I4 Mobilisierung der Demokratie. Handlungsfähiger Staat - soziale Gerechtigkeit - Demokratie - Solidarität

Status:
Überweisung

(Impuls für eine politische Offensive der Bayern-SPD: Blick nach vorn statt zurück im Zorn)

 

 

 

Es gehört zum Standard in den aktuellen Kommentaren zur politischen Lage: Demokratie, Wohlstand, gesellschaftlicher Zusammenhalt – alles ist in höchster Gefahr. Auch der Freistaat Bayern rückt unter Führung von CSU, Freien Wählern und AfD nach rechts.

Anstatt über die täglichen Symptome wollen wir über Ursachen und Lösungen diskutieren und entscheiden. Die Sozialdemokratie muss wieder den Mut fassen, die Widersprüche und Aufgaben unserer Zeit klar zu benennen und um Mehrheiten für die notwendigen Veränderungen zu kämpfen.

Dazu gehört es, die Landespolitik und die Arbeit der BayernSPD in den Zusammenhang der bundesweiten und internationalen Entwicklung zu stellen. Das haben die Wähler*innen bei der Landtagswahl getan, und bei den bevorstehenden Europa- und Bundestagswahlen versteht es sich von selbst. Erfolgreiche sozialdemokratische Politik in Bayern kann nie nur Landes- oder Kommunalpolitik sein. Nur wenn sich die Zustimmung zur SPD insgesamt verbessert, steigen unsere Chancen für Erfolge bei der Kommunalwahl 2026.

 

Die Wahlerfolge der AfD und der politische Rechtsruck in vielen Staaten der Welt haben Millionen Menschen in Deutschland für die Demokratie und gegen Hetze und Spaltung auf die Straßen und Plätze gebracht. Es ist die Pflicht und Chance der Sozialdemokratie – gerade in Bayern – diese Entwicklung nicht verpuffen zu lassen, sondern ein attraktives Angebot für die inhaltliche Füllung des Rufes nach Zusammenhalt und Mitwirkung zu entwickeln, inhaltlich wie organisatorisch.

Zur Belebung der Demokratie in allen Lebensbereichen kann der Freistaat einiges beitragen: in der Bildungspolitik, in der Kommunalpolitik, im Öffentlichen Dienst, in der Wirtschaft, bei der Gestaltung der Transformation, bei der Rückführung öffentlicher Dienstleistungen in die öffentliche Hand….  Echte Mitbestimmung für Schüler*innen, Einführung und Ausbau des Sozialkunde- Unterrichts und der politischen Erwachsenenbildung, Kita-Eltern auf Landesebene, Ent-Hierarchisierung der Kommunalpolitik, Mitbestimmung bei der Regional- und Energieplanung, Verkürzung der Wahlperiode in den Kommunen, Jugendparlamente verpflichtend, Mitbestimmung von Arbeitenden und Gewerkschaften bei der Transformation der Wirtschaft, öffentliche Daseinsvorsorge in öffentliche Hände wie beispielsweise Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Ver- und Entsorgung sind nur einige Beispiele aus traditionellen Forderungen der BayernSPD, die es in einem Konzept „Mobilisierung der Demokratie“ zusammenzufassen gilt.

 

Wir dürfen dabei nicht in Beliebigkeiten stecken bleiben. Demokratie ist keine leere Hülle. Sie muss mit dem Diskurs über die Situation der Menschen, ihrer Sicht der Dinge und mit Lösungsvorschlägen gefüllt werden. Dafür bieten wir in kurzen Schlagworten die im Folgenden genannten Ansätze.

 

Wir haben es mit mehreren ineinander verschränkten Krisen zu tun:

  • Seit Mitte der 1970er Jahre befinden wir uns in einer neuen Phase der weltweiten wirtschaftlichen Entwicklung: das Wohlstandsmodell der Zeit nach dem Weltkrieg wurde schrittweise vom Neoliberalismus abgelöst: globale Unternehmen und superreiche Einzelpersonen befreien sich von den Verpflichtungen aus staatlicher Regulierung, von Sozialstaat, Steuern, Arbeitsbeziehungen, Rechtsetzung. Finanzmärkte ermöglichen das Abheben von lokalen und regionalen Bindungen. Es läuft eine Periode der Umverteilung des wachsenden Reichtums von unten nach oben mit einer sich zuspitzenden sozialen Krise. Immer mehr Menschen erleben unsere Gesellschaft als ungerecht und zweifeln an der Demokratie.
  • Auch die weltweiten Ungleichgewichte zwischen den entwickelten kapitalstarken Industrieländern und den Regionen des sogenannten globalen Südens nehmen zu. Bevölkerungsreiche und wirtschaftlich dynamische „Schwellenländer“ wie China, Indien, Brasilien suchen Verbündete und Einflusszonen. Sie beanspruchen mit wachsendem Selbstbewusstsein Mitsprache auf der Weltbühne und lassen sich nicht westliche Normen aufzwingen. Die kapitalschwachen Länder bleiben weiter in Abhängigkeit. Zusammen mit dem Wohlstandsgefälle zu den ehemaligen Ostblockstaaten übt das Druck auf die Arbeits- und Lebensbedingungen in den entwickelteren Ländern aus. An den Rändern der Zonen unterschiedlichen Reichtums entstehen immer neue Konflikte und Brandherde. Hier werden neue Mauern und Grenzen gezogen. Globale geopolitische Krisen und Kriege um Rohstoffe, Märkte, Handelswege, territoriale Ansprüche und Einflusszonen samt weltpolitischem Einfluss nehmen zu. Das westliche Modell von Freiheit und Demokratie büßt weltweit und im Inneren an Zustimmung ein. Der Ruf nach starker und autoritärer Führung wird lauter. Autokratien, Diktaturen und nationalistische Bewegungen verschiedener Schattierungen sehen sich als Alternativen zu den liberalen Demokratien im Aufwind. Auch angesichts immer neuer Verstöße gegen das Völkerrecht scheint die „Friedensdividende“ aus dem Ende des Kalten Krieges aufgezehrt. Dies wiederum setzt eine neue teure Rüstungsspirale in Gang, die erhebliche wirtschaftlichen, sozialen und ökologische Folgen nach sich zieht.
  • Immer mehr wird die Endlichkeit und begrenzte Belastbarkeit der natürlichen Ressourcen, von Rohstoffen, Wasser und Klima wahrnehmbar. Die Konkurrenz der Volkswirtschaften und Staaten schwächt die Wirkung von Programmen gegen die ökologische Krise.
  • Die Arbeitswelt unterliegt, beschleunigt durch die Pandemie, einer umfassenden Transformation. Digitalisierung, künstliche Intelligenz, Ausstieg aus dem fossilen Zeitalter, neue Formen der Mobilität erfassen alle Bereiche der gesellschaftlichen Arbeit von der Landwirtschaft über die Industrie bis zu Dienstleistungen und Kultur. Sie führen zu neuen Spaltungen, Abstiegen und Individualisierungen, zu Status- und Zukunftsängsten. Positive Szenarien und Chancen, um die gekämpft werden muss, haben derzeit kaum Konjunktur.
  • Reichtumsgefälle, Klimawandel, zunehmende inner- und zwischenstaatliche Gewalt verursachen weltweite Migration und Wanderungsbewegungen, die mit nicht hinnehmbarem menschlichem Leid verbunden sind. Sie führen in den Herkunfts-, Transit- und Zielländern zu wachsenden wirtschaftlichen, sozialen und politischen Belastungen und Verwerfungen.
  • Der neoliberale Traum vom „Schlanken Staat“, die kapitalgetriebene Globalisierung, der dadurch mitverursachte Einnahmeschwund bei der Besteuerung von Kapital, die Erpressbarkeit nationaler Politik durch globale Konzerne und Investoren, erhöhter Regulierungsbedarf, steigende Reparaturkosten für die Krisenfolgen und militärische Aufrüstung höhlen staatliche Handlungsfähigkeit und demokratische Handlungsspielräume aus. Aus einer verunsicherten, mehrfach gespaltenen Gesellschaft erwachsen derzeit keine politischen Mehrheiten, die die Kraft hätten, eine Umverteilung von Macht und Geld durchzusetzen. So gerät beispielsweise die finanzpolitische Selbstfesselung Deutschlands und der EU durch diverse „Schuldenbremsen“ zur Zukunftsblockade und zum sozialen Sprengsatz. Die Pandemie und der Problemstau haben den Staat zu immer enger getakteten Maßnahmen veranlasst, die tief in Alltagsgewohnheiten und Besitzstände eingreifen. Berechtigte Kritik daran und an der immer stärker empfundenen Bürokratie muss in einen zielgerichteten Prozess der Überprüfung einmünden. Maßnahmen und Bürokratie sind an ihrer Notwendigkeit, Angemessenheit und Gerechtigkeit zu messen. Dabei geht es insbesondere um Regelungen, die den Zugang zu sozialen Leistungen erschweren, von Sonder- und Ausnahmeregelungen, die von einflussreichen Gruppen durchgesetzt wurden und um länderspezifischer Sonder- Ausnahmeregelungen, die Ausfluss eines falsch verstandenen Föderalismus sind.
  • Gewerkschaften, Verbände und gesellschaftliche Bewegungen, die auf solidarischem Handeln fußen, wirken zwar teilweise in ihrem unmittelbaren Umfeld, verlieren aber gegenüber mächtigen Sonderinteressen an politischem Einfluss. Die Veränderungen in der Zivilgesellschaft verstärken die Krisen der Demokratie. Es entsteht ein Kreislauf von Entsolidarisierung, Radikalisierung und Rechtsverschiebung im gesamten gesellschaftlichen und politischen Spektrum.

 

In dieser Situation ist die Sozialdemokratie gefordert, diese tiefen Krisen zu erkennen und Antworten zu geben. Sie muss dies erst recht tun in Regierungsverantwortung, in der Koalitionskompromisse mangels eigener Mehrheiten notwendig sind. Ausgangspunkt eines solchen Sofortprogramms müssen Demokratie, Gute Arbeit und soziale Gerechtigkeit sein.

 

Wir fordern eine Mobilisierung der sozialen Demokratie mit folgenden Hauptzielen:

 

  1. Handlungsfähiger Staat: Vorrang für Gerechtigkeit, Respekt, Gleichstellung, Solidarität:
  • Erhalt/Schaffung einer flächendeckenden, qualitativ angemessenen Infrastruktur in Bereichen des alltäglichen Bedarfs wie Mobilität, Kinderbetreuung, Bildung, Post- und Finanzdienstleistungen, Gesundheit. Erhalt des 49€-Tickets und Erhöhung der Regionalisierungsmittel für den Schienenpersonenverkehr. Stopp aller weiteren Privatisierungen und Verkäufe staatlichen und öffentlichen Eigentums in den Bereichen Infrastruktur und Daseinsvorsorge. In diesen Bereichen auch Rückführungen in vollständiges öffentliches Eigentum wie beispielsweise bei Bahn, Post, Telekommunikationsnetzen, Energie, Gesundheit. Schaffung eines marktbeherrschenden Korridors öffentlichen Eigentums in zentralen Bereichen der Daseinsvorsorge wie soziale Dienstleistungen, Banken und Wohnen. Angemessene finanzielle Ausstattung der Kommunen. Finanzierung durch eine Vermögensabgabe und eine Sonderbesteuerung von Krisengewinnen, beispielsweise im Energie- und Rüstungssektor. Reform des öffentlichen Dienstes: angemessene Personalausstattung, gesetzlich geregelte Transparenz, Demokratisierung, geordnete Digitalisierung über alle staatlichen Ebenen hinweg. Dadurch mehr Bürgerfreundlichkeit, bessere Rechtsdurchsetzung bei Schwarzarbeit, Steuerdelikten, Geldwäsche, Sicherheit und Demokratiegefährdung. Systematischer, ursachengerechter und zielgerichteter Abbau von Bürokratie.
  • Mindestlohn von 60 % des Medianlohnes nach den Richtlinien der EU;
  • Tarifbindung von 80%, insbesondere durch ein neues Vergaberecht mit Tariftreue für alle wesentlichen Teile der gesamten Lieferkette; durch ein Zuwanderungsrecht, das die Arbeitserlaubnis für Beschäftigte aus Drittstaaten an die Tarifbindung des Arbeitgebers und die Zustimmung des Betriebsrates knüpft. Keine Kürzungen in der Arbeitsmarktpolitik. Recht auf arbeitgeberfinanzierte Weiterbildung. Abschaffung des kirchlichen Arbeitsrechts. Erfassung und Kontrolle aller Arbeitszeiten, Schließung des „gender pay gap“ und „gender care gap“.
  • Paritätische Mitbestimmung in allen Unternehmen ab 500 Beschäftigten mit erweitertem Katalog an zustimmungspflichtigen Geschäften für Betriebs-, Personal- und Aufsichtsräte.
  • Pflege- und Rentenreform: Erwerbstätigenversicherung bei Rente, Rentenniveau 53% ohne Privatisierung, degressiv gestaffelte Übernahme des Arbeitnehmerbeitrags für Geringverdienende durch den Arbeitgeber. Bürgerversicherung in der Kranken- und Pflegeversicherung für alle Bevölkerungsgruppen und Einkommensarten, mit einer Pflege-Vollversicherung, bei Kapitalerträgen gegebenenfalls mitfinanziert über Steuern.
  • Offensive für öffentliche Investitionen, u.a. Schaffung eines Sondervermögens für Infrastruktur; dadurch auch Auslösung und Förderung privater Investitionen, Beteiligung der lokalen/regionalen Bevölkerung an den Entscheidungen und der Wertschöpfung; Transformation und den Bau bezahlbaren Wohnraums; Investition der Rücklagen der Gesetzlichen Rentenversicherung in den Bau bezahlbaren Wohnraums im Eigentum der GRV. Unterstützung der industriellen Transformation durch staatlich geförderte und gewerkschaftlich mitbestimmte „Transformationscluster“, Förderung einer klimagerechten, nachhaltigen Produktion. Bindung aller staatlichen Zuschüsse an tarifliche Arbeitsbedingungen, Mitbestimmung und mindestens zehnjährige Standorttreue.
  • Einrichtung von zentralen Anlaufstellen (Beratung, Beschwerden, Überleitung in das staatliche Rechtssystem) in der Regie der Gewerkschaften für alle Konflikte und Verstöße im Bereich der Arbeitswelt: von Whistleblowing über Nichteinhaltung von Schutzrechten, Mindestlohn und Tarifverträgen, Union-Busting, Betriebs- und Personalvertretungsrecht…
  • Umfassende Steuerreform zugunsten der Arbeitseinkommen zulasten von großen Vermögen und Spitzeneinkommen. Vereinfachung des Umsatzsteuerrechts. Rückerstattung der co2-Abgabe ab 1.1.2025 durch ein Klimageld für BezieherInnen mittlerer und geringer Einkommen.

 

 

  1. Internationaler Bereich: Mehr Diplomatie wagen, Handel im Dienst der Gerechtigkeit
  • Sofortige diplomatische Initiativen zur Beendigung des Krieges in der Ukraine und in Nahost.
  • Reform der Handelspolitik durch Ausbau des Systems der Klimazölle und Einführung eines Sozialen Grenzausgleichssystems mit Zöllen gegen Lohn- und Sozialdumping, auch als Weiterentwicklung des Lieferkettengesetzes auf europäischer Ebene und mit einem neuen Ansatz in der WTO (Welthandelsorganisation).

 

 

III. Parlamentarische Demokratie leben – Partei von oben her demokratisieren

  • Belebung der parlamentarischen Demokratie: keine einsamen Entscheidungen größerer Tragweite durch kleine Spitzenrunden, rechtzeitige Beteiligung von Fraktion und Partei.
  • Wiederbelebung und Modernisierung der innerparteilichen Demokratie: Schluss mit dem Leitantragswesen auf Bundesparteitagen, mehr Zeit für inhaltliche Debatten, Teilplenen, Transparenz bei Personalentscheidungen, Zugang zu Protokollen von Vorstandsgremien für Vorstandsmitglieder der jeweils nächsten Ebene, Kernwählerschaft durch Stärkung der strategischen Arbeitsgemeinschaften einbinden, Gremiendschungel auf Bundesebene lichten, analogen Austausch und digitale Vernetzung der Parteigremien und -Mitglieder untereinander ermöglichen und unterstützen. Rolle von Haupt- und Ehrenamt klären und zeitgemäß definieren. Satzungsmäßige Regelungen zur Bearbeitung und Beantwortung von Beschlüssen, Anträgen, Anfragen und deren Berücksichtigung bei der gemeinsamen Willensbildung der Partei. Das alles gilt analog für die Landesebene.
Empfehlung der Antragskommission:
Material zu LAT1
Barrierefreies PDF:
Beschluss: Überweisung als Material zu LAT1
Text des Beschlusses:

(Impuls für eine politische Offensive der Bayern-SPD: Blick nach vorn statt zurück im Zorn)

Es gehört zum Standard in den aktuellen Kommentaren zur politischen Lage: Demokratie, Wohlstand, gesellschaftlicher Zusammenhalt – alles ist in höchster Gefahr. Auch der Freistaat Bayern rückt unter Führung von CSU, Freien Wählern und AfD nach rechts.

Anstatt über die täglichen Symptome wollen wir über Ursachen und Lösungen diskutieren und entscheiden. Die Sozialdemokratie muss wieder den Mut fassen, die Widersprüche und Aufgaben unserer Zeit klar zu benennen und um Mehrheiten für die notwendigen Veränderungen zu kämpfen.

Dazu gehört es, die Landespolitik und die Arbeit der BayernSPD in den Zusammenhang der bundesweiten und internationalen Entwicklung zu stellen. Das haben die Wähler*innen bei der Landtagswahl getan, und bei den bevorstehenden Europa- und Bundestagswahlen versteht es sich von selbst. Erfolgreiche sozialdemokratische Politik in Bayern kann nie nur Landes- oder Kommunalpolitik sein. Nur wenn sich die Zustimmung zur SPD insgesamt verbessert, steigen unsere Chancen für Erfolge bei der Kommunalwahl 2026.

Die Wahlerfolge der AfD und der politische Rechtsruck in vielen Staaten der Welt haben Millionen Menschen in Deutschland für die Demokratie und gegen Hetze und Spaltung auf die Straßen und Plätze gebracht. Es ist die Pflicht und Chance der Sozialdemokratie – gerade in Bayern – diese Entwicklung nicht verpuffen zu lassen, sondern ein attraktives Angebot für die inhaltliche Füllung des Rufes nach Zusammenhalt und Mitwirkung zu entwickeln, inhaltlich wie organisatorisch.

Zur Belebung der Demokratie in allen Lebensbereichen kann der Freistaat einiges beitragen: in der Bildungspolitik, in der Kommunalpolitik, im Öffentlichen Dienst, in der Wirtschaft, bei der Gestaltung der Transformation, bei der Rückführung öffentlicher Dienstleistungen in die öffentliche Hand….  Echte Mitbestimmung für Schüler*innen, Einführung und Ausbau des Sozialkunde- Unterrichts und der politischen Erwachsenenbildung, Kita-Eltern auf Landesebene, Ent-Hierarchisierung der Kommunalpolitik, Mitbestimmung bei der Regional- und Energieplanung, Verkürzung der Wahlperiode in den Kommunen, Jugendparlamente verpflichtend, Mitbestimmung von Arbeitenden und Gewerkschaften bei der Transformation der Wirtschaft, öffentliche Daseinsvorsorge in öffentliche Hände wie beispielsweise Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Ver- und Entsorgung sind nur einige Beispiele aus traditionellen Forderungen der BayernSPD, die es in einem Konzept „Mobilisierung der Demokratie“ zusammenzufassen gilt.

Wir dürfen dabei nicht in Beliebigkeiten stecken bleiben. Demokratie ist keine leere Hülle. Sie muss mit dem Diskurs über die Situation der Menschen, ihrer Sicht der Dinge und mit Lösungsvorschlägen gefüllt werden. Dafür bieten wir in kurzen Schlagworten die im Folgenden genannten Ansätze.

Wir haben es mit mehreren ineinander verschränkten Krisen zu tun:

  • Seit Mitte der 1970er Jahre befinden wir uns in einer neuen Phase der weltweiten wirtschaftlichen Entwicklung: das Wohlstandsmodell der Zeit nach dem Weltkrieg wurde schrittweise vom Neoliberalismus abgelöst: globale Unternehmen und superreiche Einzelpersonen befreien sich von den Verpflichtungen aus staatlicher Regulierung, von Sozialstaat, Steuern, Arbeitsbeziehungen, Rechtsetzung. Finanzmärkte ermöglichen das Abheben von lokalen und regionalen Bindungen. Es läuft eine Periode der Umverteilung des wachsenden Reichtums von unten nach oben mit einer sich zuspitzenden sozialen Krise. Immer mehr Menschen erleben unsere Gesellschaft als ungerecht und zweifeln an der Demokratie.
  • Auch die weltweiten Ungleichgewichte zwischen den entwickelten kapitalstarken Industrieländern und den Regionen des sogenannten globalen Südens nehmen zu. Bevölkerungsreiche und wirtschaftlich dynamische „Schwellenländer“ wie China, Indien, Brasilien suchen Verbündete und Einflusszonen. Sie beanspruchen mit wachsendem Selbstbewusstsein Mitsprache auf der Weltbühne und lassen sich nicht westliche Normen aufzwingen. Die kapitalschwachen Länder bleiben weiter in Abhängigkeit. Zusammen mit dem Wohlstandsgefälle zu den ehemaligen Ostblockstaaten übt das Druck auf die Arbeits- und Lebensbedingungen in den entwickelteren Ländern aus. An den Rändern der Zonen unterschiedlichen Reichtums entstehen immer neue Konflikte und Brandherde. Hier werden neue Mauern und Grenzen gezogen. Globale geopolitische Krisen und Kriege um Rohstoffe, Märkte, Handelswege, territoriale Ansprüche und Einflusszonen samt weltpolitischem Einfluss nehmen zu. Das westliche Modell von Freiheit und Demokratie büßt weltweit und im Inneren an Zustimmung ein. Der Ruf nach starker und autoritärer Führung wird lauter. Autokratien, Diktaturen und nationalistische Bewegungen verschiedener Schattierungen sehen sich als Alternativen zu den liberalen Demokratien im Aufwind. Auch angesichts immer neuer Verstöße gegen das Völkerrecht scheint die „Friedensdividende“ aus dem Ende des Kalten Krieges aufgezehrt. Dies wiederum setzt eine neue teure Rüstungsspirale in Gang, die erhebliche wirtschaftlichen, sozialen und ökologische Folgen nach sich zieht.
  • Immer mehr wird die Endlichkeit und begrenzte Belastbarkeit der natürlichen Ressourcen, von Rohstoffen, Wasser und Klima wahrnehmbar. Die Konkurrenz der Volkswirtschaften und Staaten schwächt die Wirkung von Programmen gegen die ökologische Krise.
  • Die Arbeitswelt unterliegt, beschleunigt durch die Pandemie, einer umfassenden Transformation. Digitalisierung, künstliche Intelligenz, Ausstieg aus dem fossilen Zeitalter, neue Formen der Mobilität erfassen alle Bereiche der gesellschaftlichen Arbeit von der Landwirtschaft über die Industrie bis zu Dienstleistungen und Kultur. Sie führen zu neuen Spaltungen, Abstiegen und Individualisierungen, zu Status- und Zukunftsängsten. Positive Szenarien und Chancen, um die gekämpft werden muss, haben derzeit kaum Konjunktur.
  • Reichtumsgefälle, Klimawandel, zunehmende inner- und zwischenstaatliche Gewalt verursachen weltweite Migration und Wanderungsbewegungen, die mit nicht hinnehmbarem menschlichem Leid verbunden sind. Sie führen in den Herkunfts-, Transit- und Zielländern zu wachsenden wirtschaftlichen, sozialen und politischen Belastungen und Verwerfungen.
  • Der neoliberale Traum vom „Schlanken Staat“, die kapitalgetriebene Globalisierung, der dadurch mitverursachte Einnahmeschwund bei der Besteuerung von Kapital, die Erpressbarkeit nationaler Politik durch globale Konzerne und Investoren, erhöhter Regulierungsbedarf, steigende Reparaturkosten für die Krisenfolgen und militärische Aufrüstung höhlen staatliche Handlungsfähigkeit und demokratische Handlungsspielräume aus. Aus einer verunsicherten, mehrfach gespaltenen Gesellschaft erwachsen derzeit keine politischen Mehrheiten, die die Kraft hätten, eine Umverteilung von Macht und Geld durchzusetzen. So gerät beispielsweise die finanzpolitische Selbstfesselung Deutschlands und der EU durch diverse „Schuldenbremsen“ zur Zukunftsblockade und zum sozialen Sprengsatz. Die Pandemie und der Problemstau haben den Staat zu immer enger getakteten Maßnahmen veranlasst, die tief in Alltagsgewohnheiten und Besitzstände eingreifen. Berechtigte Kritik daran und an der immer stärker empfundenen Bürokratie muss in einen zielgerichteten Prozess der Überprüfung einmünden. Maßnahmen und Bürokratie sind an ihrer Notwendigkeit, Angemessenheit und Gerechtigkeit zu messen. Dabei geht es insbesondere um Regelungen, die den Zugang zu sozialen Leistungen erschweren, von Sonder- und Ausnahmeregelungen, die von einflussreichen Gruppen durchgesetzt wurden und um länderspezifischer Sonder- Ausnahmeregelungen, die Ausfluss eines falsch verstandenen Föderalismus sind.
  • Gewerkschaften, Verbände und gesellschaftliche Bewegungen, die auf solidarischem Handeln fußen, wirken zwar teilweise in ihrem unmittelbaren Umfeld, verlieren aber gegenüber mächtigen Sonderinteressen an politischem Einfluss. Die Veränderungen in der Zivilgesellschaft verstärken die Krisen der Demokratie. Es entsteht ein Kreislauf von Entsolidarisierung, Radikalisierung und Rechtsverschiebung im gesamten gesellschaftlichen und politischen Spektrum.

In dieser Situation ist die Sozialdemokratie gefordert, diese tiefen Krisen zu erkennen und Antworten zu geben. Sie muss dies erst recht tun in Regierungsverantwortung, in der Koalitionskompromisse mangels eigener Mehrheiten notwendig sind. Ausgangspunkt eines solchen Sofortprogramms müssen Demokratie, Gute Arbeit und soziale Gerechtigkeit sein.

Wir fordern eine Mobilisierung der sozialen Demokratie mit folgenden Hauptzielen:

 

  1. Handlungsfähiger Staat: Vorrang für Gerechtigkeit, Respekt, Gleichstellung, Solidarität:
  • Erhalt/Schaffung einer flächendeckenden, qualitativ angemessenen Infrastruktur in Bereichen des alltäglichen Bedarfs wie Mobilität, Kinderbetreuung, Bildung, Post- und Finanzdienstleistungen, Gesundheit. Erhalt des 49€-Tickets und Erhöhung der Regionalisierungsmittel für den Schienenpersonenverkehr. Stopp aller weiteren Privatisierungen und Verkäufe staatlichen und öffentlichen Eigentums in den Bereichen Infrastruktur und Daseinsvorsorge. In diesen Bereichen auch Rückführungen in vollständiges öffentliches Eigentum wie beispielsweise bei Bahn, Post, Telekommunikationsnetzen, Energie, Gesundheit. Schaffung eines marktbeherrschenden Korridors öffentlichen Eigentums in zentralen Bereichen der Daseinsvorsorge wie soziale Dienstleistungen, Banken und Wohnen. Angemessene finanzielle Ausstattung der Kommunen. Finanzierung durch eine Vermögensabgabe und eine Sonderbesteuerung von Krisengewinnen, beispielsweise im Energie- und Rüstungssektor. Reform des öffentlichen Dienstes: angemessene Personalausstattung, gesetzlich geregelte Transparenz, Demokratisierung, geordnete Digitalisierung über alle staatlichen Ebenen hinweg. Dadurch mehr Bürgerfreundlichkeit, bessere Rechtsdurchsetzung bei Schwarzarbeit, Steuerdelikten, Geldwäsche, Sicherheit und Demokratiegefährdung. Systematischer, ursachengerechter und zielgerichteter Abbau von Bürokratie.
  • Mindestlohn von 60 % des Medianlohnes nach den Richtlinien der EU;
  • Tarifbindung von 80%, insbesondere durch ein neues Vergaberecht mit Tariftreue für alle wesentlichen Teile der gesamten Lieferkette; durch ein Zuwanderungsrecht, das die Arbeitserlaubnis für Beschäftigte aus Drittstaaten an die Tarifbindung des Arbeitgebers und die Zustimmung des Betriebsrates knüpft. Keine Kürzungen in der Arbeitsmarktpolitik. Recht auf arbeitgeberfinanzierte Weiterbildung. Abschaffung des kirchlichen Arbeitsrechts. Erfassung und Kontrolle aller Arbeitszeiten, Schließung des „gender pay gap“ und „gender care gap“.
  • Paritätische Mitbestimmung in allen Unternehmen ab 500 Beschäftigten mit erweitertem Katalog an zustimmungspflichtigen Geschäften für Betriebs-, Personal- und Aufsichtsräte.
  • Pflege- und Rentenreform: Erwerbstätigenversicherung bei Rente, Rentenniveau 53% ohne Privatisierung, degressiv gestaffelte Übernahme des Arbeitnehmerbeitrags für Geringverdienende durch den Arbeitgeber. Bürgerversicherung in der Kranken- und Pflegeversicherung für alle Bevölkerungsgruppen und Einkommensarten, mit einer Pflege-Vollversicherung, bei Kapitalerträgen gegebenenfalls mitfinanziert über Steuern.
  • Offensive für öffentliche Investitionen, u.a. Schaffung eines Sondervermögens für Infrastruktur; dadurch auch Auslösung und Förderung privater Investitionen, Beteiligung der lokalen/regionalen Bevölkerung an den Entscheidungen und der Wertschöpfung; Transformation und den Bau bezahlbaren Wohnraums; Investition der Rücklagen der Gesetzlichen Rentenversicherung in den Bau bezahlbaren Wohnraums im Eigentum der GRV. Unterstützung der industriellen Transformation durch staatlich geförderte und gewerkschaftlich mitbestimmte „Transformationscluster“, Förderung einer klimagerechten, nachhaltigen Produktion. Bindung aller staatlichen Zuschüsse an tarifliche Arbeitsbedingungen, Mitbestimmung und mindestens zehnjährige Standorttreue.
  • Einrichtung von zentralen Anlaufstellen (Beratung, Beschwerden, Überleitung in das staatliche Rechtssystem) in der Regie der Gewerkschaften für alle Konflikte und Verstöße im Bereich der Arbeitswelt: von Whistleblowing über Nichteinhaltung von Schutzrechten, Mindestlohn und Tarifverträgen, Union-Busting, Betriebs- und Personalvertretungsrecht…
  • Umfassende Steuerreform zugunsten der Arbeitseinkommen zulasten von großen Vermögen und Spitzeneinkommen. Vereinfachung des Umsatzsteuerrechts. Rückerstattung der co2-Abgabe ab 1.1.2025 durch ein Klimageld für BezieherInnen mittlerer und geringer Einkommen.
  1. Internationaler Bereich: Mehr Diplomatie wagen, Handel im Dienst der Gerechtigkeit
  • Sofortige diplomatische Initiativen zur Beendigung des Krieges in der Ukraine und in Nahost.
  • Reform der Handelspolitik durch Ausbau des Systems der Klimazölle und Einführung eines Sozialen Grenzausgleichssystems mit Zöllen gegen Lohn- und Sozialdumping, auch als Weiterentwicklung des Lieferkettengesetzes auf europäischer Ebene und mit einem neuen Ansatz in der WTO (Welthandelsorganisation).

 

III. Parlamentarische Demokratie leben – Partei von oben her demokratisieren

  • Belebung der parlamentarischen Demokratie: keine einsamen Entscheidungen größerer Tragweite durch kleine Spitzenrunden, rechtzeitige Beteiligung von Fraktion und Partei.
  • Wiederbelebung und Modernisierung der innerparteilichen Demokratie: Schluss mit dem Leitantragswesen auf Bundesparteitagen, mehr Zeit für inhaltliche Debatten, Teilplenen, Transparenz bei Personalentscheidungen, Zugang zu Protokollen von Vorstandsgremien für Vorstandsmitglieder der jeweils nächsten Ebene, Kernwählerschaft durch Stärkung der strategischen Arbeitsgemeinschaften einbinden, Gremiendschungel auf Bundesebene lichten, analogen Austausch und digitale Vernetzung der Parteigremien und -Mitglieder untereinander ermöglichen und unterstützen. Rolle von Haupt- und Ehrenamt klären und zeitgemäß definieren. Satzungsmäßige Regelungen zur Bearbeitung und Beantwortung von Beschlüssen, Anträgen, Anfragen und deren Berücksichtigung bei der gemeinsamen Willensbildung der Partei. Das alles gilt analog für die Landesebene.
Beschluss-PDF: