Die Zahl der gegenwärtig zu uns kommenden Geflüchteten, wiewohl nur ein geringer Bruchteil der globalen Bewegung der Geflüchteten, zeigt dabei auf dramatische Art und Weise die Inadäquanz unseres
gesamten Asylsystems auf. Dieses wurde als weniger geflüchtete Menschen zu uns kamen noch vorsätzlich in seinen Kapazitäten heruntergefahren und ist trotz eiliger Aufstockungen an Mitteln und Personal in keiner Art und Weise in der Lage, die mittelfristigen Herausforderungen, welche sich aus der gesellschaftlichen Integration dieser Menschen ergeben, erfolgversprechend anzugehen, gleich ob diese Integration in unsere Gesellschaft auf Zeit erfolgt oder permanent ist bzw. sein muss.
Die gegenwärtige Zahl an Geflüchteten in Verbindung mit einer individualisierten Prüfung der Anträge wird auch und absehbar zunehmend einen Rückstau bei der Bearbeitung durch das BAMF bedingen. Die durchschnittliche Verfahrensdauer betrug dabei schon Anfang 2015 um die sechs Monate (bis zum Erstentscheid). Auch die Fristen bis zur Stellung des Endantrages sind Stand heute erheblich und muss in diesem Zusammenhang mitbehandelt werden. Aktuelle Zahlen sind nicht verfügbar, dürften jedoch deutlich gestiegen sein, da zum Beispiel Folge- und Familiennachzugsanträge zum
gegenwärtigen Zeitpunkt überhaupt nicht mehr bearbeitet werden.
Innerhalb dieses Zeitraumes stehen jedoch AsylbewerberInnen kaum Möglichkeiten offen, sich in ihr Aufnahmeland zu integrieren. Selbst elementare Sprachkurse finden noch nicht bundesweit flächendeckend und nachhaltig statt, stattdessen werden die Menschen im Wesentlichen bis zu einer endgültigen Entscheidung über einen Antrag „verwahrt“. Das nicht freiwillige Zusammenleben in so genannter „verdichteter Belegung“ erzeugt dabei in Abwesenheit von als sinnstiftend empfundenen Tätigkeiten beinahe zwangsläufig Spannungen und Frust. Zudem verzögert und erschwert diese Praxis das notwendige zeitgleiche Anlaufen sozialer, kultureller und sonstiger Integrationsansätze für die Aufgenommen massiv.
Zielführender wäre das flächendeckende Anbieten von Sprach- und anderen Integrationskursen, sobald die Geflüchteten einer Kommune dauerhaft zugewiesen wurden. Auch eine Evaluierung und Zertifizierung muss bereits in der Phase durch die Agentur für Arbeit anlaufen. Bei Anerkennungsquoten von über 30% (plus Menschen, die trotz abgelehnter Asylanträge aufgrund von Duldungen, Rückführschutz und ähnlichen Maßnahmen letztlich nicht abgeschoben werden und somit voraussehbar Mitglieder der deutschen Gesellschaft sind und bleiben) ist ein derartig brachliegendes gesellschaftliches und auch volkswirtschaftliches Potential nicht rechtfertigbar.
Ein qualitativer wie quantitativer Ausbau der bestehenden Qualifikations- und Integrationsmaßnahmen bedingt dabei einen akuten Mehrbedarf an entsprechend qualifiziertem Personal. Bisher wird dieser Mehrbedarf, unvollständig und je nach lokaler Situation, hauptsächlich durch privates zivilgesellschaftliches Engagement und durch bestehende ehrenamtliche Organisationen gedeckt. Beide, das spontane bürgerschaftliche wie auch das ehrenamtliche Engagement, sind dabei nicht geeignet, dauerhaft und flächendeckend eine notwendige Angebotsdichte zu schaffen – zumal dann nicht, wenn jenes private Engagement nicht angemessen durch hauptamtliche Kräfte unterstützt wird.
Daher müssen also im komplexen Umfeld der Flüchtlingsbetreuung bundesweit zehntausende Vollzeitstellen entstehen, um den offensichtlichen Bedarf (für die Asylsozialberatung, die Koordination der Integrationsprojekte und die Nachbetreuung von anerkannten und geduldeten Geflüchteten) zu decken, den gesamtgesellschaftlichen Nutzen zu maximieren und unvermeidbar auftretende Konflikte bestmöglich zu verringern.
Allerdings ist gleichzeitig nachvollziehbar, warum dergleichen derzeit nicht im notwendigen Maße geschieht. Unsere gegenwärtigen Kompetenz- und Finanzierungsbeziehungen laufen darauf hinaus, dass die Kommunen in der Pflicht wären, entsprechende Angebote als Sachund Personalaufwandskostenträger zu finanzieren. Angesichts der chronisch klammen Finanzlage der meisten Kommunen ist deshalb verständlich, dass neue Angebote unter einem sehr harten Finanzierungsvorbehalt stehen, selbst wenn ihr Nutzen unmittelbar evident erscheint.
Mehr Geld für Geflüchtete und AsylbewerberInnen bedeutet ganz praktisch weniger Geld für alle bisherigen kommunalen Aufgaben, ein klassischer Verteilungskonflikt, der oft in einem massiven Akzeptanzproblem seitens der angestammten Bevölkerung mündet. Gleichzeitig sind die Kommunen sowohl am unmittelbarsten von Art, Umfang und Ausgestaltung und damit dem Erfolg der Integrationsmaßnahmen für die ihnen zugewiesenen AsylbewerberInnen betroffen wie sie auch unzweifelhaft die Instanz sind, die in der Lage ist, Integrationsmaßnahmen zu organisieren und zu evaluieren.
Damit dieser Verteilungskonflikt nicht ein- bzw. offen zu Tage tritt, ist eine aktive und angemessene finanzielle Unterstützung der Kommunen für die Belange der
Integrationspolitik unverzichtbar!
Unabhängig von einzelnen und damit nicht nachhaltig planbaren Zuwendungen vonseiten des Bundes an die Kommunen (und an die Länder als Verantwortliche des Erstaufnahmeverfahrens sowie Träger einiger Sonder aufwendungen) erscheint es somit sinnvoll, wenn vonseiten des Bundes pro zugewiesenem Flüchtling eine Fallpauschale allokiert würde, aus der die Kommunen zweckgebunden, aber eigenverantwortlich Sprachkurse und sonstige Integrations- und Qualifikationsprojekte sowie auch Freizeitangebote und anfallende Sachleistungen (vor allem direkt nach der Aufnahme) für die ihnen zugewiesenen Geflüchteten finanzieren können und müssen.
Ein besonderer kommunaler Schwerpunkt muss dabei auch auf die Evaluation und aufbauende Vermittlung von beruflichen Kenntnissen durch die in der Region tätigen Industrie- und Handwerksbetriebe (bzw. deren Vereinigungen) gelegt werden. Auch dies bedingt vermutlich oftmals die stunden- oder tageweise Freistellung von Arbeitskräften aus ihren Betrieben, um entsprechend viele Fachkräfte/MeisterInnen und TechnikerInnen aufzubieten, die die vorhandenen Fachkenntnisse der Geflüchteten überprüfen und ggf. so aufbauen können, dass diese in die duale Ausbildung (ggf. mit verkürzter Lehrzeit infolge vorliegender Berufserfahrung) übernommen werden können. Für einzelne Unternehmen ist dies häufig nicht leistbar, hier braucht es die Kooperation von handlungsfähigen Gemeinden und interessierten Firmen.
Prioritär muss weiterhin dabei natürlich die Einstellung hauptamtlicher Kräfte in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen sein, wo das Stellenund Aufgabenprofil den Einsatz von Hauptamtlichen nahelegt. Das Ziel dieses Antrages ist nicht die Prekarisierung der Arbeit der Geflüchteten, sondern die Generierung zusätzlicher qualifizierter Arbeitskräfte über das Niveau hinaus, welches über traditionelle Arbeitsverhältnisse verfügbar und ohne hinreichende Bedarfsdeckung zunehmend ausgeschöpft ist!
Die Integration der Geflüchteten ist eine große gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Ihre Bewältigung bedarf umfassender und anhaltender Anstrengungen nicht nur der Zivilgesellschaft, sondern aller staatlichen und kommunalen Stellen. Zur Finanzierung braucht es Fall- bzw. Integrationspauschalen, zur Bewältigung einer Verstärkung aller personellen Kapazitäten!