht leisten können. Die Ausbildungsvergütung muss Auszubildenden ein eigenständiges Leben und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in allen Facetten ermöglichen. Daher fordern wir die Einführung einer  gesetzlichen, flächendeckenden Mindestausbildungsvergütung mindestens in Höhe des vollen, aktuellen Studierenden-BAföG-Satzes.
Von Jugendlichen und jungen Erwachsenen wird vermehrt ein hohes Maß an Mobilität gefordert. Gerade Berufsschüler*innen sind durch die duale Ausbildung mit dem Wechsel zwischen Wohnort, Arbeits- und Schulstätte einem immer länger werdenden Weg bei der Ausbildung ausgeliefert. Dass die dadurch entstehenden Kosten in den allermeisten Fällen von den Auszubildenden selbst getragen werden müssen, stellt einen unzumutbaren Zustand dar! So zeigt der Ausbildungsreport der DGB-Jugend, dass Auszubildende im Durchschnitt 669 Euro im Jahr für Fahrtkosten im Rahmen ihrer Ausbildung aufbringen. Wir fordern deshalb die Einführung eines bayernweiten Schüler*innen-, Auszubildenden- und Studierendentickets. Dies hat steuerfinanziert zu erfolgen und muss Fahrten sowohl in den bayerischen Nahverkehrszügen als auch im örtlichen ÖPNV ermöglichen.
Was für Studierende schon Gang und Gebe ist, muss endlich auch bei Auszubildenden umgesetzt werden. Wenn das Geld nicht für eine eigene Wohnung reicht, gibt es die Möglichkeit für sie in ein Studierendenwohnheim zu ziehen.  Auch  ausreichend Angebote  an Auszubildendenwohnheimen  sind nötig, um den Schritt in die Selbstständigkeit zu ermöglichen.

Gute Arbeit
Noch  immer  gibt  es reale  Lohnunterschiede  zwischen  Frauen  und  Männern  bei  gleichwertiger Tätigkeit  (Gender  Pay  Gap)  und  eine  generelle  Schlechterstellung  von  typisch „weiblichen“ Berufen. Stereotype    und    klassische Rollenbilder müssen daher aufgebrochen werden und gleicher Lohn für gleiche Arbeit gelten!  Wir fordern  die  verpflichtende  Angabe  des Gehaltes  bzw.  der  Eingruppierung  bereits  in  den  Stellenausschreibungen.  Ebenso  darf  keine pauschale  Ausgrenzung von Bewerber*innen ohne Berufserfahrung erfolgen. Berufserfahrung als Voraussetzung muss die Ausnahme sein und in der Stellenausschreibung begründet werden.
Wir  fordern  daher  die Einführung  von  gesetzlich  festgeschriebenen  anonymisierten  Bewerbungsverfahren.  Vor  dem ersten  persönlichen  Kontakt  zwischen  Arbeitgeber*innen  und  Arbeitnehmer*innen  soll  der einstellende Betrieb keine Informationen über Name, Alter, Geschlecht, Herkunft oder mögliche Behinderungen erhalten. Ebenso sind den Bewerbungen nicht länger Fotos beizufügen.
Da sachgrundlose Befristungen vielfach dazu missbraucht werden,  eine  Art  “Probezeit“  zu  generieren,  die  faktisch  weit  über  die  gesetzlichen  6  Monate hinausgeht,  fordern  wir  die  Abschaffung sachgrundloser  Befristungen.  Die  Sachgründe  für mögliche  Befristungen müssen  so eng wie  möglich definiert werden, um einen Missbrauch zu verhindern. So ist es nicht einzusehen, weshalb Berufseinsteiger*innen nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz befristet eingestellt werden können. Dies betrifft junge Menschen besonders häufig, laut statistischem Bundesamt sind über 56 Prozent der befristet Beschäftigten unter 30. Der Übergang in eine Anschlussbeschäftigung wird dadurch nicht erleichtert – im Gegenteil – die „Generation befristet“ wird manifestiert. Befristungen erhöhen bei einem Stellenwechsel sowohl das Risiko wieder befristet beschäftigt zu werden, als auch das Arbeitslosigkeitsrisiko. Insbesondere befristete Stellen im öffentlichen Dienst erhöhen das Risiko von Befristungsketten.
Ebenso unnötig ist der Sachgrund der Erprobung in § 14 Abs. 1 Nr. 5 Teilzeit- und Befristungsgesetz, die Probezeit ist zu diesem Zwecke völlig ausreichend.
Dies gilt auch für die weitere Einschränkung und Regulierung von Leiharbeit und Werkverträgen. Das Normalarbeitsverhältnis muss wieder normal werden – damit junge Leute planen können! Das Mittel der Leiharbeit muss wieder auf seinen ursprünglichen Sinn und Zweck zurückgeführt werden: der Abdeckung von Auftragsspitzen. Da Arbeitnehmer*innen in Leiharbeit jedoch genauso viel leisten wie die Stammbelegschaft muss verpflichtend festgeschrieben werden, dass beide die gleiche Entlohnung und die gleichen Sonderzahlungen beziehen. Leiharbeiter*innen sind keine Arbeiter*innen zweiter Klasse. Sie werden in Zeiten florierender Auftragslagen eingesetzt und können somit leicht fair entlohnt werden. Zur Unterbindung eines dauerhaften Leiharbeitseinsatzes gilt es, Leiharbeiter*innen nach einem Jahr in die Stammbelegschaft unbefristet zu übernehmen.
Wichtig ist ebenso, dass die Landesregierung mit gutem Beispiel voran geht und als Voraussetzung für öffentliche Vergaben und Förderungen die Innerbetriebliche Mitbestimmung und Tariftreue festlegt.
Positive Beispiele von Betriebs- und Personalratsarbeit sollten von der Landesregierung gewertschätzt und öffentlich gewürdigt werden, beispielsweise beim Erhalt der Standortsicherheit oder kreative Innovationen die zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen geführt haben.
Um gezielt gegen die Verhinderung von Betriebswahlen und Betriebsratsarbeit vorgehen zu können, sollen Schwerpunktsstaatsanwaltschaften zur juristischen Verfolgung gebildet werden.
Gute Arbeit lebt von einer gut ausgestatteten Arbeitnehmer*innenvertretung. Betriebs- und Personalräte vertreten die Interessen der Arbeiter*innen gegenüber der Gegenseite und brauchen dafür auch geeignete Mittel, um auf gleicher Augenhöhe agieren und das Bestmögliche für diejenigen, die sie vertreten, herauszuholen. Informations und Mitbestimmungsrechte dürfen nicht nur auf dem Papier stehen, sie müssen in der Realität auch eingefordert werden dürfen, auch mit dem Mittel von Sanktionsrechten. Vor allem im Bereich der prekär Beschäftigten innerhalb eines Betriebs wie Leiharbeitsverträgen sind die Befugnisse der Arbeitnehmer*innenvertretung besonders wichtig und ihre Befugnisse auszuweiten und zu verfestigen. Dazu gehört die Präzisierung des Informationsrechts sowie die Anrechnung von im Betrieb eingesetzten Leiharbeitnehmer*innen zur Größe des Betriebsrates. Außerdem braucht es ein echtes Mitbestimmungsrecht. Der Betriebsrat muss den von der*dem Arbeitgeber*in angegebenen Bedarf von Leiharbeitnehmer*innen bestätigen und deren Einsatz zustimmen. Der Betriebsrat muss über die Vergabe von „Gewerken“ an Fremdfirmen mitbestimmen können und den Einsatz von Fremdfirmen verweigern können.

Betriebliche Mitbestimmung muss auch in die Lage versetzt werden, die über Werkverträge „innerbetrieblich ausgelagerten“ Teile der Wertschöpfungsprozesse im Unternehmen wieder – zumindest mittelbar – in ihren Vertretungsbereich zu integrieren und die dort herrschenden Arbeitsbedingungen zu thematisieren. Daher fordern wir die Einführung der Mitbestimmungspflicht des Betriebsrates beim Abschluss von Werkverträgen.
Planen können ist in Zeiten, in denen die Familienplanung ansteht oder nahe Angehörige gepflegt werden müssen oftmals schwierig. Zur  Gestaltung  flexibler  Arbeitszeitmodelle  fordern  wir  deshalb  verschiedene  Punkte  und Regelungen:

  • Einführung einer Arbeitsversicherung zur Absicherung längerer Auszeiten, wobei während der Beschäftigung  ein  Zeitguthaben  angespart  wird  und  eine  finanzielle  Absicherung  für  Zeiten reduzierter Arbeitszeit besteht.
  • Arbeitszeitkonten  für  alle  Arbeitnehmer*innen,  um  eine  Kontrolle  gesetzlicher  Vorgaben  und tariflicher  Vorgaben  gewährleisten  zu können  und  Beschäftigten  einen  Überblick  über ihre Arbeitszeit zu
    bieten.
  • Weiter  sind  flexible  und  individuelle  Lösungen  von  Arbeitszeitmodellen  gerade  da  bisher möglich,  wo  Arbeitnehmer*innen  Mitbestimmungsmöglichkeiten  haben.  Dort  wo  es  keine betrieblichen oder tariflichen Regelungen gibt, muss es Initiativen und Anreize geben, solche zu schaffen.

Weiterbildung ist ein zentrales Element in der heutigen Arbeitspraxis. Aus diesem Grund müssen verbindliche   Qualitätsanforderungen   für   die   Lernprozessgestaltung   beschrieben   werden, beispielsweise   durch   die   Verankerung   eines   Fortbildungsrahmenplanes,   analog   zu   den Rahmenplänen in der beruflichen Ausbildung. Bildungsanbieter*innen in  der beruflichen Fortbildung sollten  zukünftig  ein  anerkanntes  Qualitätssicherungssystem verpflichtend anwenden.  Ein Beratungsangebot zum Fortbildungsziel, über Prüfungsstruktur, Prüfungsablauf, Prüfungsmethoden und über die Zulassungsvoraussetzungen zur Prüfung  muss von der*dem Bildungsanbieter*in sichergestellt werden.  Der Anspruch auf zehn Tage Bildungsurlaub muss endlich auch in Bayern gelten! Damit wird man endlich der  Stärkung  der ehrenamtlichen Arbeit gerecht. Wer sich  ehrenamtlich engagiert darf keine Nachteile in Ausbildung und Arbeit fürchten.
Die Struktur des Arbeitsmarktes wird sich in den kommenden Jahren vor allem im Zuge der Digitalisierung verändern, die Arbeitsplätze in der Industrie werden weniger. Andere Bereiche werden jedoch mit Sicherheit wachsen: der Bedarf an Personal in den Sozial- und Gesundheitsberufen kann schon jetzt nicht gedeckt werden. Die Berufe sind vor allem wegen der schlechten Bezahlung und der hohen Arbeitsbelastung unattraktiv.
Eine zentrale gesellschaftliche Aufgabe wird es in den kommenden Jahren sein, diese Berufe attraktiv zu machen. Die Kommunen, Bezirke und Länder sind oftmals Träger von sozialen Einrichtungen, Krankenhäusern und Kinderbetreuungseinrichtungen. An dieser Stelle kann direkt Einfluss auf Arbeitsbedingungen und Entlohnung genommen werden. Jedoch müssen auch in Bereichen der freien Träger Verbesserungen erzielt werden. Auch das ist Aufgabe der öffentlichen Hand, da diese deren Tätigkeiten finanziert.
Der öffentliche Dienst, mit dem Arbeitgeber Freistaat Bayern, hat Vorbildcharakter. In den letzten Jahren kommt es jedoch auch hier zu einer immer weiteren Verdichtung von Arbeit. Der Freistaat Bayern muss der Verantwortung gerecht werden und für ausreichende Personalausstattung sorgen und über die Erhöhung der Mittel im Haushalt des Freistaats Bayern die Kommunen in der Umsetzung unterstützen. Der öffentliche Dienst darf nicht kaputt gespart werden!
Auch bei der Vergabe öffentlicher Aufträge kommt der öffentlichen Hand als Auftraggeber*in eine Vorbildfunktion zu. Deshalb muss auch auf Landesebene in Bayern endlich ein „Tariftreue- und Vergabegesetz“ eingeführt werden, dass die Vergabe öffentlicher Aufträge an die Einhaltung von Tarifbindungen, Mindestlohn sowie Arbeitsschutz- und Nachhaltigkeitsstrategie bei der Auftragnehmer*in koppelt.
Die Vorbildrolle des Bundeslandes beschränkt sich jedoch nicht nur auf den öffentlichen Dienst. Auch in der aktiven Arbeitsmarktpolitik muss eine Vorreiterrolle ernstgenommen werden. Der öffentliche Beschäftigungssektor bietet die Möglichkeit, Menschen, die über jahrelange Arbeitslosigkeit ins Abseits der Gesellschaft gestellt wurden, zu Erwerbsarbeit und somit zur Teilhabe zu verhelfen. Dafür müssen die Kommunen mit finanziellen Mitteln des Landes ausgestattet werden. Dies bietet die Möglichkeit, Menschen die hoffnungslos in Harz IV und ab Erreichen des Rentenalters oder bei Arbeitsunfähigkeit SGB XII beziehen, zu Sozialversicherungspflichtiger Anstellung zurück zu kommen.
Wir Jusos treten dafür ein, den Sonntag für so viele Menschen wie möglich arbeitsfrei zu gestalten. Daher lehnen wir im besonderen auch die Sonntagsöffnung im Einzelhandel ab. Gemeinsam mit Kirchen und Gewerkschaften kämpfen wir gegen Initiativen von Supermarktkonzernen und Marktradikalen den Sonntag weiter hin zu einem normalen Werktag zu wandeln. Der Einsatz gegen die Sonntagsöffnungen beinhaltet für uns ebenso den Kampf gegen verkaufsoffene Sonntage. Hier wollen wir darauf hinwirken, dass sich Kommunalpolitiker*innen der SPD solidarisch mit Gewerkschaften sowie den Beschäftigten im Einzelhandel verhalten und sich gegen verkaufsoffene Sonntage einsetzen.

I1 Direkte Demokratie

28.11.2018

Einleitung und Begriffsdefinitionen
In ihrer extremen Ausführung ist das Prinzip der direkten Demokratie als spezifischer Typus politischer Herrschaft, in dem politische Macht allein und direkt durch die Gesamtheit der abstimmungsberechtigten Bürger*innen und nicht durch einzelne oder wenige Repräsentanten oder Amtsträger verbindlich ausgeübt wird zu sehen, stellt hierbei einen Kontrast zur repräsentativen Demokratie dar. Dagegen steht eine gemäßigteres und realitätsnäheres Konzept, das die direkte Demokratie als politisches Entscheidungsverfahren, bei dem Bürger*innen politisch-inhaltliche Sachfragen auf dem Wege der Volksabstimmung selbstständig und unabhängig von Wahlen entscheiden sieht. Diese wohl vertrautere Ausübung ist nicht das Gegenteil einer repräsentativen Demokratie, sondern integriert konstruierte Entscheidungsverfahren als ergänzende Instrumente politischer Beteiligung in unterschiedlicher Ausgestaltung in eben diese.
Analyse

a) Themensetzung

Bei der Debatte um plebiszitäre Elemente ist die Frage nach der Themensetzung essentiell. Was sind geeignete Themen und welche sind relevant genug, um einen Vorteil aus einem Volksentscheid zu gewinnen? Ein Referendum gilt generell als eine progressive Art der Entscheidungsfindung und viele Menschen erhoffen sich von diesem eine direkte Mitbestimmungsmöglichkeit, die dem schwerfälligen politischen Diskurs moderne Reformen entgegensetzt. Die Erfahrung mit den bisher existierenden direktdemokratischen Systemen, wie etwa in der Schweiz, zeigen jedoch, dass dies nicht der Fall ist. Im Gegenteil wird sogar häufig die Reformfähigkeit gebremst. Die Themensetzung ist oft eher von konservativer Art und unterstützt somit eine Abkehr von progressiver Politik und stellt meist auch einen Rückschritt vom Status Quo dar. In der Schweiz zeigt sich dies besonders am Abbau des Sozialstaates und bei Fragen, die gesellschaftliche Minderheiten betreffen. Die Themensetzung dreht sich dabei stark um die Verringerung von Steuern, Einsparungen bei sozialen Maßnahmen und um populistische Zuspitzungen bei Migrationsfragen. Bei dieser eingeschränkten Themensetzung spielen sozialdemokratische Werte oft keine Rolle. Dies hat zur Folge, dass eher neoliberale oder populistische Themen statt Fragen der sozialen Gerechtigkeit diskutiert werden. Es müssten an dieser Stelle Mechanismen im System eingebaut werden, die eine solche Verengung der Themensetzung verhindern und den Fokus mehr darauf legen, wie eine sozialere und gerechtere Gemeinschaft ermöglicht werden kann. Vor allem Probleme und Anliegen ökonomisch Benachteiligter und Minderheiten finden sich häufig nicht in Volksabstimmungen wieder.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Probleme unserer Zeit durch eine enorm hohe Komplexität gekennzeichnet sind. Viele wichtige Themen lassen sich nicht in dem engen Rahmen einer Volksabstimmung behandeln, da in solchen nur zwischen Ja oder Nein entschieden werden kann. Wichtige Sachverhalte würden vereinfacht oder gar rausgelassen werden.
Zu Volksentscheiden werden oft Themen, die gerade kontrovers und auch emotional diskutiert werden, vorgeschlagen. Eine fundierte Entscheidung setzt allerdings einen längeren Willensbildungsprozess und verfügbare Informationen voraus. Dies steht einer schnellen Abstimmung, wie oft gefordert, entgegen. Bei Entscheidungen mitten in der Debatte besteht die Gefahr einer Überlagerung durch Emotionen. Ein weiterer Aspekt ist, dass die Gestaltungsmöglichkeit politischer Parteien durch die häufige Anwendung von Volksentscheiden auf Bundesebene stark beeinträchtigt wird. Große Themenkomplexe benötigen langfristig angelegte Lösungsansätze und eine auf verschiedenen Ebenen abgestimmte politische Strategie. Werden Volksentscheide zur Regel, besteht für Parteien die Notwendigkeit, permanent Wähler*innen für die jeweils nächste Abstimmung zu mobilisieren. Dies bindet sowohl Personen als auch finanzielle Mittel, die bei der Bearbeitung wichtiger Themen fehlen. Es ist zu befürchten, dass es für Parteien unattraktiv wird, sich langfristigen gesellschaftlichen Projekten zu widmen, da permanent die Gefahr eines negativen Votums droht. Gesellschaftliche Visionen verlieren damit zunehmend an politischer Bedeutung.

b) Kampagnenfähigkeit

Bei Menschen, die von „der Politik“ frustriert sind, findet sich oft die Meinung, Politiker*innen würden nicht die Probleme „des Volkes“ kennen, sondern nur den eigenen Vorteil suchen. Daraus wird abgeleitet, dass eine direkte Demokratie, beispielsweise in Form von Volksentscheidungen auf Bundesebene, die Bürger*innenmeinung reeller vertreten würde. Doch dem ist nicht so. Nimmt man an, es gäbe einen Volksentscheid und man möchte für die eigene Meinung werben, so bräuchte man einerseits eine funktionierende Lobby, die diese Meinung teilt, großflächig unterstützt und dafür wirbt. Andererseits braucht es auch große finanzielle Mittel, um die eigene Werbung sinnvoll und großflächig zu verbreiten. Die Möglichkeit einer solchen Lobby und großer finanzieller Mitteln sind nicht jedem Menschen, der eine Meinung zu dem entsprechenden Thema hat, gegeben. Hier würde nur eine Meinung wirklich groß verbreitet werden: Die Meinung derer, die das Geld haben, um dafür breit zu werben. Das ist ungerecht und entspricht nicht unserer Auffassung einer Gesellschaft, in der jede*r sich zu politischen Themen äußern darf und soll. Jede Meinung ist dabei gleichwertig und verdient es, gehört zu werden.
Zudem stellt sich das Problem, dass die verfügbare Auswahlmöglichkeit zu politischen Entscheidungen sehr begrenzt wird. Politik ist nicht unbedingt das Durchsetzen der eigenen Meinung, Politik bedeutet auch das Aushandeln von Kompromissen und dadurch das Finden einer Lösung, mit der sowohl Gegner*innen als auch Befürworter*innen der zu fällenden Entscheidung leben können.
Diese Möglichkeit der Kompromissfindung gibt es in der direkten Demokratie nicht. Hier heißt die Antwort entweder Ja oder Nein – für Kompromisse kann es keinen Spielraum geben. So kann Politik nicht funktionieren.
Ein weiteres Problem des fehlenden Kompromisses ist das Nicht-Wahrnehmen von Minderheitenmeinungen. Bei einer Kompromissfindung ist es möglich, durch einige Umlenkungen auch diese zu berücksichtigen. Das kann in der direkten Demokratie nicht mehr funktionieren, da diesen einfach keine Plattform geboten wird.
Auch die Themen, über die entschieden wird, sind in einer direkten Demokratie nur die großen Mehrheitsthemen. Wichtige Themen, die vielleicht nicht die Mehrzahl der Bevölkerung betreffen, aber für eine Minderheit eine extreme Bedeutung besitzen, werden nicht auf die Agenda kommen.
Allgemein finden nur die Themen einen Platz in der öffentlichen Meinungsbildung, deren Vertreter*innen die oben erwähnte Lobby bzw. die finanziellen Mittel besitzen. Über deren Themen wird abgestimmt. Viele Bürger*innen verfügen nicht über die finanziellen Mittel und eine ausreichende Organisationsstruktur, um über direktdemokratische Verfahren angemessen an der Entscheidungsfindung zu partizipieren.

c) Soziale Selektion

Volksentscheide leben von der Wahl für oder gegen eine Entscheidung. Beide Alternativen werden nicht nur von Interessengruppen unterstützt, sondern meist sogar erst von diesen gebildet.
Aufgrund von Unterschieden in Vernetzung, finanzieller Ausstattung und Hintergrundwissen
verfügen diese oft nicht über die gleichen Möglichkeiten der politischen Einflussnahme. Damit einhergehend fällt es diesen Gruppen relativ leicht, politische Themen im Rahmen von Volksentscheiden ihren Interessen entsprechend zu formulieren und die öffentliche Meinung dahin zu beeinflussen. Diese strukturelle Überlegenheit steht im krassen Widerspruch zu dem grundgesetzlich garantierten Recht auf gleiche demokratische Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung.
Diese Dynamik wird für Gruppen, die über wenig Ressourcen verfügen, zum Problem: Eigene Themen im öffentlichen Diskurs zu setzen, ist damit sehr schwierig. Sich gegen einmal gesetzte Themen bei Volksentscheiden aus dieser Position heraus erfolgreich zur Wehr zu setzen, ist nahezu unmöglich. Gestaltungsmöglichkeiten werden unangemessen stark eingeschränkt. Das Bekenntnis zum Rechtsstaat verpflichtet jedoch zum Minderheitenschutz.
Die zwei Alternativen einer Volksentscheidung stehen sich daher nicht gleichberechtigt gegenüber, vielmehr prädestinieren faktische und soziale Verhältnisse, die lange vor dem Entscheid selbst geschaffen worden sind, ihren Ausgang.
Durch den Einsatz von Finanzen und Lobby verfestigen sich bestehende exklusive Machtstrukturen. Diejenigen, die bereits über Macht verfügen, können diese auf lange Zeit festigen und ausbauen. Wer bislang nicht so großen Einfluss besitzt, hat nur geringe Möglichkeiten, seine*ihre politische Partizipation zu vergrößern.

d) Legitimationsgrundlage Bürger*innenwillen?

Befürworter*innen der direkten Demokratie führen oft an, dass durch Volksentscheide der Wille der Bürger*innen unverstellt abgebildet werde und einen Gewinn für die demokratische Gesellschaft darstelle. Fraglich ist, ob dies tatsächlich so zutrifft.
Bei der Frage nach der Abbildung des Bürger*innenwillens darf nicht beim Entscheid als solchen stehen geblieben werden, sondern es muss gerade die entscheidende Vorlaufphase genauer betrachtet werden. In dieser Phase der Meinungsbildung versuchen alle Gruppen, Einfluss auf die Bürger*innen im Sinne ihrer Kampagne zu nehmen. Hierbei kommen vor allem die unterschiedlichen strukturellen Ausstattungen zum Tragen: ein Mehr an Finanzen und sozialer Vernetzung ermöglicht eine stärkere Präsenz der entsprechenden Interessengruppe. Im Zeitpunkt der Entscheidung wird der*die Wähler*in im Zweifel zur bekannteren Alternative neigen. Dazu kommt, dass oftmals diejenigen, die der Meinung sind, dass diese Frage sie ohnehin nicht betrifft, sich gar nicht beteiligen. Der Bürger*innenwille wird also bei einem Volksbegehren keineswegs direkt, sondern unter Umständen sogar sehr verzerrt abgebildet.
Auch können Erwägungen außerhalb der Sachfrage eine starke Eigendynamik entfalten. Die Erfahrung zeigt, dass bei Abstimmungen über Projekte im kommunalen Bereich die Bürger*innen grundsätzlich seltener erreicht und mobilisiert werden können. Emotionen, wie Wut und Empörung, motivieren nicht nur zur Teilhabe, sondern beherrschen auch die Diskussion und schließen so sinnvolle Alternativen aus.
Inhaltlich führt die auf Ja oder Nein beschränkte Diskussion in der Sachfrage in der Regel zu weiter gehenden, teils populistisch eingefärbten, Vereinfachungen. Komplexe Zusammenhänge lassen sich, anders als im parlamentarischen Verfahren, nicht in allen Dimensionen darstellen und berücksichtigen. Vor allem, wenn die Stimmung in der Bevölkerung von der Wahrnehmung einer Krisensituation geprägt ist, können sich Positionen durchsetzen, die unter “normalen” Umständen keine Mehrheit finden würden. Dass diese Gefahr real ist, zeigt sich zum Beispiel im Anstieg der Popularität von rechtsextremen und populistischen Positionen ab Sommer 2015, wie es die Mitte-Studie aufzeigt (https://www.boell.de/de/2016/06/15/die-enthemmte-mitte-studie-leipzig).
Neben der gesteigerten Akzeptanz „populistischer“ Ansätze schließt die Sachfrage, die auf nur zwei Lösungen zugeschnitten ist, die Diskussion darüber hinausgehender Lösungsmöglichkeiten aus. In dieser Situation besteht keine Möglichkeit, einen Kompromiss zu erreichen.
Diese Punkte zeigen, dass direktdemokratische Verfahren bei der Abbildung des Wähler*innenwillens besonders zugänglich für sachfremde Gründe (z.B. Emotionen, Populismus oder Verkürzungen) sind. Das Ergebnis vieler Volksentscheide hängt so oftmals von der aktuellen Stimmungslage ab.

e) Scheinbeteiligung

In der Regel ist der Erfolg von Volksentscheiden von der Aktualität des Themas abhängig. Die Bürger*innen können sich somit aktiv in aktuelle politische Entscheidungen einbringen, auch wenn die nächsten Wahlen erst in mehreren Jahren stattfinden. Dadurch entsteht jedoch eine Scheinbeteiligung der Bürger*innen, da sie zwar über aktuelle Themen abstimmen und so kurzfristige Entscheidungen treffen, nicht aber nachhaltig Politik prägen können. Eine solche Entscheidung kann dann zudem nicht ohne Weiteres nachträglich korrigiert werden, auch wenn dies durch eine mittel- oder langfristige Veränderung der Situation nötig wäre. Außerdem führt es zu einer Abwertung des Parlaments, wenn aus Volksentscheiden langfristig gültige Gesetze hervorgehen. Könnte hingegen das Parlament Gesetze aus Volksentscheiden jederzeit einschränken, entkräften oder gar rückgängig machen, würde dies endgültig zu einer Scheinbeteiligung führen.

Argumentation

  • “Medien manipulieren die Meinungsbildung der Bürger*innen.” Befürworter*innen von mehr direkter Demokratie argumentieren oft mit einer scheinbaren Manipulation durch Medien. Diese würde angeblich durch mehr direkte Beteiligung an Abstimmungen unterbunden werden. Medien nehmen zwar Einfluss auf den Meinungsbildungsprozess – das ist sogar auch Teil ihrer Aufgabe – aber dies ist unabhängig von repräsentativen oder direktdemokratischen Partizipationsmöglichkeiten. Selbst wenn dieser Einfluss sich zu Manipulation entwickelt, ist auch ein direktdemokratisches Verfahren nicht davor geschützt. Ein Beispiel ist die Propaganda, die die Initiator*innen des Minarettverbots in der Schweiz betrieben haben. Meinungsfindung sollte immer durch Medien begünstigt, nicht geschädigt werden. Mag eine Meinung den persönlichen Präferenzen nicht, der Meinungsfreiheit aber doch, entsprechen, ist sie nicht abzuwerten.
  • “Wir müssen die Demokratie wieder vom Kopf auf die Füße stellen.“ So lässt sich ein weiteres Argument für Volksabstimmungen auf Bundesebene zusammenfassen. Das impliziert, Abgeordnete würden den Willen der Bürger*innen nicht angemessen repräsentieren und deshalb müsste man, um den tatsächlichen Bürger*innenwillen zu ermitteln, immer alle abstimmen lassen. Füße alleine können aber nicht denken. Aus diesem Grund ist eine funktionierende Zusammenarbeit von Zivilgesellschaft und demokratisch gewählten Vertreter*innen zwingend notwendig. Ein Abstimmungsrecht alleine bietet noch keine volle politische Mitbestimmung. Die Beteiligungsmöglichkeiten in unserer Demokratie sind stark ausgeprägt. Ein Mitarbeit in einer Partei beispielsweise bietet dies in größerem Maße, als ein Kreuz bei einem Referendum. Repräsentative Demokratie ist nicht gleichbedeutend mit einem absoluten Repräsentationsanspruch des Staates. Ein*e Abgeordnete*r arbeitet nach seiner*ihrer Wahl nicht frei von Einflüssen aus der Zivilgesellschaft, sondern steht in ständigem Kontakt zu Personen, Organisationen und Interessengruppen aus seinem*ihren Wahlkreis und aus verschiedenen Fachbereichen und Branchen aus Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur.
  • “Die Macht ist einseitig bei Wirtschaft und Eliten konzentriert. Die Gewaltenteilung funktioniert nicht mehr. Es braucht die Bürger*innen, um wirkliches Umdenken anzustoßen, neue Strukturen zu schaffen, alte Institutionen zu reformieren. Es braucht bei der Gesetzgebung eine Gewaltenteilung zwischen Bürger*innen und Parlamenten.” Auch das hört man oft in konservativen Argumentationen für mehr direkte Demokratie. Doch hier wird zum einen der Begriff der Gewaltenteilung falsch verwendet, denn Gewaltenteilung heißt nicht, dass 82 Millionen Menschen ihren 82-Millionstel-Anteil an Einfluss bekommen. Vielmehr findet in Deutschland eine Gewaltenteilung in Judikative, Legislative und Exekutive statt, die sich gegenseitig kontrollieren. Zum anderen unterstellt dieses Argument den Parlamenten eine fehlende Rückkopplung mit der Bevölkerung. Dagegen wollen wir uns positionieren. Vielmehr halten wir es für sinnvoll, die Zusammenarbeit zwischen Politik und Bürger*innen weiter zu stärken.
  • “Volksentscheide ermöglichen schnelle und einfache Abstimmungen, um viele Meinungen die die Entscheidungsfindung einzubeziehen.” Dies ist ein häufig vorgebrachtes Argument für Volksentscheide. Das Beispiel Stuttgart 21 zeigt jedoch, dass im Gegenteil derartige Entscheide oft langwierig sind und einer großen Vorbereitungszeit bedürfen. Politik muss aber in manchen Situationen schnell und entschlossen reagieren. Die kurzfristige Reaktionsmöglichkeit der Politik, wie sie etwa bei Banken-Rettungspaketen notwendig ist, wird durch Volksabstimmungen in bestimmten Bereichen stark eingeschränkt.
  • “Durch die Formulierung in einem Volksentscheid wird die Thematik so zusammengefasst, dass sie klar und für alle Bürger*innen verständlich ist.” Befürworter*innen sagen, dass durch diese Reduzierung auf eine Ja-oder-Nein-Entscheidung alle aktiv in den Gesetzgebungsprozess eingebunden werden können. Das klingt zunächst einleuchtend und logisch. Dabei bleiben jedoch wichtige Details, wie etwa die Finanzierung oder die genaue Formulierung der Gesetzestexte, ungeklärt. Eine Beteiligung findet daher nur mittelbar statt.
  • “Es ist Zeit, dem eigentlichen Souverän, also dem Volk, mehr Kompetenzen zuzugestehen.” Der Parlamentarische Rat hat sich allerdings bei der Ausarbeitung des Grundgesetzes bewusst für eine repräsentative Demokratie entschieden. Auch die Legislative muss in einer Demokratie durch die anderen Gewalten kontrolliert werden. Eine direkte Abstimmung über Gesetze würde diese Kontrollfunktion in Frage stellen. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts könnten mit der Argumentation angegriffen werden, sie würden dem Volkswillen, der in einem Referendum seinen Ausdruck gefunden hat, entgegenstehen.
  • “Regierungen und Abgeordnete sind abgehoben und entscheiden über die Köpfe der Menschen hinweg.” Dem kann man die vielfältigen Möglichkeiten der Beteiligung am politischen System entgegen halten: Politische Gestaltung durch Wahlen auf den verschiedenen Ebenen, Mitarbeit in Parteien oder anderen politischen Organisationen und ein aktiver Umgang mit Politik im Allgemeinen, wie Bürgerdialoge, Kontakt zum jeweiligen Mandatsträger oder Beteiligung an politischer Aufklärung. Aktive Teilnahme am politischen Geschehen kann einen bedeutend größeren Einfluss nehmen, als ein Kreuz auf einem Abstimmungszettel.
  • “Volksentscheide stärken die Demokratie“. Von fehlendem Hintergrundwissen profitieren gerade Populist*innen, indem sie einfache Lösungen anbieten und sich zu Fürsprecher*innen des “Volkes” stilisieren. Genau dadurch besteht die Gefahr, dass sie ihre undifferenzierten Inhalte durchsetzen, denn sie bieten per se einfache Lösungen an und verkürzen sie auf Ja-/Nein-Entscheidungen. Dies geht zum Nachteil einer Vielfalt an Optionen, von denen eine Demokratie lebt. Förderlicher wäre stattdessen der Ausbau bereits bestehender Teilhabemöglichkeiten, z.B. Bürgerdialoge sowie Mitarbeit in der politischen Arbeit und Bildung.
  • “Volks- und Bürgerentscheide funktionieren doch in den Bundesländern auch. Warum also nicht auch auf Bundesebene, wenn auch hiervon Menschen direkt betroffen sind?” Fragen auf Bundesebene zeichnen sich aber im Zweifel durch eine höhere Abstraktheit und Komplexität aus, da eine Vielzahl an Personen, Orten und Sachverhalten davon betroffen ist. Fragen auf Kommunal- und Landesebene sind hingegen meist überschaubar und eignen sich daher besser für die Ja-/Nein-Fragen von Volksentscheiden. Dies ist bei Fragen, die die gesamte Bundesrepublik oder die europäische Politik betreffen nicht der Fall.
  • “Volksentscheide führen dazu, dass sich Bürger*innen wieder stärker in Entscheidungsprozesse eingebunden fühlen.” Dem ist entgegen zu setzen, dass diese nur ein scheinbares Mehr an Mitbestimmung bieten. Wie oben ausgeführt, besteht die Gefahr einer Scheinbeteiligung sowie Verzerrung des Bürger*innenwillens und einer stark eingeschränkten Themensetzung. Eine Stärkung der demokratischen Kultur und eine Bekämpfung der Politikverdrossenheit ist daher nicht zu erwarten.
  • “Die Bürger*innen sind klüger, als viele Politiker glauben – und sehr wohl in der Lage, Argumente abzuwägen“ Gerade bei komplexen Themen ist eine Einarbeitung von Laien in wenigen Wochen kaum möglich. Eine Abwägung der Argumente und eine Entscheidungsfindung ist so nur erschwert möglich.

 

Unsere Forderungen

  • Wir lehnen Volksentscheide auf Bundesebene weiterhin ab, auf Landes-/Kommunalebene sind Verbesserungen notwendig.
  • Die Kampagnenfinanzierung bei Volksentscheiden muss transparent gemacht werden. Zudem müssen der Finanzierung Grenzen gesetzt werden, um eine massive Einflussnahme gut finanzierter Interessensgruppen vorzubeugen.
  • Eine gleiche Verteilung der Finanzen muss ein langfristiges Ziel sein, z.B. durch Schaffung eines einheitlichen Finanzierungstopfs oder Festlegung einer maximalen Budgetdifferenz der Gruppen.
  • Politische Bildung, vor allem in Bezug auf Partizipationsmöglichkeiten, muss sowohl in den Lehrplänen als auch in der Erwachsenenbildung verstärkt gefördert werden.
  • Auf Landes- und Kommunalebene fordern wir eine Mindestwahlbeteiligung bei Entscheiden
  • In Grundrechte und wesentliche Staatsstrukturprinzipien darf durch Volksentscheide nicht eingegriffen werden.
  • Den abstimmungsberechtigten Bürger*innen müssen vor der Entscheidung ausreichend Informationen zur Verfügung gestellt werden, welche die Breite der Debatte mit den verschiedenen Meinungen wiederspiegeln.

S9 Schwangerschaftsabbruch raus aus der Tabu-Zone!

28.11.2018

Europaweit erstarken rechte und religiös fundamentalistische Gruppierungen. Dies macht sich auch in der sexuellen Selbstbestimmung, für die wir seit Jahrzehnten kämpfen, bemerkbar. Gruppierungen wie die Pro life-Bewegung oder sog. “Märsche für das Leben”, aber auch die Union und AfD möchten die reproduktiven Rechte von Frauen* einschränken und stigmatisieren bzw. kriminalisieren Betroffene und Ärzt*innen.
Recht ist nicht mit Gerechtigkeit gleichzusetzen. Der Rechtsstaat ist nicht unfehlbar und ist wie die Gesellschaft selbst den gesellschaftlichen Anschauungen der Zeit unterworfen. Recht ist ein gesellschaftlicher Konsens, das für eine Vielzahl von Fällen abstrakt formuliert und in Normen zusammengefasst ist. Ethik wiederum das, was als sittlich und moralisch empfunden wird. Meistens ist das Gerechtigkeitsempfinden an einem Einzelfall orientiert, was zu einer Divergenz zwischen Recht und Ethik führen kann. Der Rechtsstaat bezieht seine Rechtsquellen aus einem Naturrecht und einer mehrheitlichen Gerechtigkeits- und Ethikvorstellung. Diesen Vorstellungen von Gerechtigkeit und Ethik wird der Rechtsstaat immer hinterherhinken, da er aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Strömungen einen Kompromiss bilden muss. Auch muss er die zur Kodifikation nötigen Voraussetzungen einhalten und wirkt dadurch zum Teil starr und unflexibel. Dies ist recht und billig und spiegelt eine funktionierende Gesellschaft wider. Gesellschaftliche Ansichten sind dem stetigen Wandel unterworfen. Was früher noch als unsittlich galt und somit unter Strafe stand (z.B. Vorehelicher Geschlechtsverkehr, sexuelle Orientierung) ist heute selbstverständlich und größtenteils aus dem Strafgesetz verschwunden. Zu beachten ist jedoch, dass zum Teil unflexibles positives Recht und sich stetig ändernde moralische gesellschaftliche Vorstellungen nicht derart weit auseinanderklaffen dürfen, da Recht sonst schnell zu Unrecht werden kann. Wir Jusos sind der Ansicht, dass der deutsche Rechtsstaat hinsichtlich des Schwangerschaftsabbruchs schon zu lange verkennt, dass im 21. Jahrhundert der Ruf nach dem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung zusehends erstarkt und somit es eine dringende Nachjustierung des positiven Rechts bedarf. Wie auch der gesellschaftliche Kampf um die sexuelle Selbstbestimmung ist auch das Recht dazu noch zu erkämpfen.
Wir  Jusos/SPD  bekennen  uns  zur  Selbstbestimmung  von  sexuellen  und  reproduktiven  Rechten. Jede*r   soll über  die eigene  reproduktive Gesundheit  selbst  entscheiden  dürfen.  Dies  bedeutet die Wahrung  einer  selbstbestimmten Entscheidung  über  den  Schwangerschaftszeitpunkt  und  die  mögliche Kinderanzahl.  Im Falle einer Schwangerschaft die Entscheidung darüber zu treffen das Kind auszutragen oder die Schwangerschaft abzubrechen, ist aus unserer feministischen Überzeugung das genuine Recht der Frau*.
Schwangerschaftsabbruch ist kein gesellschaftliches Stigma – §§218 f. StGB streichen
Der im Jahre 1872 eingeführte § 218 StGB stellt den Schwangerschaftsabbruch unter Strafe und ist dem Abschnitt “Straftaten gegen das Leben” neben Mord und Totschlag zugeordnet.  Für die Entscheidung damals war nicht nur die Gesundheit oder der Schutz des ungeborenen Lebens wichtig, sondern hauptsächlich die Kontrolle einer durch Männer dominierten Politik über weibliche und der Wert der Frau als eigenständige Person mit ihrer autonomen Entscheidung. Bis in die 1970er Jahre hinein drohte Frauen* bei einer Abtreibung sogar eine Gefängnisstrafe von bis zu 5 Jahren. “Der Paragraf 218 ist in dem, was er real bewirkte, ein schwer erträglicher Restbestand sozialer Ungerechtigkeit des vorigen Jahrhunderts” sagte Willy Brandt im Jahr 1974. In diesem Jahr wurde die Reform des § 218 StGB verabschiedet, nach der der Schwangerschaftsabbruch bis zur 12. Woche straffrei bleiben sollte. Dieser umstrittenen Reform machte das Bundesverfassungsgericht jedoch im Jahr 1975 einen Strich durch die Rechnung, indem es folgenden Leitsatz aufstellte:”Der Lebensschutz der Leibesfrucht [aus  Art. 2 II 1 GG, Art. 1 I GG] genießt grundsätzlich für die gesamte Dauer der Schwangerschaft Vorrang vor dem Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren und darf nicht für eine bestimmte Frist in Frage gestellt werden.” Diesem Leitsatz möchten wir entschieden entgegentreten!
Wir Jusos/SPD sehen die verfassungsrechtliche Schwierigkeit der Abwägung zwischen pränatalem Lebensschutz und dem Selbstbestimmungsrecht der Frau, jedoch empfinden wir das vom Bundesverfassungsgericht aufgestellte Frauenbild als Restbestand sozialer Ungerechtigkeit und der patriarchalen Sichtweise aus der Gesetze geschrieben und Strafrecht definiert wird. Es ist aus unserer Sicht unerträglich, dass das Bundesverfassungsgericht der Ansicht ist, dass “der Schwangerschaftsabbruch für die ganze Dauer der Schwangerschaft grundsätzlich als Unrecht angesehen und demgemäß rechtlich verboten sein muss (Bestätigung von BVerfGE 39, 1). Das Lebensrecht des Ungeborenen darf nicht, wenn auch nur für eine begrenzte Zeit, der freien, rechtlich nicht gebundenen Entscheidung eines Dritten, und sei es selbst der Mutter, überantwortet werden.”. Dies hat zur Folge, dass noch heute Schwangerschaftsabbrüche als rechtswidrig angesehen werden. Sie bleiben lediglich unter bestimmten Bedingungen, wie  beispielsweise durch die Teilnahme an einer Beratung und unter Einhaltung bestimmter Fristen, straffrei. Alle Schwangeren, die einen Abbruch planen, werden somit unter Generalverdacht gestellt eine Straftat zu begehen. Dieser Umstand ist nicht hinnehmbar!
Dem Selbstbestimmungsrecht der Frau muss Rechnung getragen werden. Auch gesundheitliche Aspekte sprechen dafür den Schwangerschaftsabbruch raus aus der strafrechtlichen Illegalität zu führen. So ist festzustellen, dass in Ländern, in denen der Schwangerschaftsabbruch unter Strafe steht dieser meistens erst im 4. oder 5. Monat stattfindet und von medizinisch nicht fachkundigem Personal unter unhygienischen Bedingungen durchgeführt wird. Dies führt zu erheblichen Komplikationen, die zum Teil zu schwersten Verletzungen oder gar zum Tod führen können. (BeckOK StGB/Eschelbach StGB § 218 Rn. 1)
Die sogenannte Fristenlösung, wie sie bis jetzt im §218a I Nr.3 StGB geregelt ist, dass nur bis zur zwölften Woche nach der Empfängnis ausnahmsweise der Schwangerschaftsabbruch straffrei erfolgen kann, lehnen wir ab. Die  Frist ist, auch im Hinblick darauf, dass der Fötus vor der 22. Woche weder Schmerzempfinden noch ein Bewusstsein hat, willkürlich gesetzt. Zudem treten immer häufiger die Fälle auf, dass Frauen erst nach der zwölften Woche  mitbekommen, dass sie schwanger sind. Viele Fälle von Abbrüchen nach der zwölften Woche gehen mit häuslicher Gewalt oder Angst vor Bestrafung von ihren Familien einher. Diese willkürliche Hürde darf nicht sein!
So erkannte die Drucksache des Bundestags 12/696 aus dem Jahr 1991 schon richtig: “Die Festlegung einer Frist, nach deren Ablauf eine Abtreibung verboten ist, unterstellt, daß Frauen nicht dazu in der Lage sind, selbständig die für sie richtige Entscheidung zu treffen. Die Drei-Monats-Frist ist willkürlich und durch nichts zu begründen. Sie erzeugt zudem einen unvertretbaren Zeitdruck: Wenn eine ungewollte Schwangerschaft erst spät entdeckt wird, was gerade bei sehr jungen oder bei älteren Frauen leicht vorkommen kann, ist die Drei-Monats-Frist für eine reifliche Entscheidung zu kurz.”
Problematisch ist zu sehen, dass mit der Streichung des § 218 StGB auch die Strafbarkeit eines Schwangerschaftsabbruches gegen den Willen der Frau (durch sog. Dritte) entfallen würde. Dies soll und kann natürlich nicht sein. Nachdem aber §218 StGB für jahrelange Stigmatisierung steht, kann dieser nach unserem Selbstverständnis nicht geändert werden, sondern muss endlich gestrichen werden. Eine Lösung würde die Änderung des §226 StGB “Schwere Körperverletzung” darstellen, um die Strafbarkeit bei Schwangerschaftsabbrüchen gegen den Willen der Schwangeren bestehen zu lassen. § 226 I Nr. 1 StGB besagt nämlich: “Hat die Körperverletzung zur Folge, daß die verletzte Person das Sehvermögen auf einem Auge oder beiden Augen, das Gehör, das Sprechvermögen oder die Fortpflanzungsfähigkeit verliert, [….] so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.” Hier könnte man, wie es ähnlich die  Drucksache des Bundestags 12/696 vorgeschlagen hat, die Punkte “die Leibesfrucht, die Zeugungs- oder Gebärfähigkeit oder die sexuelle Empfindungsfähigkeit” hinzunehmen. Dies hat der Gesetzgeber diskutieren.
Andere Länder leben es vor
In anderen Ländern, die bereits die strafrechtliche Regelung für ungültig erklärt oder gestrichen haben, ist die von konservativen Seiten viel prophezeite Abtreibungswelle nicht eingetreten. Nach Studien der Welt­gesund­heits­organi­sation (WHO) ist die weit verbreitete Ansicht, nach der die Legalisierung den Abbruch fördert, falsch. Verbote hätten laut ihren Ergebnissen keinen Einfluss auf die Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch, sondern der Verbreitungsgrad an Verhütungsmitteln.
Beispielsweise hat das Oberste Gericht Kanadas 1988 das bis dahin geltende Abtreibungsgesetz für ungültig erklärt. Das Gericht begründete ihr Urteil damit, dass eine Frau unter Strafandrohung zum Austragen einer ungewollten Schwangerschaft zu zwingen, außer sie genüge bestimmten Kriterien, die mit ihren eigenen Prioritäten und Lebenszielen nichts zu tun hätten, bedeute eine tiefgreifende Verletzung ihrer körperlichen Integrität.
Der Schwangerschaftsabbruch unterliegt dort seitdem denselben Bestimmungen wie jeder andere ärztliche Eingriff und ist ansonsten nicht gesetzlich geregelt. Wie vor jedem medizinischen Eingriff sind Ärzt*innen dort gesetzlich verpflichtet, die Patientin umfassend zu informieren und sicherzustellen, dass sie ihren Entscheid selbstverantwortlich und in voller Kenntnis aller Umstände trifft. Die Abortrate ist in Kanada seitdem leicht gesunken und gleicht der westeuropäischer Länder (2014:  11,6/1000 Frauen in Kanada und 12/1000 Frauen in westeuropäischen Ländern).  92% der Eingriffe werden in Kanada in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten durchgeführt, nur 2% nach der 16. Woche (meist wegen einer schweren Schädigung des Fötus).

Deswegen fordern wir: 

  • ein Recht auf Abbruch der Schwangerschaft für jede Frau*
  • Eine Streichung der § 218 ff. StGB und der damit geforderten Ausnahmetatbestände, dass ein Schwangerschaftsabbruch als generell legal anzusehen ist und einzig der Entscheidung der Frau ohne Auflagen unter-
    liegt.
  • Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch und der Schutz pränatalen Lebens sollen ohne Fristenlösung vergleichbar dem kanadischen Modell in Richtlinien der Bundesärztekammer wie jeder andere medizinische Eingriff geregelt werden.
  • Ein Schwangerschaftsabbruch gegen den Willen der Frau durch Dritte wird durch die Aufnahme in den Katalog des § 226 StGB künftig als schwere Körperverletzung unter Strafe gestellt.

Schwangerschaftskonfliktberatungen reformieren

Der § 219 StGB regelt die Beratung von Schwangeren in einer Not- und Konfliktlage. Die Beratung verfolgt das Ziel, die Schwangere zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu bewegen. Dies wird damit begründet, dass das ungeborene Kind in jedem Entwicklungsstadium ein Recht auf Leben hat. Ein Schwangerschaftsabbruch käme nur dann in Frage, wenn die Fortsetzung der Schwangerschaft für die Frau eine Belastung darstelle, die so schwer und außergewöhnlich sei, dass sie die zumutbare Opfergrenze übersteige. Diese Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen stellen den Frauen eine Bescheinigung aus, die rechtlich notwendig ist, um von einer*m Arzt* Ärztin einen Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen zu können.

Diese Regelungen zur Schwangerschaftskonfliktberatung beinhalten Aspekte, die für uns als Jusos nicht vertretbar sind und die wir darum ändern wollen. Durch den Beratungszwang wird die Selbstbestimmung der Schwangeren massiv eingeschränkt und stellt eine erhebliche Bevormundung dar. Einen Beratungszwang für ungewollt Schwangere lehnen wir daher ab und machen uns stattdessen für einen gesetzlich Anspruch auf Beratung und Unterstützung wie in anderen Bereichen des Sozialrechts stark. Jeder Mensch hat das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung. Sexuelle Selbstbestimmung kann nur dann gelebt werden, wenn alle Menschen freien Zugang zu Informationen über medizinische Behandlungen haben. Die Beratung sollte die Pro/Contra Seiten einer Abtreibung hinreichend darstellen.

Wir fordern daher:

  • Die Kosten für den Abbruch sollen von den Krankenkassen getragen werden und nicht wie bis dato üblich von der Schwangeren selbst
  • Staatlich getragene Beratungsstellen sollen für jede betroffene Frau* in zumutbarer Entfernung zur Verfügung stehen
  • das Recht und damit den Anspruch auf eine Schwangerschaftskonfliktberatung und die anschließende Unterstützung sozialgesetzlich zu regeln, unabhängig davon, ob sie sich für oder gegen einen Abbruch entscheidet. Die Beratung muss ergebnisoffen geführt werden.

Weg mit §219a StGB! Den Weg zu Informationen entkriminalisieren
Der in 1933 in Kraft getretene § 219a StGB verbietet, dass Ärzt*innen selber Auskunft darüber zu geben, ob sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, und über die Möglichkeit von Schwangerschaftsabbrüchen zu informieren. Er nimmt Schwangeren gleichzeitig dadurch die Möglichkeit, sich anonym und selbstständig zu informieren. Es kann und darf nicht sein, dass medizinische Informationen für Frauen Ärzt*innen kriminalisiert werden. Nach § 219a StGB können die Informationen über die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen als Werbung verstanden werden und zu einer Verurteilung führen.
Mit dem stark zugenommenen Rechtsruck in unserer Gesellschaft in jüngster Zeit missbrauchen konservative, selbsternannte Lebensschützer*innen diesen Paragraphen im verstärkten Maße, um Ärzt*innen anzuzeigen. So wurde die Ärztin Kristina Händel von so einer Person angezeigt und im vergangenen Jahr zu 6.000 Euro Strafe verurteilt, weil sie auf ihrer Homepage angegeben hatte, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen.
Im populärsten Strafrechtskommentar “Trödle/Fischer”, der in allen Bücherregalen von Strafrechtler*innen zu finden ist, wird argumentiert, dass § 219 a StGB verhindern solle, „dass die Abtreibung in der Öffentlichkeit als etwas Normales dargestellt und kommerzialisiert wird“. Auf diesen Satz beziehen sich fast alle Gerichte und Staatsanwälte und zementieren diesen so zur herrschenden Meinung. Die richterliche Auslegung, die so maßgeblich von einem einzigen Strafrechtskommentar geprägt wird, setzt regelmäßig sachliche Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen mit Werbung gleich.
Problematisch ist hierbei, dass der ehemalige Herausgeber dieses Kommentars, Herbert Tröndle (*1919 + 2017), sich selbst gegen Schwangerschaftsabbrüche engagierte und eben diese Kommentierung vornahm. Tröndle  schrieb unter anderen für das „Lebensschutzhandbuch“ des katholischen Bonifatiusverlags und engagierte sich an führender Stelle in der Juristen-Vereinigung “Lebensrecht”. 1993 schrieb er in einem Beitrag zu dem Buch “Das zumutbare Kind”, dass schwangere Frauen sich durch die Abtreibung einer natürlichen Aufgabe entledigen würden und einer durch ihr Vorverhalten begründeten rechtlichen Pflicht nicht nachkommen. Die Meinung eines solchen Mannes kann nicht die Rechtsprechung beherrschen!
Dies sieht die Bundesärztekammer ebenso. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer, plädiert ebenfalls für eine Abschaffung des Werbeverbots. §219 a StGB kriminalisiere Ärzt*innen in nicht nachvollziehbarer Weise, heißt es in einer Resolution der Delegiertenversammlung der Ärztekammer Hamburg. Die Berufsordnung der Ärzteschaft regele in ausreichendem Maße die Grenzen zwischen Werbung und Information.
Sexuelle Selbstbestimmung zu verwirklichen heißt, einen schnellen und neutralen Zugang zu Informationen über Sexualität und sexueller Gesundheit zu ermöglichen. Das Angebot von Schwangerschaftsabbrüchen muss als Teil einer flächendeckenden ärztlichen Grundversorgung angesehen werden.



Wir fordern daher:

  • eine ersatzlose Streichung des §219a StGB

Konsequenz des §§218ff. StGB: Kein Thema während des Medizinstudiums
101.200 Abtreibungen wurden nach dem Bundesamt für Statistik im Jahr 2017 durchgeführt. Im Berichtsjahr 2016 wurden in Deutschland 98.721 Schwangerschaftsabbrüche an das Statistische Bundesamt gemeldet. 11.291 der Schwangerschaftsabbrüche 2016 waren in Bayern. Der Schwangerschaftsabbruch gehört damit zum häufigsten chirurgischen Eingriff in der Gynäkologie.
Medizinische Leitlinien zum Schwangerschaftsabbruch wie etwa in den USA, Großbritannien, Kanada oder auch der WHO gibt es in Deutschland keine. Ein Umstand, den Pro Familia bereits 2014 in einem Rundbrief kritisiert hatte. In Deutschland fehle es an „Standards oder Leitlinien zur fachgerechten Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen“, heißt es in dem Brief.
So wird auch im Medizinstudium der Schwangerschaftsabbruch kaum besprochen oder gar praktisch geübt. Er taucht lediglich im “Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin” (NKLM) auf, den der medizinische Fakultätentag gemeinsam mit der Gesellschaft für medizinische Ausbildung entwickelt hat, ist aber kein Regelwerk für die Universitätskliniken. So werden beispielsweise an dem größten Universitätsklinikum, der Charité in Berlin, beispielsweise lediglich die rechtlichen und ethischen Aspekte des Schwangerschaftsabbruchs gelehrt, nicht aber die Methoden. Hier üben die angehenden Mediziner*innen den Eingriff in ihrer Freizeit an Papayas statt in einer Pflichtveranstaltung, nachdem dort einige Studierende diesen Missstand nicht weiter hinnehmen wollten und deshalb die Initiative “Medical Students For Choice Charité Berlin“ mit dem Ziel, die Lehre über den Schwangerschaftsabbruch zu verbessern, ins Leben gerufen haben. Aus Angst vor dem Strafgesetzbuch und der Stigmatisierung wird an den Universitäten der Eingriff nicht geübt.
Ob angehende Gynäkolog*innen lernen, wie man einen Abbruch vornimmt, hängt davon ab, ob das Krankenhaus, an dem sie ihre Facharztausbildung absolvieren, solche Eingriffe vornimmt. Viele Krankenhäuser, vor allem die in kirchlicher Trägerschaft, führen keine Abbrüche durch. Auch in der Weiterbildung für Gynäkolog*innen ist man bei Schwangerschaftsabbrüchen auf internationale Kongresse angewiesen.
Zu wenig Ärzt*innen
Durch die Kriminalisierung im Strafrecht und das nicht vorhandene Auseinandersetzen im Studium haben dazu geführt, dass immer weniger Ärzt*innen Schwangerschaftsabbrüche durchführen. In ganz Niederbayern gibt es beispielsweise nur noch einen über 70-jährigen Arzt, der noch Abbrüche durchführt, weil es sonst niemand machen will. In einigen Regionen haben Frauen schon jetzt keine Chance mehr, einen Schwangerschaftsabbruch in der näheren Umgebung vornehmen zu lassen. Wer zum Beispiel in Trier wohnt, muss dafür mindestens 100 Kilometer ins Saarland fahren. Und nach dem Eingriff, mit Schmerzen und der psychischen Belastung, wieder zurück.
Bundesweit gibt es der Bundesärztekammer zufolge etwa 18.500 berufstätige Ärzt*innen in der Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Das Statistische Bundesamt gibt an, bundesweit führten derzeit nur etwa 1.200 Ärzt*innen Abbrüche durch, Tendenz leicht abnehmend. Ein vollständiger Überblick, wie viele Ärzt*innen in Deutschland an welchen Orten Schwangerschaftsabbrüche durchführen, existiert dank §219a StGB nicht.
Laut Schwangerschaftskonfliktgesetz müssen die Bundesländer ein ausreichendes Angebot an Praxen und Kliniken für Schwangerschaftsabbrüche sicherstellen. Den Gesundheitsministerien vieler Länder aber liegen keine Zahlen vor. Stattdessen verweisen sie wahlweise auf die Kassenärztlichen Vereinigungen, die Landesärztekammern, die Berufsverbände der Frauenärzte oder an die Krankenhausgesellschaften. Das bayerische  Staatsministerium für Gesundheit erklärt, es gebe 27 Kliniken, die in Bayern Schwangerschaftsabbruch durchführen – 15 davon tun das aber nur bei medizinischer oder kriminologischer Indikation. Mit 96,1 % wurden aber die meisten Eingriffe 2016 nach der Beratungsregelung vorgenommen. Eine medizinische oder kriminologische Indikation war in lediglich 3,9 % der Fälle die Begründung für den Schwangerschaftsabbruch.
Dazu kommen hohe Hürden. Wer als niedergelassene Ärzt*in operative Schwangerschaftsabbrüche durchführen will, muss vor allem ambulant operieren können und über die entsprechenden Räumlichkeiten und das Personal verfügen. Dazu kommen je nach Bundesland weitere Vorgaben – in Bayern etwa müssen Ärzt*innen noch eine Fortbildung nachweisen, in der es neben den medizinischen auch um die ethischen Aspekte des Schwangerschaftsabbruchs geht.
Das größte Problem ist aber, dass in Deutschland immer mehr Ärzt*innen, die Abbrüche durchführen, in Rente gehen– und es an Nachwuchskräften fehlt. Diese Ärzt*innen haben überwiegend in den Siebziger-jahren, während der Frauenbewegungen, ihr Studium absolviert und handeln aus einer politischen Überzeugung heraus. Diese ist in den vergangenen Jahren in der Gesellschaft entpolitisiert und in die sog. Tabuzone gekommen ist, so dass die nachkommenden Generationen an Ärzt*innen mit diesem Thema nicht vertraut sind und aus oben genannten Gründen nicht in ihrem Studium in Berührung kommen.
Wir fordern daher:

  • Aufnahme des Themenbereichs Schwangerschaftsabbruch ins Medizinstudium
  • Medizinische Leitlinien zum Schwangerschaftsabbruch
  • Schutz der Ärzt*innen, Gynökolog*innen vor Angriffen sog. „Lebensschützer*innen“
  • Entstigmatisierung der Ärzt*innen, Gynökolog*innen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen
  • Ein vollständiger Überblick, wie viele Ärzt*innen in Deutschland an welchen Orten Schwangerschaftsabbrüche durchführen
  • Ein ausreichendes Angebot an Praxen und Kliniken für Schwangerschaftsabbrüche
  • Eine Homepage der Bundesärztekammer mit sachlichen, neutralen Informationen zum Thema Schwangerschaftsabbruch

Schwangerschaftsabbruch muss zum gesellschaftlichen Thema werden
Weltweit erlebt ungefähr jede dritte Frau in ihrem Leben einmal eine Abtreibung. Zwei von drei ungewollten Schwangerschaften entstehen trotz Verhütung. Keine Frau treibt gerne ab. Und jede Frau stellt sich vor einem Abbruch Fragen, die quälen. Viele Frauen* berichten laut ZEIT ONLINE, die Frauen zu ihren Erfahrungen zu Abbrüchen befragten, nicht von Selbstbestimmung, sondern von Verheimlichung vor der Familie, Beleidigungen im Internet und einsamen Entscheidungen. Psychotherapeut*innen beklagen, dass viele Frauen* noch unter einem Schwangerschaftsabbruch leiden und niemanden haben, mit dem sie darüber reden können.
Der Schwangerschaftsabbruch ist gesellschaftlich immer noch ein Makel, der auf das Individuum, die einzelne Frau, abgewälzt wurde. Doch je weniger wir darüber sprechen und das so wichtige Thema aus der Ecke des Unaussprechbaren holen, desto gesellschaftsfähiger wird die Haltung der Abtreibungsgegner*innen.
Eine ungewollte Schwangerschaft legal und professionell beenden zu können, muss eine “normale” Alternative sein – illegal, unhygienisch und in Hinterzimmern den Ausweg aus einer Notsituation zu finden wird nämlich nie “normal” sein können. Das bedeutet keinesFalls, dass dieser Eingriff für die Betroffene* “normal” sein könnte.
Es gehört unglaublichen Mut und die große Überwindung dazu, mit solchen Erlebnissen an die Öffentlichkeit zu gehen. Wir sind als Gesellschaft noch weit davon entfernt, eine Sprache für das Erlebte zu finden, Tabuzonen und Scham zu durchbrechen und Strukturen der Stigmatisierung zu verstehen. Darüber zu sprechen, schafft Bewusstsein, nimmt der gesellschaftlichen Struktur an Macht und gibt anderen wiederum den Mut, über ihr Erlebtes sprechen zu können.
Zur sexuellen Selbstbestimmung gehört auch, gesellschaftliche Räume zu schaffen die den Dialog darüber ermöglichen. Sexualität geht uns alle an.
Wir fordern daher:

  • Das Thema Schwangerschaftsabbruch muss thematisch sachlich in der Schule im Biologieunterricht und nicht im Religionsunterricht behandelt werden
  • Das Thema Schwangerschaftsabbruch muss in die Gesellschaft getragen werden
  • das Recht auf psychologische Begleitung nach einem Schwangerschaftsabbruch und ein niederschwelliger Zugang zu Beratungsstellen

Mehr Schutz bei Abgängen

Schwangerschaftsabbrüche sind jedoch nicht notwendigerweise die Folge eines gewollt herbei geführten Abbruch. Der Abgang eines Fetus unter 500g Gewicht wird “Fehlgeburt” genannt, der Abgang von Feten über 500g “Totgeburt”. Es wird angenommen, dass in der Gruppe der 20– bis 29-jährigen Frauen etwa die Hälfte der befruchteten Eizellen spontan zugrunde gehen. Klinisch werden aus den genannten Gründen davon jedoch nur etwa 15 % bis 20 % als Fehlgeburten erkannt, etwa 30 % der Frauen* sind in ihrem Leben von einer oder mehreren Fehlgeburten betroffen. Die  Darüber zu sprechen ist jedoch ein Tabuthema. Ursachen sind zumeist chromosomale Besonderheiten des Fetus, Endokrine Störungen der Mutter* oder Infektionskrankheiten. Erhöht wird das Risiko eines Abgangs durch das Alter der Eltern.
Das Wort “Fehlgeburt” lässt den Schluss zu, der Abgang des Fetus sei auf Fehlverhalten der Schwangeren* zurück zu führen. Dem zu Grunde liegt dieselbe frauenverachtende und patriarchal Gedachte  Grundannahme, die Frauen das Recht auf einen Abbruch verweigert: Unmündige Menschen, deren Aufgabe es ist, den Fortbestand der Menschheit durch Gebären von Leben zu sichern und auf eigene Bedürfnisse zu verzichten.  Auch werden Mütter nach “Fehlgeburten” rechtlich allein gelassen: es besteht kein gesetzlicher Anspruch auf die Schutzfrist nach der Entbindung. Entscheidend ist lediglich das Gewicht des verstorbenen Kindes: unter 500g Gewicht besteht keinerlei Anspruch auf eine Schutzfrist, zwischen 500-2500g handelt es sich um eine Frühgeburt und es ergibt sich ein Anspruch auf die verlängerte Schutzfrist von 12 Wochen und ab 2500g besteht die 8 Wöchige Schutzfrist. Diese Regelungen negieren das Recht auf individuelle Verarbeitung des Geschehenen.

Wir fordern daher:

  • eine bis zu zwölfwöchige Krankschreibung, die, sofern keine medizinische Indikation besteht, in Einzelfallentscheidungen mit den betroffenen Frauen* im Konsens entschieden wird
  • Beratungsstellen die in zumutbarer Entfernung liegen
  • geschulte Psychotherapeut*innen
  • Das Recht der Eltern, den Fötus bestatten zu lassen

B1 Antrag: Deckelung von Stiftungsprofessuren an Hochschulen und Universitäten

28.11.2018

Forderung:

Wir fordern die Begrenzung der maximal möglichen Anzahl von Stiftungsprofessuren pro kleinster fachlicher Organisationseinheit an Universitäten und Hochschule für angewandte Wissenschaften. Darüber hinaus fordern wir erneut eine angemessene Erhöhung der Grundfinanzierung von Universitäten und HAWs.

V1 Verbesserung des ÖPNVs

28.11.2018

Verbesserung des ÖPNVs

Tallinn als erste europäische Hauptstadt macht es vor, verschiedene belgische und französische Kommunen ebenso: Der öffentliche Personennahverkehr zum Nulltarif. Währenddessen in Bayern: Tarifwirrwarr – für wenige Kilometer müssen mitunter mehrere überteuerte Tickets gelöst werden. Gerade im ländlichen Raum ist die Kooperation der verschiedenen Verkehrsverbände schlecht, wodurch des Öfteren signifikante Wartezeiten für die einzelnen Passagier:innen an regionalen Zuständigkeitsgrenzen entstehen. Sogar der Rückbau einzelner Verbindungen ist kein Tabu mehr. Gerade in finanzschwachen Kommunen ist die Möglichkeit der gesellschaftlichen Teilhabe für all jene, die sich außerhalb des fahrfähigen Alters befinden oder aus anderen Gründen kein eigenes Kraftfahrzeug unterhalten können oder wollen stark eingeschränkt. Besonders im Schichtdienst ist das eigene Verkehrsmittel heutzutage kaum mehr wegzudenken, denn öffentliche Verkehrsangebote außerhalb der üblichen Stoßzeiten sind Mangelware. Dies schadet vor Allem der Wirtschaft: Arbeitssuchende werden von Vornherein abgeschreckt, sich auf Jobangebote zu bewerben, die etwas entfernter von der eigenen Haustür liegen. Und auch das soziale Miteinander leidet: Junge Menschen müssen viel zu früh den letzten Bus nehmen und auf den restlichen Abend mit (Partei-)Freund:innen verzichten. Ältere Menschen vereinsamen, weil ihre eingeschränkte Mobilität nicht öffentlich kompensiert wird. Viele Gegenden sind ohne ausgiebige Fußmärsche überhaupt nicht mehr angeschlossen. Und oftmals passt die Gehhilfe oder das Fahrrad dann auch nicht ohne Weiteres in den Bus. Doch auch in Metropolregionen wie dem Großraum München plagen überteuerte Ticketpreise die Bürger:innen. Der allgegenwärtige Investitionsstau macht Pendeln mit öffentlichen Nahverkehrsmitteln zur Glaubensfrage und motiviert stattdessen täglich Millionen Bürger:innen,  lieber den PKW für den Weg zum Arbeitsplatz zu nutzen. Neue Technologien wie das autonome Fahren werden stiefmütterlich behandelt und gegenüber konventionellen Herangehensweisen vernachlässigt.
Dabei liegt die Lösung auf der Hand: Ein solidarisch finanzierter, moderner, flexibler und zukunftsorientierter öffentlicher Personennahverkehr. Dies entlastet die Umwelt, ist sicherer, zuverlässigerer und ökonomischer als der tägliche motorisierte Individualverkehr. Die positiven Beispiele mit gelungener Umstellung der öffentlichen Verkehrsmittel auf einen Betriebsmodus, der ohne Zahlung der individuellen Nutzung auskommt machen dieses Konzept zu einem förderungswürdigen und vielversprechenden Lösungsansatz.
 
Deswegen fordern wir:
Die SPD setzt sich ein für:

  • ein Kooperationsgebot zur engeren Abstimmung der Verkehrsverbände.
  • die konsequente Modernisierung bei gleichzeitigem Ausbau bestehender Systeme und Linien.
  • die Förderung der Forschung nach neuer Technik (bspw. autonome Fahrsysteme).
  • die Förderung und Erprobung von Modellen des kostenlosen ÖPNVs:
  • finanziert durch Steuermittel (im Gesamthaushalt)

S1 Bei der Neuberechnung des Pflegebeitrags müssen die Lebenssituation von Menschen mit Behinderung ausreichend Berücksichtigung finden.

28.11.2018

Wir fordern den Kabinettsentwurf zum “Pflegebeitragsgesetz“ im Rahmen der Ausschussberatungen* dahingehend zu korrigieren, dass die individuellen Lebensumstände von Menschen mit Behinderung Berücksichtigung finden.

R1 Kein ruhiges Hinterland für autoritäre und faschistoide Strukturen in Bayern! Weder auf der Straße noch im Parlament!

28.11.2018

2017 endete mit dem für viele scheinbar überraschenden Ereignis, dass menschenfeindliche Einstellungen in Deutschland noch immer Mehrheiten finden können und sogar Parteien davon so sehr profitieren können, dass die AfD nun die drittstärkste Fraktion im Bundestag stellt. Uns überraschte dies nicht, im Gegenteil, die „Mitte in der Krise“, sowie „Deutsche Zustände“- Studien der letzten Jahre belegten ein autoritäres und menschenverachtendes Potential in der deutschen Mehrheitsgesellschaft schon deutlich länger, als es die AfD gibt. Allein vor dem Hintergrund dieser Studien muss sich niemand mehr Illusionen darüber machen, dass die Personen, die die AfD wählen nur „missverstanden“ und „abgehängt“ sind oder das lediglich aus dem Grund maximaler Provokation tun.

Selbstverständlich ist für uns als Sozialist*innen die Tatsache, dass diese menschenverachtende Einstellung und autoritäre Tendenz schon lange vorhanden ist, kein ausschließlich ausreichender Erklärungsansatz. Die soziale und ökonomische Realität der Menschen sollte, wenn es darum geht, wie Ideologien und entstehen, selbstverständlich nicht ignoriert werden – aber, dass Menschen ausschließlich aufgrund ihrer ökonomisch schwierigen Lage dazu determiniert sind, rechte Parteien zu wählen oder rechten Ideologien anzuhängen, ist schlichtweg falsch. Menschen auf Grund ihrer ökonomischen Position innerhalb des Produktionsprozesses jegliche Handlungsspielräume in Bezug auf ihre politische Orientierung abzusprechen ist für uns nicht alles andere als emanzipatorisch. Der Grund für eine erfolgreiche AfD ist Deutschland und seine Bevölkerung, sind deutsche Zustände. Genau diese Zustände aber führen nicht nur zu einer erfolgreichen AfD. Die AfD benötigte es nicht, um das Asylrecht zu verschärfen und repressive Funktionen des Staates auszubauen. Die AfD benötigte es nicht, in menschenverachtenden Asylpaketen die Grundrechte von Geflüchteten massiv zu beschneiden, das haben Sozialdemokrat*innen und vermeintlich konservative Politiker*innen auch alleine geschafft.

Eben diese Zustände also sind auch das Ziel unserer Forderungen und unseres Kampfes, den wir auf verschiedene Art und Weise führen.

Ablehung des Extremismusbegriffs:

Wir, als antifaschistischer Richtungsverband, sind der Überzeugung, dass es eine entschlossene und kämpferische Praxis braucht, die nur auf einer klaren Analyse der bestehenden Verhältnisse resultiert.

Das Gerede von einer vermeintlichen demokratischen Mitte, die pragmatisch und unideologisch sei, ist ein bürgerlicher Mythos. Die Konsequenz daraus, dass die Probleme mit auftauchenden „Extremen“ außerhalb dieser Mitte beginnen, ist viel mehr als lediglich ein Irrtum, der aus einer fehlerhaften Analyse heraus entsteht.

Es ist auch klares Kalkül, denn diese Analyse gibt all jenen, die sich auf eben diese vermeintliche Mitte berufen, einen Freifahrtschein zu rassistischer Hetze. Wir wissen, dass Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und Nationalismus keine Probleme vermeintlicher „Extreme“ sind, sondern quer durch die politische Landschaft, wie einige Äußerungen gewisser Teile der Linkspartei und das sozialdemokratische Regierungshandeln selbst beweisen, auch ein Problem der politischen Linken.

Und wenn wir über eben jene rassistische, menschenverachtende Hetze reden, brauchen wir keine Gegenfrage, was eigentlich mit anderen „Extremen“ sei. Es gibt Themen, die menschenverachtend sind, es gibt Aussagen, die zutiefst rassistisch, antisemitisch, sexistisch sind, aber die machen vor keiner politischen „Richtung“ oder keiner politischen „Extreme“ halt. Sie sind in der vermeintlichen Mitte der Gesellschaft.

Wenn es auch in der hier stehenden Analyse sehr theoretisch und wenig konkret erscheint, so hat es auch für den bayerischen Landesverband der Sozialdemokratie direkte Auswirkungen.

-Die Extremismustheorie ist nicht nur wissenschaftliche Theorie, sondern auch reaktionäre Praxis im Freistaat Bayern, die dafür sorgt, dass linke Akademiker*innen oder Lehrer*innen wegen politischen Engagement nicht in den bayerischen Staatsdienst übernommen werden. Wenn uns auch eine solche Praxis mehr an die antikommunistische Hetze aus der Zeit des kalten Krieges erinnert, so sind sie wie zuletzt veröffentlichte Fälle belegen immer Gang und Gäbe. Das muss sofort aufhören, für eine Ende reaktionärer Gesinnungsschnüffelei gegen linke Genoss*innen!

-Das Ziel der Extremismustheorie ist das Verdecken menschenverachtender Einstellung in der vermeintlichen Mitte. Diese Einstellung genau in dieser Mitte, in der sie auftreten zu benennen bedeutet auch Konsequenzen in der politischen Zusammenarbeit zu ziehen. Eine CSU aus der zu hören ist sie wolle Einwanderung in die Sozialsysteme bis zur letzten Patrone verhindern darf keine Option für eine sozialdemokratische Regierungsbeteiligung sein! Neben vielen anderen ist auch dies ein entscheidender Punkt der Ablehnung jeglicher parlamentarischen Zusammenarbeit mit der CSU

-Der Kampf gegen menschenverachtende Einstellungen in der Mitte aber entlädt sich aber nicht nur an der CSU. Die AfD gerade in Bayern keine marginalisierte Partei, sie ist vielerorts in Bayern vor der SPD im Ergebnis der letzten Bundestagswahl gewesen. Die AfD wurde auch deswegen stark, weil die von ihnen vertretenden Positionen als welche erkannt wurden, die nicht nur an konstruierten Rändern vorkommen. Statt daraus in der gesellschaftlichen Mehrheit die Konsequenz zu ziehen Ressentiments und Positionen zu hinterfragen wurde mit einem beinahe voyeuristischen Vergnügen die AfD auf jedes Podium gestellt, um mit dem Bruch angeblicher Tabus klickzahlen zu schaffen. Das, was geschah war die Legitimation menschenverachtender Einstellungen. Die Sozialdemokratie muss dem etwas entgegensetzen, im schmutzigen und reaktionären Wahlkampf, der in Bayern vmtl. passieren wird muss sich die Sozialdemokratie als die fortschrittliche Kraft positionieren, die klar Kante zeigt. Auch deshalb betonen wir nochmals den Beschluss: Wir gehen auf kein Podium mit der AfD! Sie in einem Diskurs „zu stellen“, wie es so oft formuliert wurde hat nicht nur nicht funktioniert, das Gegenteil wurde erreicht, ihre Positionen wurden durch den Diskurs mit uns legitimiert.

-Wir erwarten von der BayernSPD im Wahlkampf auch selber sich solidarisch zu zeigen. Antifaschistische Arbeit findet nicht alleine in Parlamenten statt. Nur gemeinsam mit den verschiedenen Bündnispartner*innen wird es uns gelingen auf der Straße dem rechten Rollback etwas entgegen zu setzen.

Asylpolitik:

Die aktuellen Zustände sind nicht ertragbar. Sie sind nicht nur durch den Erfolg der AfD nicht ertragbar, nein sie sind auch deswegen nicht ertragbar, weil menschenverachtende Ideologien nicht nur sagbar, sondern auch machbar gemacht wurden in den vergangenen Jahren. Wir erlebten durch verschiedene, von der Bundesregierung und somit auch von der SPD durchgedrückte Asylpakete regelmäßige Eingriffe in die Freiheiten von Geflüchteten. Auch deswegen konnten sich diejenigen, die durch Brandanschläge auf Geflüchtetenunterkünfte versuchten, Menschen zu ermorden gewiss darin sein, einen politischen Auftrag zu erfüllen. Der Angriff muss also all jenen Strukturen gelten, die dies ermöglichen. Das heißt für uns zunächst praktische Solidarität. Wir sind solidarisch mit all jenen, die von verschiedenen rassistischen Gesetzesverschärfungen der letzten Jahren betroffen waren. Solidarität heißt, politische Arbeit auf der Straße und in Bündnissen, von der Demo bis zur durch aktiven Widerstand erfolgreich verhinderten Abschiebung.

Es heißt aber gemäß der Doppelstrategie unseres sozialistischen Richtungsverband politische Arbeit in den Parteien. Wir müssen endlich wieder zurück zu einem Asylrecht vor dem Asylkompromiss mit einem menschenwürdigen Anrecht auf Asyl!

Hierfür können die folgenden Forderungen nur eine Basis sein, wir fordern:

-Das System bayerischer Abschiebelager unverzüglich abzuschaffen. Einem der größten rassistischen Coups der CSU damit endlich den Gar ausmachen!

-Ablehnung des Dublin 4-Abkommens sowie aller bisheriger Dublin-Abkommen und stattdessen eine gesamteuropäische Lösung, die nicht v.a. auf Kosten südeuropäischer Staaten und Geflüchteter geht.

-Abschaffung der sicheren Herkunftsstaatenregelung. Per se Menschen ohne Anhörung ihres Falles das Grundrecht auf Asyl abzusprechen, weil sie aus einer bestimmten Region kommen ist eine Staaten und Gesellschaften im 21. Jahrhundert unwürdige Regelung.

-Abschaffung des momentanen separaten Asylbewerberleistungsgesetzes. Sonderregelungen bei Sozialleistungen für Geflüchtete sollte ihre besondere Situation aufgreifen. Es sollte nicht eine gezielte Benachteiligung schaffen, wie es momentan der Fall ist.

-Keine Obergrenze, denn es gibt kein Maximum an Grundrechten.

Sicherheitsbehörden:

Die letzten Jahre zeigen aber nicht nur eine rassistische Eskalation der Asyl- und Flüchtlingspolitik. Im Zeitraum der jüngsten großen Koalition, kam es auch zu verschiedenen Vorfällen autoritärer Übergriffe durch Staatsorgane und zu einem massiven Ausbau repressiver Möglichkeiten. Einen Höhepunkt bildeten die Repressionen und die massive Polizeigewalt anlässlich des G20-Gipfels. Es sind auch diese autoritären Strukturen durch Gesetze, aber auch innerhalb einer Cop culture, der wir den Kampf ansagen. Es ist nicht so, dass Polizeibehörden ausschließlich ein „Spiegel der Gesellschaft“ seien. Wer den Polizeiberuf ausübt, entscheidet sich bewusst für einen Beruf, dessen Mittel und Prinzipien Hierarchien, starke Gruppenidentifikation und auch Gewalt sind. Denn die Polizei nimmt die Rolle der Ausführung des staatlichen Gewaltmonopols ein. Menschen, die sich für einen solchen Beruf entscheiden, entscheiden sich also auch dafür und sind damit nicht x-beliebige Personen, die die Gesellschaft 1 zu 1 abbilden. Die zu oft vorkommenden Übergriffe durch Polizist*innen im Zusammenhang mit Demonstrationen, etc. bei denen gleichzeitig ein massiver Corpsgeist eine wirkliche Aufarbeitung verhindert, belegen dies. Auch ist die Polizei nicht gefeit davor, auch von menschenverachtenden Ideologien geprägt zu sein. Racial Profiling Begriffe wie „Soko Bospurus“ oder auch der Fall Oury Jalloh belegen das. Aus diesem Grund braucht es endlich eine wirkliche Kontrolle der Polizei durch verschiedene Akteur*innen, sowohl innerhalb staatlicher Institutionen, als auch durch die Zivilgesellschaft. Der Wille dazu ist hier auch da, wir als antifaschistischer Verband fordern hierzu auch die Mittel zur Verfügung zu stellen.

Im Zusammenhang mit dem NSU, aber auch durch viele andere Beispiele sehen wir nicht nur das Versagen von Polizei, sondern auch das Versagen des Verfassungsschutzes. Das Scheitern des Verfassungsschutzes liegt in seinen historischen und ideologischen Wurzeln. Die Extremismustheorie versagt als theoretisches Analyseinstrument, aber auch in geheimdienstlichen Praxis. Eine Institution, die auf Grundlage eines politischen Kalküls ein solches Instrument nutzt ist nicht nur ineffizient, sie ist sogar gefährlich, wie das Versagen im Zusammenhang des NSUs, das seine Gründe auch hierin hat, beweist. Die Gefahr, die durch Inlandsgeheimdienste in ihrer realen Arbeit ausging und Ausgeht zeigt aber auch der Versuch einer politischen Aufarbeitung des gesamten NSU-Komplexes. Akten, die der demokratisch legitimierten Kontrollinstanz hätten zukommen sollen, wurden vernichtet oder nicht, bzw. erst nach langen Verzögerungen zur Verfügung gestellt, selbst von den höchsten Stellen wurden entweder Aussagen verweigert oder die Ausschüsse wurden mit teilweise absurden Geschichten belogen. Alles in allem lässt sich festhalten, dass der Auftrag eine Verfassung zu schützen, durch die meisten Initiativen aus der Zivilgesellschaft oder wissenschaftliche Institutionen besser in den letzten Jahren stattgefunden hat, als es durch den Verfassungsschutz getan wurde.

-Kennzeichnungspflicht für Polizist*innen, die es ermöglicht nach im Amt begangenen Straftaten die Schuldigen zu identifizieren und Opfern von Polizeigewalt ermöglicht, die Täter*innen zu identifizieren.

-Eine Parlamentarische Kontrollkommission für die bayerische Polizei, ähnlich wie es beim Inlandsgeheimdienst der Fall ist.
-Interne Ermittlungen bei der Polizei müssen endlich durch unabhängige Stellen und nicht durch Kolleg*innen durchgeführt werden. Der Corpsgeist und der hohe soziale Druck innerhalb von Polizeieinheiten verhindert oft eine Aufklärung von im Dienst begangenen Straftaten.

-Abschaffung des USKs, es handelt sich um eine ausschließlich in Bayern vorkommende Polizeieinheit mit rechtstaatlichen Mindestansprüchen nicht ausreichenden Sonderrechten.

-Abschaffung und Abwicklung des Inlandsgeheimdienstes, Gelder stattdessen investieren in wissenschaftliche Institutionen zur Untersuchung menschenfeindlicher und autoritärer Einstellungen und rechten Strukturen.

-Abschaffung der Vorratsdatenspeicherung! Die anlasslose Speicherung Millionen von Daten verschiedener Menschen ist nicht mit liberalen Mindeststandarts einer bürgerlichen Demokratie zu vereinen.

U3 Reduzierung von Mikroplastik

4.05.2018

Der Parteitag fordert, in Deutschland die Herstellung von Kosmetikartikeln, die Mikroplastik enthalten, sofort gesetzlich zu verbieten.