Der Landesparteitag bittet die SPD Landtagsfraktion, die Bayerische Staatsregierung in die Verantwortung zu nehmen und sie aufzufordern:
- ihrer Verantwortung gemäß § 13 des Gesetzes zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten nachzukommen und ein ausreichendes Angebot ambulanter und stationärer Einrichtungen (mindestestens an jedem öffentlichen Klinikum) zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen nach der Beratungsregelung sicherzustellen, um damit den betroffenen Frauen eine flächendeckende qualitative medizinische Versorgung zu bieten,
- sicherzustellen, dass die Fortentwicklung und Verbesserung der medizinischen Verfahren beim Abbruch von Schwangerschaften sowie eine entsprechende und bedarfsgerechte Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten gewährleitet ist und
- über die verpflichtenden Beratungen hinaus ein flächendeckendes und vor allem plurales Beratungsangebot für alle betroffenen Frauen zu schaffen und die Finanzierung der Beratungsangebote sicherzustellen.
Bundesweit gibt es in den letzten Jahren immer weniger Kliniken und Praxen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Nach einer Anfrage der SPD-Landtagsfraktion führt diese Entwicklung auch in Bayern dazu, dass Frauen, die sich für einen Abbruch entschieden haben, z.T. nicht einmal mehr in ihrem eigenen Regierungsbezirk eine Klinik finden. In Schwaben und der Oberpfalz gab es nach Auskunft der Staatsregierung 2020 keine Klinik, die Schwangerschaftsabbrüche vornimmt (Oberfranken: 1, Niederbayern: 2, Mittelfranken: 3, Unterfranken: 4 und Oberbayern: 14). Zudem sinkt auch die Zahl der niedergelassenen Ärzte, die Abbrüche durchführen. Die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche ist in Bayern hingegen seit zehn Jahren etwa auf dem gleichen Stand.
Die Gründe sind unterschiedlich und zeichnen sich seit Jahren ab. Bei den Gynäkologen und Gynäkologinnen steht ein Generationswechsel bevor. Statistiken belegen, dass ein Großteil der Ärztinnen und Ärzte, die noch Schwangerschaftsabbrüche vornehmen schon im Rentenalter oder über 60 Jahre alt sind. In den 60er und 70er Jahren hatten sich Mediziner aufgrund der damaligen Debatten zum § 218 aus der eigenen Überzeugung heraus auf Schwangerschaftsabbrüche spezialisiert.
In ganz Deutschland mangelt es inzwischen an ärztlichem Nachwuchs, der sowohl bereit als auch qualifiziert ist, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. Pro Familia und andere Beratungseinrichtungen warnten mehrfach vor einer bevorstehenden medizinischen Unterversorgung in diesem Bereich und fordern Lösungen von der Politik.
Im Bereich der Nachwuchsförderung gibt es dringenden Bedarf: Nach Aussagen von Pro Familia haben Methoden des Schwangerschaftsabbruchs in der Ausbildung von Medizinerinnen und Medizinern keinen angemessenen Stellenwert und gehören selten zum Ausbildungsstandard von Universitätskliniken. Umso wichtiger ist es, dass es Teil der medizinischen Ausbildung der künftigen Ärzte und Ärztinnen wird. Für den persönlichen Umgang mit ungewollt schwangeren Frauen fehlt es sowohl bei Ärztinnen und Ärzten als auch bei Hilfs- und Pflegepersonal an Qualifizierung und Supervision. Zudem ist ein medizinischer Eingriff, der immer mit dem Strafgesetzbuch in Verbindung gebracht wird, der, wenn auch straffrei, grundsätzlich nicht erlaubt ist, nicht im Wettbewerb um die beste Methode und die patientenfreundlichsten Bedingungen.
Auch Kosten und Aufwand sind für Medizinerinnen Gründe gegen das Praktizieren des Eingriffs: Ein operativer Abbruch erfordere steigenden Aufwand und könne auch nicht mehr kostendeckend durchgeführt werden.
Für viele abschreckend ist das Risiko der öffentlichen Brandmarkung durch Abtreibungsgegner. Mit der Debatte um den Paragrafen 219a ist erneut eine Debatte entbrannt und führte bei vielen zur Rechtsunsicherheit.
Leidtragende dieser Situation sind die Frauen. In vielen Regionen Bayerns ist es für sie nicht gewährleistet, wohnortnah eine entsprechende Auswahl an Qualität der medizinischen Behandlung Praxen oder Krankenhäusern zu finden. Das bedeutet für die betroffenen Frauen lange Wartezeiten, was bei Abtreibungen, die innerhalb von gesetzlich geregelten oder medizinisch indizierten Fristen vorgenommen werden müssen, zu großen Problemen führen kann. Verzögerungen stellen eine unnötige Belastung und eine Gefährdung der psychischen und körperlichen Bewältigung des Schwangerschaftsabbruchs für die Frauen dar. Bei Schwangerschaftsabbrüchen, die nach der neunten Woche durchgeführt werden, steigt die Komplikationsrate von Woche zu Woche schon geringfügig an.
Eine verantwortungsvolle eigene Entscheidung werden Frauen am ehesten treffen können, wenn sie nicht unter Druck geraten und wenn sie umfassend über alle möglichen Alternativen informiert sind. Hierfür ist ein flächendeckendes plurales Beratungsangebot für alle betroffenen Frauen notwendig, das auch über die gesetzlich vorgeschriebenen Beratungen hinausgeht.
Der Staat ist verpflichtet nach Schwangerschaftskonfliktgesetz – SchKG) § 13 Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen hier Abhilfe zu schaffen: „(2) Die Länder stellen ein ausreichendes Angebot ambulanter und stationärer Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen sicher.“
Frauen, die sich trotz der Beratung und aller Hilfen noch für einen Abbruch entscheiden, müssen wohnortnah qualitative medizinische Angebote finden und dürfen nicht in Gefahr geraten, durch Wartezeiten ihre Gesundheit zu gefährden.