Antragsteller: AfA-Niederbayern, AfA-Landesvorstand Bayern
Adressat: AfA-Landeskonferenz, AfA-Bundeskonferenz, SPD-Landesparteitag, SPD-Landtagsfraktion, SPD-Fraktionen in den bayerischen Kommunalverwaltungen, SPD-Fraktionen der bayerischen Bezirkstage, SPD- Landrät*innen, SPD-(Ober-)Bürgermeister*innen
Tarif-, Sozial- und Nachhaltigkeitsstandards bei öffentlichen Auftragsverfahren
Die SPD fordert, dass Tarif-, Sozial- und Nachhaltigkeitsstandards bei allen öffentlichen Auftragsverfahren gelten müssen.
Unabhängig derzeit fehlender gesetzlicher Bedingungen in Bayern und im Bund können auf Kommunaler Ebene (Städte/Landkreise und Bezirke) dazu Vergaberichtlinien beschlossen werden.
Deshalb fordert die SPD ihre Stadtrats- Kreistagsfraktionen sowie die Bezirkstag Fraktion auf, entsprechende Anträge (Siehe Musterantrag im Anhang als Orientierungshilfe) in ihren jeweiligen Städten/Gemeinden Landkreise und Bezirke einzubringen.
Begründung
Städte, Gemeinden, Länder und der Bund geben jedes Jahr Milliarden aus für Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser, Straßen, Dienstwagen und vieles mehr. Sie müssen ihre Marktmacht nutzen und Vorbild für die Gesamte Wirtschaft sein. Die Auftragsvergabe soll sich an sozialen und ökologischen Standards orientieren. Also am Gemeinwohl, da es schließlich um die Verwendung von Steuergeldern geht. Die Europäische Union hat schon 2014 in einer Richtlinie ökologische und soziale Kriterien aufgewertet und klargestellt, dass sie nicht „vergabefremd“, sondern legitim sind. Das 2016 in Deutschland geänderte Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen eröffnet Möglichkeiten, solche Kriterien zu berücksichtigen. Da Bayern neben Sachsen das einsitzige Bundesland ist, in dem kein Tariftreue- und Vergabegesetz besteht. Damit jedoch trotzdem künftig Mindestbedingungen eingehalten werden, können kommunale Vergaberichtlinien beitragen.
Deshalb sollte die kommunalen SPD-Fraktionen in ihren jeweiligen kommunalen Parlamenten die kommunale Vergaberichtlinien einbringen und beschließen.
Anlage:
Briefkopf
An den Rat der Stadt XXXXXX/Kreistag des Kreises
Herrn/Frau (Ober)Bürgermeister*in/Landrätin/Landrat ZZZZZZZZZZ
XXXXXX, 01.XX.20XX
Antrag an den Rat/Kreistag am XX. XX 20XX
Vergabeverfahren/Bekämpfung Schwarzarbeit/Tariftreue in XXXXXX
Sehr geehrte/r Herr/Frau (Ober)Bürgermeister*in/Landrat/Landrätin ZZZZZZZZZZ,
die Fraktion/en der AAA, BBB und CCC stellen folgenden Antrag und bitten Sie, ihn auf die Tages-ordnung der nächsten Ratssitzung zu setzen:
Antrag:
Der Rat beauftragt die Verwaltung, für die städtischen / kreislichen Vergabeverfahren ein System aus Rahmenbedingungen für die Vergabe und deren vertragliche Umsetzung zu entwickeln, das sozialverträgliche Aufträge ermöglicht, bei deren Ausführung die dort eingesetzten Beschäftigten fair bezahlt werden.
Dabei sind folgende Grundsätze zu beachten:
Schon bei der Prüfung von Ausschlussgründen achtet die Stadt / der Kreis als Auftraggeber*in darauf, dass nur Personal eingesetzt wird, das sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist und versteuert wird. Außerdem müssen die gesetzlichen Verpflichtungen zur Vergütung der zur Leistungserbringung einzusetzenden Beschäftigten eingehalten werden (gesetzlicher Mindestlohn, für allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge). Hierzu werden von den Bieter*innen nicht nur entsprechende Eigenerklärungen verlangt, die Einhaltung der Verpflichtung wird auch vertraglich sanktioniert. Außerdem kann der/die Auftraggeber*in eine Urkalkulation fordern, die auch die für die Leistungserbringung anfallenden Lohnkosten ausweist. Weicht ein Angebot mehr als 10 % vom Verfolgerfeld oder der Kostenschätzung ab, wird v.a. geprüft, ob mit diesem Preis die o.g., gesetzlichen Verpflichtungen eingehalten werden.
In der Ausschreibung des öffentlichen Auftrags wird spätestens nach Inkrafttreten eines entsprechenden, dahingehende Regelungen enthaltenden Gesetzes zusätzlich festgelegt, dass nur Unternehmen, die entsprechend tariftreu sind, den Zuschlag bekommen können.
Der/die Auftraggeber*in soll regelmäßig gehalten sein, bei der Vergabe von Lieferungen und Leistungen die Vergütung der für die Leistungserbringung einzusetzenden Arbeitnehmer*innen als Zuschlagskriterium zu berücksichtigen. Dafür gibt er in den Vergabeunterlagen die Gewichtung dieser Kriterien und die Wertungsmethode an.
Ferner soll der/die Bieter*in sich nach den zu erarbeitenden Richtlinien grundsätzlich gegenüber dem/der Auftraggeber*in verpflichten, soweit gesetzlich lt. Betriebsverfassungsgesetz gefordert über einen Betriebsrat zu verfügen. Falls lt. Bewerbungs- bzw. Verfahrensbedingungen für die Wertung maßgeblich, gibt der/die Bieter*in Erklärungen über Ausbildungsplätze sowie über Maßnahmen zur betrieblichen Gleichstellung von Frauen und Männern, und über die Förderung der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung jeweils bezogen auf die für die Leistungserbringung einsetzenden Arbeitnehmer*innen bzw. den dortigen Leistungsbereiche ab. Soweit für die Leistungserbringung oder v.a. für Lieferungen relevant, fragt der/die Auftraggeber*in auch die Einhaltung der ILO Kernarbeitsnormen ab.
Daneben soll der/die Auftraggeber*in regelmäßig ökologische Aspekte und Lebenszykluskosten als Zuschlagskriterien berücksichtigen. Jeweils gelten für die Vorgabe von Zuschlagskriterien außerhalb des Preises die oben für die Anwendung des Kriteriums Vergütung getroffenen Maßgaben (Angaben zur Gewichtung, Wertungsmethode).
Einen Vorteil kann der/die potenzielle Bieter*in bei der Anwendung dieser Kriterien im Übrigen nur verbuchen, wenn die dortigen Erklärungen auf alle zur Leistungserbringung eingesetzten Arbeitnehmer*innen, also auch auf Leiharbeitnehmer*innen und Beschäftigte von Unterauftragnehmern zutreffen und das dort angegebene Niveau durchgehend eingehalten wird.
Die Einhaltung der vertraglichen Bestimmungen ist nach der Vergabe bei der Ausführung systematisch zu kontrollieren. Bei Verstößen sollen Vertragsstrafen bis zu insgesamt 5 % der Auftragssumme und die Möglichkeit des Auftragsentzugs bei Ersatz des für die Stadt entstandenen Schadens (z.B. wegen Notwendigkeit der Neuvergabe und Verzögerung des Verfahrens) vereinbart werden.
Der Rat bittet darum, für die Ratssitzung im XX 20XX und die vorlaufend tagenden Fachausschüsse eine entsprechende Richtlinie und einen Vorschlag für das weitere Vorgehen zur Beschlussfassung vorzulegen.
Dieses System soll anschließend bei allen Gesellschaften, an denen die Stadt / der Kreis über eine Mehrheitsbeteiligung verfügt, übernommen werden.
Begründung:
Bei ihren Vergaben achtet die Stadt künftig darauf, dass die bezuschlagten Auftragnehmer*innen eine gute und faire Bezahlung der zur Leistungserbringung eingesetzten Arbeitnehmer*innen sicherstellen, auch für die Beschäftigten von Subunternehmern und für Leiharbeitnehmer*innen.
Davon wird jedenfalls ausgegangen, wenn die Bieterunternehmen tarifgebunden sind.
Solange es noch an einer landesgesetzlichen Regelung zu einem „Vergabetariflohn“ fehlt, lässt sich dies in erster Linie über die o.g. Wege sicherstellen: Verpflichtung der Bieter*innen zur Einhaltung von gültigen Gesetzesvorgaben für die Vergütung etc. auch dem/der Auftraggeber*in gegenüber (dann kann dieser Verstöße vertragsrechtlich sanktionieren, auch wenn er nicht für die Kontrolle der gesetzlichen Vorgaben zuständig ist) sowie Anwendung von Vergütungs- und sonstigen sozialen Kriterien als Zuschlagskriterien. Geregelte und faire Arbeitsverhältnisse sollen nach Möglichkeit die Regel sein.
Die öffentliche Hand ist der größte Auftraggeber. Jahr für Jahr geben die Vergabestellen des Bundes, der Länder und der Kommunen ca. 450 Milliarden Euro für die öffentliche Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen aus. Rund 14 Prozent aller öffentlichen Aufträge werden vom Bund, 30 Prozent von den Ländern und 56 Prozent von den Kommunen vergeben.
Der Staat als öffentlicher Auftraggeber ist allerdings kein normaler Marktteilnehmer. Er darf sich nicht allein von kurzfristigen Kostenüberlegungen leiten lassen. Vielmehr muss er seiner besonderen Vorbildrolle dadurch gerecht werden, dass er Steuergelder verantwortungsvoll bei der öffentlichen Auftragsvergabe verwendet und soziale und ökologische Kriterien berücksichtigt. Dabei geht es nicht nur um den Schutz der Beschäftigten vor Preisunterbietung durch Lohndumping und die Verhinderung eines Unterlaufens hiesiger sowie internationaler arbeits- und sozialrechtlicher Standards, sondern auch um die Sicherstellung einer hohen Leistungsqualität durch angemessene Bezahlung: Besser bezahlte Beschäftigte sind in aller Regel auch besser motiviert und lassen eine höhere Leistungsbereitschaft erkennen.
Eine solche Politik schützt gleichzeitig auch den Sozialstaat, da Sozialtransfers zur Ergänzung nicht existenzsichernder Löhne von Beschäftigten wegfallen, Einnahmen der Sozialversicherungen steigen und Altersarmut verhindert wird. Auch tragen auskömmliche Löhne zum Abbau bestehender Ungleichheiten in der Gesellschaft bei und stärken die Binnennachfrage, wovon auch die Wirtschaft profitiert. Soziale Kriterien steigern aber v.a. (s. dazu schon oben) die Qualität bei der Aus-führung von öffentlichen Aufträgen.
Insbesondere die Sicherstellung der Tariftreue der Unternehmen bei der Vergabe öffentlicher Auf-träge fördert die Stabilisierung des Tarifsystems, was angesichts der zurückgehenden Tarifbindung der Beschäftigten und Betriebe in Deutschland einen hohen Stellenwert hat. Das Vergabeverfahren ist der Hebel, um prekäre Beschäftigung zu verhindern und dadurch die öffentlichen Kassen zu entlasten. Eine enorme Rolle spielt dabei Schwarzarbeit. Jedoch dürften entsprechende Mindestkriterien für die Ausführung von Leistungen erst vorgegeben werden, wenn eine landesrechtliche Regelung erlassen worden ist, die dies fordert (Landesvergabegesetz).
Bei den Vorgaben bezieht sich der/die Auftraggeber*in auf die zur Leistungserbringung eingesetzten Arbeitnehmer*innen, um den Leistungsbezug zu gewährleisten. Ihm ist bewusst, dass er die Unternehmenspolitik des/der Bieters*in bzw. des/der potenziellen Auftragnehmers*in nicht beeinflussen darf, wenn es an jeglichem Leistungsbezug fehlt.
Der Rat/Kreistag von XXX kann mit dem Ansatz, aufbauend auf der VOB/A und B zwischen Auftraggeber*innen und (potenziellen) Auftragnehmer*innen zusätzliche Vertragsbedingungen vereinbaren, die helfen, „unsaubere” Praktiken am Bau zu unterbinden. In ihnen wird insbesondere festgelegt, dass weder der/die Generalauftragnehmer*in noch seine/ihre Nachunternehmer*innen Arbeitnehmer*innen illegal beschäftigen. Bei Verstößen gegen diese Festlegung muss das jeweilige Unternehmen eine Vertragsstrafe zahlen. Ein Betrag von bis zu fünf Prozent der Auftragssumme wird dafür auch von Gerichten als angemessen angesehen. Diese Strafe wird von der Vergabestelle von der Zahlung der Schlussrechnung einbehalten. Die Durchsetzung der Sanktion gestaltet sich demnach im Vergleich etwa zu Bußgeldern sehr wirksam.
Die Einhaltung eines Tarifvertrages ist die beste Methode, um prekäre Beschäftigung im Niedriglohnsektor zu verhindern und gleichzeitig sozialen Transferleistungen der Kommunen als ergänzende Hilfen vorzubeugen. Ein Gutachten von Prof. Dr. Rüdiger Krause aus 2019 für das Arbeits- und Wirtschaftsministerium im Saarland zur rechtlichen Zulässigkeit von Tariftreuereglungen kommt zu dem Ergebnis, dass Tariftreueklauseln auf Landesebene sowohl verfassungsrechtlich als auch europarechtlich zulässig sind.
Soweit vorhanden, stellen Betriebsräte einen wirksamen Schutz für Beschäftigte dar, um gute Arbeit sicherzustellen. Berufsausbildung ist der beste Weg, Fachkräfte für die Zukunft sicherzustellen und sollte im Wettbewerb einen Vorteil darstellen.
Mit freundlichen Grüßen
Volker Mustermann Andrea Musterfrau Simone Musterfrau
Fraktionsvorsitzende/r Fraktionsvorsitzende/r Fraktionsvorsitzende/r
AAA-Fraktion BBB-Fraktion CCC-Fraktion
Verteiler: Fraktionen im Rat/Kreistag der Stadt/des Kreises XXXXXX, Beigeordnete, Integrationsrat