S2 Erarbeitung eines bundeseinheitlichen Zivil-, Not- und Katastrophenschutzplanes sowie Versorgungspläne speziell für Menschen mit Behinderung in Krisenzeiten

Artikel 11 der UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet die Vertragsstaaten, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um in Gefahrensituationen den Schutz und die Sicherheit von Menschen mit Behinderungen im Einklang mit ihren Verpflichtungen nach dem Völkerrecht zu gewährleisten. Das Gleiche gilt für bewaffnete Konflikte und humanitäre Notlagen. Auch im Falle von Naturkatastrophen haben die Vertragsstaaten sich zum Schutz und zur Sicherheit von Menschen mit Behinderungen verpflichtet.

Die Arbeitsgemeinschaft Selbst Aktiv Bayern fordert den Landesvorstand der BayernSPD sowie die Landtagsfraktion der BayernSPD auf, zusammen mit der Bundes SPD und der Bundesregierung dafür Sorge zu tragen, dass verpflichtende bundeseinheitliche, barrierefreie und behindertengerechte Zivil-, Not- und Katastrophenschutzpläne für Menschen mit Behinderungen aufgestellt werden,  damit in Krisen- und Katastrophenzeiten schnelle und barrierefreie bedarfsgerechte Hilfemaßnahmen auch für Menschen mi Behinderungen in die Wege geleitet und durchgeführt werden können.

Ein angemessenes Katastrophenmanagement muss alle Menschen gleichberechtigt und unter Berücksichtigung ihrer Bedarfe einschließen. Dies erfordert gleichwertige Lebenschancen und -bedingungen unabhängig vom Lebensort. Dafür wird ein abgestimmter und gemeinschaftlich getragener Plan mit klaren Verantwortlichkeiten und gemeinsamen Standards benötigt. Aufgrund der inhaltlichen und einsatztaktischen Überschneidungen muss eine Strategie verfasst werden, die Katastrophenschutz und Zivilschutz unter dem Titel „Bevölkerungsschutz“ zusammenfasst und alle Beteiligten auf Bundes- und Länderebene verbindlich einschließt. Dabei sollten Menschen mit Behinderung, nicht nur Verbände und Organisationen,  z.B. Körperliche, intellektuelle, sinnesbezogene, psychische u.a. von Beginn an in die Planungen miteinbezogen werden.

Dazu gehören insbesondere:

  1. Die Formulierung einer Strategie für inklusiven Bevölkerungsschutz innerhalb Deutschlands, mit klaren Zielen, Arbeitsschritten mit klarem Zeitplan, Zuweisung von
    Verantwortlichkeiten und Prüfungsinstanzen zur Ergebnisbeurteilung
  2. Die Einbindung von Menschen mit verschiedensten Beeinträchtigungsformen in alle Schritte dieses Prozesses; auf Bundes-, Landes-, Kommunen- und Einrichtungsebene als Expert:innen in eigener Sache und
    Entscheider:innen
  3. Die Schaffung einer gemeinschaftlichen Sammelstelle für Informationen, Materialien und Ansätze für inklusiven Bevölkerungsschutz, die aktiv zur Standardisierung beiträgt
    unter Einbeziehung von Sammlung, Aufarbeitung und Nutzung existierenden Wissens und vorhandener Ansätze aus dem In- und Ausland für die Erstellung der Strategie und der konkreten Schritte.
  4. Die Sammlung und Aufarbeitung der Erfahrungen und dem Wissen aus den Ereignissen der Vergangenheit und Weiterleitung in Einsatzkonzepte und Strategien.
  5. Ausführliche Informationen, Kenntnisse und Schulungen der zuständigen Behörden, Organisationen und Rettungskräfte über die ansässigen Einrichtungen für Menschen mit Behinderung, die Arten von Behinderung und die Anzahl der Menschen mit Behinderung in den jeweiligen Gemeinden und Orten
  1. Ausführliches barrierefreies Informationsmaterial und intensive Schulungen über Rettungswege und Verhalten bei Katastrophenschutzmaßnahmen für Menschen mit Behinderung
  1. Öffentlich bekannte barrierefreie Rettungswege und Treffpunkte für Menschen mit Behinderung
  2. Barrierefreie Auffang- und Unterbringungsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderung sowie Mensch-Assistenzhund-Gespanne
  3. Ausreichende und barrierefrei zugängliche Versorgung mit Nahrung, Medikamenten und Hilfsmitteln für Menschen mit Behinderung,
  4. Barrierefreie Transportmittel und besondere Schutzmaßnahmen für Menschen mit Behinderung
  5. Speziell geschulte Betreuer für Menschen mit Behinderung im Katastrophenfall
  6. Freiwilligen-Listen, in die sich Menschen mit Behinderung, die einen bestimmten Hilfebedarf haben freiwillig eintragen können
Begründung:

Die besonderen Umstände in der Corona-Pandemie und der Hochwasserkatastrophe haben gezeigt, dass es für Menschen mit Behinderung keine eigenen barrierefreien Notfall- und Versorgungspläne gab.
Wir leben in einer Zeit, in der wir nicht nur von Umweltkatastrophen, sondern auch durch kriegerische Handlungen bedroht sind. Eine Umfrage von Selbst Aktiv Bayern 2022 in verschiedenen deutschen Gemeinden hat aufgezeigt, dass es im Falle des Zivil- und Katastrophenschutzes für Menschen mit Behinderung keine barrierefreien und behindertengerechten katstrophen- und Zivilschutzmaßnahmen gibt.

Es ist, auch in Bezug auf die UN-BRK Artikel 11 notwendig, solche barrierefreien Zivil- und Katastrophenschutzpläne für Menschen mit Behinderung zu erstellen, die Informationen weiterzugeben und diese mit allen Beteiligten zu üben, damit diese barrierefrei informiert und aufgeklärt werden könne, um auf Krisen besser vorbereitet, geschützt, gerettet und versorgt werden zu können. Viele Menschen mit Behinderung sind durch ihr Handicap meist nicht in der Lage sich eigenständig in Sicherheit zu bringen oder zu versorgen. Zu diesem Ergebnis kam auch die Stiftung Deutschland in ihrem Forschungsbericht „Bestandsaufnahme zum Katastrophenmanagement und der Inklusion von Menschen mit Behinderungen“

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