I4 Strafverteidigung für alle - unabhängig vom Geldbeutel

Status:
Mit Änderungen angenommen

Forderungen:

  •     Bereits bei Vergehen (Mindeststrafandrohung unter einem Jahr) soll ein Anspruch auf eine*n von staatlicher Seite gestellte*n Verteidiger*in bestehen
  •     Belehrung hierüber erfolgt zur Zeit der Anklageerhebung
  •     Entscheidungspflicht der angeklagten Person. Trifft sie keine Entscheidung, wird ein*e Verteidiger*in hinzugezogen
  •     Verteidiger*innen-Kosten werden vom Staat ausgelegt und bei Unfähigkeit der angeklagten Person, die Kosten zu tragen, erlassen
  •     Zur Sicherstellung der Deckung des Verteidiger*innen-Bedarfs Errichtung einer eigenen Behörde als quasi Spiegelbild zur Staatsanwaltschaft

 

Begründung: „Sie haben das Recht auf einen Anwalt“, heißt es regelmäßig in amerikanischen Crime-Serien, wenn die verdächtige Person die Handschellen angelegt bekommt. Was wie eine Selbstverständlichkeit klingt, würde so in deutschen Krimis wohl nicht vorkommen: Zwar kann man auch in Deutschland jederzeit eine*n Anwalt*in konsultieren, eine Pflichtverteidigung stellt jedoch die Ausnahme von der Regel dar. Lediglich 10% aller Beschuldigten erhalten eine Pflichtverteidigung. Hintergrund hiervon ist, dass nur Verbrechen, also Straftaten mit einer Mindeststrafandrohung von einem Jahr Freiheitsstrafe, von der Pflichtverteidigungsregel in § 140 StPO umfasst sind. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass 90% aller Strafverfahren nur dann unter Mitwirkung eine:r Verteidiger:in erfolgen, wenn ein:e Beschuldigte*r das Geld hierfür aufbringen kann. Wie aussichtslos eine hieraus resultierende Selbstverteidigung durch rechtliche Laien in der Praxis ist, zeigt eine Umfrage unter den Richter*innen am Amtsgericht Frankfurt: Mit Rechtsbeistand erfolgte ein Freispruch immerhin noch in 7 % aller Fälle. Ohne Rechtsbeistand sank die Freispruchquote auf nahezu 0 %. Die Erkenntnis hieraus ist somit, dass es nicht angehen kann, dass Menschen auf Basis ihres Kontostandes schlechtere Erfolgsaussichten vor einem Strafgericht haben als gut Betuchte. Folglich wollen wir jede*n dazu befähigen, einen Rechtsbeistand an die Seite gestellt zu bekommen, indem jede*r Angeklagte ein Recht auf einen staatlich gestellte*n Verteidiger*in erhalten soll. Hierzu hat die:der Richter*in die angeklagte Person auch bei Vergehen darüber zu belehren, dass ihr ein Rechtsbeistand zur Seite gestellt werden kann. Die Belehrung hat außerdem zu umfassen, dass der Staat die Kosten hierfür übernimmt, sollte die:der Angeklagte nicht im Stande sein, die Kosten zu tragen. Lehnt die angeklagte Person die Geltendmachung ihres Rechts aktiv ab (beispielsweise weil sie kein Interesse an der Fortführung des Verfahrens hat), erkennen wir die Eigenverantwortlichkeit der Entscheidung an. Jedoch gibt es auch Verfahren gegen Personen, die intellektuell und/oder sprachlich bedingt nicht in der Lage sind, ein Recht vor Gericht geltend zu machen. In diesen Fällen sowie in den Fällen, in denen sich eine Person schlicht nicht entscheiden kann, ob sie sich verteidigen lassen möchte oder nicht, soll die Person eine:n Verteidiger*in gestellt bekommen. Hiermit stellen wir sicher, dass jede:r vor Gericht die gleichen Ausgangschancen hat. 

Nachdem hieraus ein deutlich höherer Bedarf an Verteidiger:innen resultiert, fordern wir für die genannten Fälle eine eigene Behörde, quasi ein Spiegelbild der Staatsanwaltschaft. Dies stellt keine Verdrängung der restlichen Anwält*innenschaft dar, da diese immer noch als Wahlverteidiger:innen herangezogen werden kann. Der Benefit hiervon ist, dass sichergestellt werden kann, dass die Qualität der Verteidigung stimmt und die Anwält*innen auch bei in der Regel eigentlich unlukrativen Mandaten angemessen vergütet werden.

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Änderungsanträge
Status Kürzel Aktion Seite Zeile AntragstellerInnen Text PDF
Annahme Ä1 zum I4 Z. 25-26 Jusos Oberbayern Streiche: Zur Sicherstellung der Deckung des Verteidiger*innen-Bedarfs Errichtung einer eigenen Behörde als quasi Spiegelbild zur Staatsanwaltschaft
Beschluss: Mit Änderungen Angenommen
Text des Beschlusses:

Forderungen:

  •     Bereits bei Vergehen (Mindeststrafandrohung unter einem Jahr) soll ein Anspruch auf eine*n von staatlicher Seite gestellte*n Verteidiger*in bestehen
  •     Belehrung hierüber erfolgt zur Zeit der Anklageerhebung
  •     Entscheidungspflicht der angeklagten Person. Trifft sie keine Entscheidung, wird ein*e Verteidiger*in hinzugezogen
  •     Verteidiger*innen-Kosten werden vom Staat ausgelegt und bei Unfähigkeit der angeklagten Person, die Kosten zu tragen, erlassen

 

Begründung: „Sie haben das Recht auf einen Anwalt“, heißt es regelmäßig in amerikanischen Crime-Serien, wenn die verdächtige Person die Handschellen angelegt bekommt. Was wie eine Selbstverständlichkeit klingt, würde so in deutschen Krimis wohl nicht vorkommen: Zwar kann man auch in Deutschland jederzeit eine*n Anwalt*in konsultieren, eine Pflichtverteidigung stellt jedoch die Ausnahme von der Regel dar. Lediglich 10% aller Beschuldigten erhalten eine Pflichtverteidigung. Hintergrund hiervon ist, dass nur Verbrechen, also Straftaten mit einer Mindeststrafandrohung von einem Jahr Freiheitsstrafe, von der Pflichtverteidigungsregel in § 140 StPO umfasst sind. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass 90% aller Strafverfahren nur dann unter Mitwirkung eine:r Verteidiger:in erfolgen, wenn ein:e Beschuldigte*r das Geld hierfür aufbringen kann. Wie aussichtslos eine hieraus resultierende Selbstverteidigung durch rechtliche Laien in der Praxis ist, zeigt eine Umfrage unter den Richter*innen am Amtsgericht Frankfurt: Mit Rechtsbeistand erfolgte ein Freispruch immerhin noch in 7 % aller Fälle. Ohne Rechtsbeistand sank die Freispruchquote auf nahezu 0 %. Die Erkenntnis hieraus ist somit, dass es nicht angehen kann, dass Menschen auf Basis ihres Kontostandes schlechtere Erfolgsaussichten vor einem Strafgericht haben als gut Betuchte. Folglich wollen wir jede*n dazu befähigen, einen Rechtsbeistand an die Seite gestellt zu bekommen, indem jede*r Angeklagte ein Recht auf einen staatlich gestellte*n Verteidiger*in erhalten soll. Hierzu hat die:der Richter*in die angeklagte Person auch bei Vergehen darüber zu belehren, dass ihr ein Rechtsbeistand zur Seite gestellt werden kann. Die Belehrung hat außerdem zu umfassen, dass der Staat die Kosten hierfür übernimmt, sollte die:der Angeklagte nicht im Stande sein, die Kosten zu tragen. Lehnt die angeklagte Person die Geltendmachung ihres Rechts aktiv ab (beispielsweise weil sie kein Interesse an der Fortführung des Verfahrens hat), erkennen wir die Eigenverantwortlichkeit der Entscheidung an. Jedoch gibt es auch Verfahren gegen Personen, die intellektuell und/oder sprachlich bedingt nicht in der Lage sind, ein Recht vor Gericht geltend zu machen. In diesen Fällen sowie in den Fällen, in denen sich eine Person schlicht nicht entscheiden kann, ob sie sich verteidigen lassen möchte oder nicht, soll die Person eine:n Verteidiger*in gestellt bekommen. Hiermit stellen wir sicher, dass jede:r vor Gericht die gleichen Ausgangschancen hat.

Nachdem hieraus ein deutlich höherer Bedarf an Verteidiger:innen resultiert, fordern wir für die genannten Fälle eine eigene Behörde, quasi ein Spiegelbild der Staatsanwaltschaft. Dies stellt keine Verdrängung der restlichen Anwält*innenschaft dar, da diese immer noch als Wahlverteidiger:innen herangezogen werden kann. Der Benefit hiervon ist, dass sichergestellt werden kann, dass die Qualität der Verteidigung stimmt und die Anwält*innen auch bei in der Regel eigentlich unlukrativen Mandaten angemessen vergütet werden.

Beschluss-PDF: