Adressat*innen: Bundesparteitag, Bundestagsfraktion, Landesgruppe Bayern in der SPD-Bundestagsfraktion
Die Landesgruppe Bayern in der SPD-Bundestagsfraktion, sowie die SPD-Bundestagsfraktion als ganze werden aufgefordert, die Vereinbarkeit der bestehenden gesetzlichen Regelungen im Recht des Umgangs, der Personensorge und des Unterhaltes mit der Entscheidung getrenntlebender Eltern für ein so genanntes Wechselmodell zu prüfen und sich gegebenenfalls für solche Gesetzesänderungen einzusetzen, die Eltern die Entscheidung für ein paritätisches Wechselmodell erleichtern. Ziel sollte sein, das Wechselmodell künftig als ausdrückliche Alternative im Gesetz zu nennen. Die Prüfung soll sich am Wohl des Kindes orientieren.
Der Begriff „Wechselmodell“ umschreibt, wenn ein Kind nach der Trennung seiner Eltern von beiden Elternteilen abwechselnd, jeweils aber mit ungefähr dem gleichen Zeitaufwand und der gleichen Verantwortlichkeit betreut wird. Das Kind lebt dabei zeitweise bei der Mutter und zeitweise beim Vater, wechselt also zwischen beiden Haushalten. In welchen Zeitabständen der Wechsel zwischen den Haushalten erfolgt, ist unterschiedlich. Es gibt halbwöchentliche, wöchentliche, aber auch größere oder kleinere Zeitabstände, in denen der Wechsel erfolgt. Damit von einem Wechselmodell gesprochen werden kann, ist wichtig, dass sich die Eltern sowohl vom Zeitaufwand als auch von ihrer elterlichen Verantwortlichkeit her ungefähr hälftig um das Kind kümmern.
Es gibt auch noch weitere Modelle, wie Kinder nach einer Trennung ihrer Eltern von diesen betreut werden. In der Bundesrepublik Deutschland hat bisher das sogenannte „Residenzmodell“ die größte Rolle gespielt. Bei diesem Modell lebt das Kind (fast) ausschließlich in dem Haushalt eines Elternteils und sucht den Haushalt des anderen Elternteils nur besuchsweise, etwa für bestimmte Stunden, für das Wochenende oder für einen Teil der Ferien auf.
Ob die Entscheidung für ein solches Wechselmodell eine sorgerechtliche Regelung ist oder eine Regelung des Umgangs darstellt, ist in der deutschen Rechtsprechung und Literatur umstritten. Hieran knüpft die Frage an, ob ein Familiengericht das Wechselmodell auf Antrag eines Elternteils auch dann anordnen kann, wenn sich die Eltern diesbezüglich nicht einig werden. Der BGH hat in einem Beschluss vom 1. Februar 2017 nun entschieden, dass ein paritätisches Wechselmodell auch im Rahmen einer gerichtlichen Umgangsregelung angeordnet werden könne – wenn dies dem Wohle des Kindes am besten entspricht. Die Vorinstanz hatte dies noch abgelehnt, weil die Entscheidung für ein Wechselmodell keine Frage des Umgangs sondern der Personensorge sei.
Die Rechtsprechung steht also vor erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten. Dies liegt auch daran, dass das Familienrecht – wenn es dies auch nicht explizit äußert – aktuell noch an einem veralteten Rollenbild orientiert zu sein. Speziell im Unterhaltsrecht wird dies deutlich, wo § 1606 III 2 BGB davon ausgeht, dass die Betreuungsleistung von einem einzelnen Elternteil erbracht wird.
Ein paritätisches Betreuungsmodell ist aber Grundlage und Voraussetzung sowohl für eine gleichberechtigte Beteiligung am Wirtschaftsleben als auch für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Daher gehen beispielsweise die Rechtsordnungen von Schweden, Belgien und Frankreich von einem Wechselmodell als gesetzlichem Regelfall aus.
Es soll daher geprüft werden, ob und gegebenenfalls welche gesetzlichen Änderungen geboten sind, Eltern die Entscheidung für ein Wechselmodell zu erleichtern. Dabei sind Auswirkungen auf das Recht des Umgangs, der Personensorge und des Unterhalts sowie des Sozialrechts und des Prozessrechts zu berücksichtigen. Die Prüfung soll am Kindeswohl orientiert sein.