„Ich bin schwul, darf heiraten, Kinder adoptieren und Organe spenden, aber mein Blut soll zu schmutzig zum Spenden sein?“
Damit muss in unseren Augen Schluss sein!
Trotz der gesellschaftlichen, sehr positiven Entwicklungen der letzten Jahre und Jahrzehnte gibt es immer noch Bereiche, in denen transgeschlechtliche genauso wie homosexuelle Menschen mittelbar oder unmittelbar diskriminiert werden. Hierzu gehört auch die Blut- und Plasmaspende. Bis in das Jahr 2017 war es für Homo-, Bi- und Transsexuelle überhaupt nicht möglich Blut und Blutbestandteile zu spenden. Erst mit der „Richtlinie zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen sowie zur Anwendung von Blutprodukten“ (Richtlinie Hämotherapie) aus 2017 ist es Männern, die Sex mit Männern haben (MSM) erlaubt, ihr Blut zu spenden, falls sie in den letzten 12 Monaten keinen Geschlechtsverkehr hatten. Im September 2021 wurde dies nach massivem Druck aus der Gesellschaft heraus auf vier Monate abgesenkt. Sofern die betroffenen Menschen allerdings nicht abstinent leben, werden sie daher praktisch trotz fehlender Sachgrundlage von der Blutspende ausgeschlossen. Für ein erhöhtes HIV-Risiko ist nämlich nicht die Sexualität entscheidend, sondern das individuelle Sexualverhalten. Diese aktuell geltenden vier Monate sind wissenschaftlich unverhältnismäßig, noch entsprechen sie der Lebensrealität vieler homo-, bi- und transsexueller Menschen. Eine ganze Bevölkerungsgruppe auf Grund von Stigmatisierung unter Generalverdacht zu stellen, ist eine offene Diskriminierung und sollte gesellschaftlich nicht mehr geduldet werden.
Darüber hinaus ist die aktuelle Regelung an einer weiteren Stelle unsinnig: Wieso sollten Menschen erst vier Monate nach einem „Risikokontakt“ spenden dürfen, obwohl jede Blutspende im Labor getestet wird und das HI-Virus nach sechs bis 12 Wochen sehr zuverlässig nachweisbar ist? Dies erweckt den Eindruck, dass der Ursprung des Blutspendeverbots noch bis heute in den antiquierten Ansichten einiger Mediziner:innen und Politiker:innen sehr präsent zu sein scheint: Denn dieses Verbot stammt noch aus Zeiten der AIDS-Krise in den 1980er Jahren und dass deshalb ein Verbot aufgrund der kaum vorhandenen medizinischen Vorkenntnisse und Behandlungsmöglichkeiten als Vorsichtsmaßnahme geschaffen wurde, ist vollkommen nachvollziehbar. Fast 40 Jahre später steht dies allerdings aufgrund der massiven Fortschritte in der Forschung und Medizin nicht mehr im Verhältnis zueinander und ist gleichzeitig noch weniger zeitgemäß, da wissenschaftliche und medizinische Erkenntnisse eine ganz andere Einschätzung der Situation heute zulassen.
Es ist Konsens, dass eine Blutspende sicher für Spender:innen und Empfänger:innen sein muss, jedoch basiert die aktuelle Richtlinie nicht auf einer Sachgrundlage, sondern auf Vorurteilen. Dies wird auch deutlich an Formulierungen wie „Transsexuelle Personen mit sexuellem Risikoverhalten“, welche Transsexualität direkt mit einem erhöhten HIV-Risiko in Verbindung setzt, wobei doch eigentlich klar sein sollte, dass die persönliche Geschlechtsidentität genauso wenig wie die individuelle Sexualität für oder gegen ein erhöhtes Risiko für eine HIV-Infektion spricht. Auch besteht kein Zusammenhang zwischen einer Transidentität und (risikoreichem) Sexualverhalten, da die Geschlechtsidentität von der Sexualität abzugrenzen ist, so auch in diesem Zusammenhang.
Auch wenn davon ausgegangen wird, dass Männer, die mit Männern Sex haben, statistisch häufiger von HIV betroffen sind, können HIV-Infektionen inzwischen nach 6 Wochen nachgewiesen werden. Dies zeigt, dass ein Wartezeitraum von vier Monaten vollkommen außerhalb jeglicher Proportion formuliert ist.
Es geht bei dieser Diskussion scheinbar auch nicht nur um die allgemeine Diskriminierung nicht Blut spenden zu dürfen, sondern auch um die diskriminierenden Erfahrungen die Schwule, Bisexuelle und Transsexuelle bei möglichen Blutspenden begegnen. Fragen nach der Sexualität kommen hierbei einem Zwangsouting gleich, das es in dieser Form nicht geben darf. Der Umgang und die Kommunikation der eigenen Sexualität sollte immer noch eine persönliche Entscheidung sein.
Aus diesen Gründen fordern wir als SPD Niederbayern die SPD-Verhandlungsgruppe im Bereich Gesundheit sowie die SPD-Bundestagsfraktion auf, im Laufe der Koalitionsverhandlungen eine komplette Abschaffung dieser diskriminierenden Regelungen für queere Menschen in den Koalitionsvertrag mit aufzunehmen und im Laufe der Legislaturperiode auch zu erwirken. Die Diskriminierung aufgrund der Hämotherapie-Richtlinie muss beendet werden. Dabei soll sie dahingehend geändert werden, dass Spender:innen nur auf Grund ihres individuellen Risikoverhaltens, nicht aber aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer Sexualität von der Blut- und Plasmaspende ausgeschlossen werden können. Hierbei ist entscheidend, dass nicht nur eine medizinisch sinnvollere Lösung gefunden wird, sondern auch respektvolle und diskriminierungsfreie Formulierungen verwendet werden. Gerade in Zeiten, in denen schlicht und ergreifend etliche Blutspenden fehlen, sollten wir die gesundheitlichen Aspekte vor konstruierten Diskriminierungen stellen und das Blutspendeverbot für Schwule, Bi- und Transsexuelle endlich abschaffen!