Die Bundestagsabgeordneten der SPD und der Bundesvorstand der SPD werden aufgefordert, die politische Initiative zu ergreifen und sich dafür einsetzen, dass bei der Berechnung der gesetzlichen Rente der Riester- und der Nachhaltigkeitsfaktor ersatzlos gestrichen werden. Damit kann die zunehmende Ungerechtigkeit der Benachteiligung der Rentner*innen gestoppt werden. Es verletzt den SPD-Grundsatz der Gerechtigkeit, wenn die Rentner immer weniger am steigenden Wohlstand, also am steigenden Bruttoinlandsprodukt, beteiligt werden.
Die Rente ist wieder zum Thema geworden. Am meisten diskutiert wird die zunehmende Altersarmut. Die Fakten sind für die Zukunft nicht zu leugnen. Das liegt daran, dass viele zukünftige Rentner*innen zu wenig Entgeltpunkte sammeln konnten, unter anderem deswegen, weil der Niedriglohnsektor ausgebaut wurde.
Noch wichtiger ist aber die Rentenformel, die dazu führt, dass Bezieher*innen der gesetzlichen Rente schon heute von der steigenden Wohlstandsentwicklung abgehängt werden. Obwohl das Bruttoinlandsprodukt ständig steigt, also Güter und Dienstleistungen immer mehr werden, kommt diese Entwicklung immer weniger bei den Menschen an. Davon betroffen sind vor allem Arbeitnehmer*innen. Besonders trifft es aber die Rentner*innen. Das liegt an der Rentenformel. Einmal dadurch, dass die Lohnentwicklung hinter der Produktivitätsentwicklung zurückbleibt, wie viele Daten ohne Zweifel belegen. (u.a. Jahreswirtschaftsbericht Sachverständigenrat 2016). Die Lohnkomponente in der Formel ist also ein Grund dafür, der aber von der Politik kaum beeinflusst werden kann. Der andere Grund ist der ebenso in der Rentenformel enthaltene Faktor AV (Altersvorsorge, sprich private Riester- und Rüruprente) und die gesetzlich festgelegte Festschreibung der Beitragssätze für Arbeitgeber. Dazu kommt der Nachhaltigkeitsfaktor, mit dem das Verhältnis Arbeitnehmer*innen zu Rentner*innen eingerechnet wird. Dieses Verhältnis wird durch die steigende Lebenserwartung ständig schlechter. Das sind politisch schnell beeinflussbare Faktoren.
Die Rentenformel ist der Grund für die Abkoppelung der Rentner*innen von der Wohlstandsentwicklung. Das ist abzulesen an den Zahlen über die preisbereinigte Standardrente: Diese schwankt seit 2008 um 1080 €. Also ungefähr (je nach Verbraucherverhalten) ein Inflationsausgleich, aber keine Beteiligung an der Wohlstandsentwicklung.
Dieses ungerechte Abdrängen der Rentner*innen ist volkswirtschaftlich nicht einzusehen, denn dadurch wird ihre Kaufkraft geschwächt, also ihre Nachfrage in der Volkswirtschaft.
Dazu ein Zitat von Winfried Schmähl, der 1986 – 2000 Vorsitzender des Sozialbeirats der Bundesregierung war
Die Entwicklung der Renten aus der GRV wird von der Lohnentwicklung abgekoppelt. Dazu dienen insbesondere verschiedene, in die Rentenberechnungs- und –anpassungsformel eingebaute „Faktoren“ (sogenannter „Riester-„ und „Nachhaltigkeitsfaktor“) wie auch die beitragsbefreite Entgeltumwandlung. Damit bleiben die Renten tendenziell immer weiter hinter der allgemeinen Lohn- und Einkommensentwicklung zurück und verlieren an Realwert. (ZeS-Arbeitspapier Nr. 01/2011)
Diese politischen Entscheidungen führen zu Belastungen der Steuerzahler: „2015 erhielten Riester-Sparer etwa drei Milliarden Euro an Zulagen, seit dem Riester-Start 2002 zahlte der Staat 25 Milliarden Euro.“ SZ 11.07.16
Diese politischen Entscheidungen senken das Rentenniveau, denn Entgeltumwandlung und Betriebsrente werden nicht in die Lohnsumme eingerechnet. (Lohnkomponente der Rentenformel) Sie senken auch die Steuereinnahmen.
Gerechtigkeit als Markenzeichen der SPD wird schleichend ausgehöhlt.
Kapitaldeckung?
Die angeblich notwendige schrittweise Einführung von immer mehr Kapitaldeckung (neueste Variante: verpflichtende Betriebsrente) braucht hier nicht besonders tiefgehend erörtert zu werden, da sie die Gerechtigkeitsfrage nicht löst. Nur ein paar Hinweise: Die Analyse der Entwicklungen bei der Riesterrente zeigt: die unteren Schichten der Bevölkerung können und wollen sich die 4% des Bruttolohnes (manche meinen, sie müsste auf 7% erhöht werden) nicht leisten.
Gesamtwirtschaftlich ist das Mackenroth-Theorem immer noch überzeugend: Die Versorgung der noch nicht Arbeitenden und die Versorgung der nicht mehr Arbeitenden muss immer aus der aktuellen Wirtschaftsleistung erbracht werden. Auch eine Einbeziehung der Weltwirtschaft löst das Problem nicht. Die Krisenanfälligkeit der Finanzmärkte betrifft auch andere Volkswirtschaften. Die weltweiten Anlagen der Fonds sind also keine Absicherung über Deutschland hinaus. Das Setzen auf das Ausland ist ferner politisch gefährlich, wie schon die Diskussion um die Exportüberschüsse deutlich macht. Deutschland wird international immer mehr angegriffen, weil es allein die Interessen Deutschlands (von welchen Deutschen eigentlich?) vertrete.
Auch das berührt die Frage der Gerechtigkeit: andernorts steigt die Arbeitslosigkeit, weil „Wir“ Exportweltmeister sind. Kapitaldeckung bedeutet zukünftige Ansprüche an die jeweiligen Kreditnehmer. Wie sieht die Weltwirtschaft in 10, 20, 30 Jahren aus?
Kapitaldeckung verschärft also die internationale Gerechtigkeitsfrage.
Finanzierung?
Es ist gerecht, wenn alle Kapitaleinkommen herangezogen werden und den jeweiligen Beitragssatz entrichten. Dazu muss die Beitragsbemessungsgrenze aufgehoben werden. Die Auszahlung muss wie in der Arbeitslosenversicherung gedeckelt werden. Das ist rechtlich trotz des Äquivalenzprinzips möglich, denn der eigentumsrechtliche Anspruch auf die Rente betrifft nicht die Höhe, wie das Sinken des Rentenniveaus zeigt.