Arbeit und das Verständnis von Arbeit haben sich in den vergangenen Jahren gewandelt. Die Schwerpunkte der Menschen und ihre Einstellung zur Arbeit haben sich verschoben. Umfragen zeigen, dass der Wert von Freizeit und Selbstverwirklichung einen höheren Stellenwert einnimmt als früher. Die digitale Transformation betrifft auch die Arbeitswelt und bringt nicht nur emanzipatorisches Potential sondern auch Herausforderungen für unseren Kampf für gute Arbeit mit. Es werden Branchen in den Bereichen der erneuerbaren Energien geschaffen werden müssen und es werden welche in der Kohle und Stahlindustrie verloren gehen oder sich verändern.
Der Ausbildungsstart bedeutet für viele junge Azubis, dass ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Um diesen Abschnitt für alle so angenehm wie möglich zu gestalten, müssen wir noch vieles verbessern. „Wer nicht ausbildet wird umgelegt“ ist vielleicht nicht ganz wörtlich gemeint, aber doch der richtige Ansatz für eines der Hauptprobleme. Viele Betriebe bilden nicht oder nicht mehr aus und erschweren es so Azubis einen Ausbildungsplatz zu finden, auch wenn klar ist, dass die Azubis die Zukunft der Branche darstellen.
Als Jungsozialist*innen stehen wir Seite an Seite mit den Gewerkschaften und kämpfen für bessere Arbeitsbedingungen, eine flächendeckende Tarifbindung, die Rückkehr aus Teilzeit in Vollzeit und vor allem aktuell: die Aufwertung der Pflegeberufe. Das Wort “systemrelevant” ist während der Pandemie zum Dauerbrenner geworden und vor allem während des Lockdowns wurde deutlich, wer unsere Gesellschaft in so einem Fall am Laufen hält. Trotzdem sind Berufe in der Pflege und anderen sozialen Berufen vollkommen unterbezahlt und unterbesetzt. Wir sagen: Es braucht mehr als nur Applaus: Es braucht nachhaltige Veränderungen.
Feministische Perspektive
Auch im 21. Jahrhundert stehen Frauen in unserer Gesellschaft vor vielen Hürden und Herausforderungen und sind von systematischer Benachteiligung betroffen. Viele dieser Probleme zeigen sich im Umfeld der Arbeit. Eine der größten Baustellen findet sich an der Spitze von Unternehmen: In Deutschland besetzten kaum Frauen Leitungspositionen in großen Unternehmen, sie stoßen bei ihrem Aufstieg an eine „gläserne Decke“. Dieses Phänomen existiert, weil Vorstände und Aufsichtsräte von Männern dominiert sind, die es vorziehen, auch mit Männern zusammenzuarbeiten. Frauen werden so nicht auf entsprechende Posten berufen. Wir kämpfen deshalb weiter für eine echte Gleichstellung und fordern eine Frauenquote von 50 Prozent für Aufsichtsräte und Vorstände von Unternehmen.
Diskriminierung beginnt jedoch nicht bei der Vergabe von Vorstandsposten. Häufig kommt es hierzu schon in Bewerbungsprozessen. Bewerber*innen werden dabei aufgrund ihres Geschlechtes, ihrer Hautfarbe oder Herkunft noch vor einem Gespräch aussortiert. Ein Mittel, dem zu begegnen, ist, Bewerbungsverfahren zu anonymisieren. Dabei werden Merkmale wie Herkunft und Geschlecht nicht in den entsprechenden Unterlagen aufgeführt und Fotos liegen den Personaler*innen nicht vor. Wir fordern deshalb, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) entsprechend zu ergänzen, um solche anonymisierten Verfahren vorzuschreiben und Verstöße sanktionierfähig zu machen.
Weiterhin ist in Deutschland auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein Feld, das von Missständen geprägt ist. Entscheidet sich ein Paar für Kinder, ist es in der Regel die Frau, die entweder Elternzeit nimmt oder ihren Beruf ganz verlässt. Auch die Pflege von Angehörigen übernehmen meist Frauen. Frauen erledigen also meist diese gesellschaftliche „Care- und Reproduktionsarbeit“. Zugleich ist der (Wieder-)Einstieg in den Beruf erschwert. Das be- oder gar verhindert den beruflichen Aufstieg von Frauen und fördert das Risiko, im Alter von Armut bedroht zu sein.
Wir akzeptieren das nicht – Care-Arbeit und Reproduktionsarbeit ist Arbeit!
Von einer allgemeinen Arbeitszeitverkürzung profitieren nicht nur, aber insbesondere auch Eltern und pflegende Angehörige. Darüber hinaus wollen wir Unternehmen verpflichten, flexible Arbeitszeitmodelle anzubieten. Besonders letztere müssen dabei umfassend tariflich und gesetzlich abgesichert sein, damit kein Missbrauch möglich ist. Das betrifft insbesondere Ruhezeiten sowie tägliche und wöchentliche Höchstarbeitszeiten. Insgesamt ist für uns aber unerlässlich, dass die Maßnahmen die Betroffenen tatsächlich entlasten und gleichzeitig für ein gleichbleibendes Lohnniveau sorgen. Unabhängig vom Konzept sind ein Rückkehrrecht in die Vollzeit und ein Rechtsanspruch auf gleiche Karrierechancen überfällig und müssen garantiert werden. Hierzu fordern wir eine entsprechende Novellierung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) und eine Überarbeitung der geltenden Brückenzeitregelung. Um zu verhindern, dass Care- und Reproduktionsarbeit zum Armutsrisiko wird, muss sie in der Rentenversicherung und in der Arbeitslosenversicherung berücksichtigt werden. Gegebenenfalls muss der Staat dabei die Beiträge der Arbeitnehmer*innen übernehmen.
Wir kämpfen für eine Gesellschaft, in der die Verrichtung von Care- bzw. Reproduktionsarbeit eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Das bedeutet, dass die Professionalisierung der Care-Arbeit vorangetrieben wird, um flächendeckend kostenlose Kinderbetreuung in Anspruch nehmen zu können und damit die Organisation der Pflege von pflegebedürftigen und be-hinderten Angehörigen nicht länger eine rein private Aufgabe ist. Darüber hinaus muss die Verteilung der Arbeit von Geschlechterstereotypen befreit werden und in allen Bildungseinrichtungen vermittelt werden, dass Care-Arbeit nicht weiblich, sondern menschlich ist. Für die gerechte Verteilung der Care- und Reproduktionsarbeit sehen wir die Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 25 Stunden als zentrales Instrument.
In der nun anlaufenden Legislatur erwarten wir, dass das Ehegattensplitting endlich gestrichen wird. Das Steuermodell bevorzugt Verheiratete, bei denen nur eine Person arbeitet. Entsprechend gesellschaftlicher Rollenklischees bleiben damit in den allermeisten Fällen die Frauen zu Hause. Ein staatliches Programm, dass Diskriminierung (in)direkt fördert, muss abgeschafft werden.
Perspektive der Studierenden
Duales Studium
Studium und Praxis miteinander zu verbinden ist in vielen Studiengängen enorm hilfreich und erleichtert den späteren Berufseinstieg. Um hier die theoretischen Inhalte und die Praxis bestmöglich kombinieren zu können, wurde bereits 1970 das duale Studienmodell entwickelt. Das duale Studium sollte eine erste Antwort auf die gestiegenen Qualifikationsanforderungen darstellen. Heute dient es nicht nur dazu, während des Studiums schon Erfahrungen im Beruf zu sammeln, sondern auch darum, sich in Teilen den Lebensunterhalt leisten zu können. In vielen dualen Studiengängen fallen Studiengebühren an, die wir entschieden ablehnen. Für uns steht fest: Bildung muss immer kostenfrei sein! Deshalb gilt es auch Rückzahlungsklauseln gesetzlich zu verbieten. Die Entlohnung des Dualen Studiums muss sich verbessern, damit die dual Studierenden auch in teuren Städten tatsächlich ihren Lebensunterhalt bestreiten können.
Es lassen sich drei verschiedene Arten des dualen Studiums unterscheiden. Das Ausbildungsintegrierende Studium verbindet den angestrebten Hochschulabschluss mit einem Abschluss in einem anerkannten Ausbildungsberuf. Das Praxisintegrierende Modell enthält verlängerte Praxisphasen in dem jeweiligen Berufsfeld. Hierbei besteht für die Studierenden eine gültige Hochschulzulassung und entweder ein Ausbildungs- oder Studienvertrag mit dem Praxispartner. Das Berufsintegrierende Modell verbindet eine Teilzeittätigkeit mit einem Studium.
Viele Studierende arbeiten teilweise mehr als 30 Stunden pro Woche und werden dafür nicht ausreichend entlohnt, denn aktuell sind die Rahmenbedingungen für dual Studierende nicht gesetzlich geregelt. Wir Jusos fordern bereits seit 2016 die Aufnahme von dual Studierenden in das Berufsbildungsgesetz (BBiG), um die Arbeitsbedingungen zu verbessern und die Löhne zu erhöhen. Nach fünf Jahren ist diese Forderung aktueller denn je, denn die Zahl der dual Studierenden steigt und die “Spielregeln” für die Praxisphasen sind weiterhin nicht angemessen geregelt. Wir fordern die Aufnahme von dual Studierenden und ihren entsprechenden Praxisphasen in den Unternehmen in das BBiG. Hier gelten aktuell keine einheitlichen Regelungen und die Verträge zwischen den Studierenden und den Unternehmen werden individuell geschlossen und es gibt keine Pflicht, einen gewissen Mindestbetrag auszuzahlen, was zu Ausbeutung der jungen Mitarbeiter*innen führt. Außerdem muss eine geregelte Ausbildung sichergestellt werden. Daher fordern wir die Pflicht zur Vorlage eines Ausbildungsplans, der während des Studiums als Orientierung dient und vielfältige Einblicke in den Beruf gewähren soll. Bei der Aushandlung von Tarifverträgen ist es wichtig, die Besonderheiten der dual
Studierenden in den Blick zu nehmen und Ihre Belange wie Urlaub, Freistellung für die Vorlesungen und Arbeitszeit im BBiG zu regeln und eine gesetzliche Grundlage zu schaffen. Diese Form der Ausbildung wird immer beliebter und 20% aller Studierenden schlagen diesen Weg ein. Wir stehen solidarisch an der Seite der Studierenden und der Gewerkschaften, die sich schon lange für das Thema einsetzen.
Um Gleichstellung zu fördern und Antifaschismus in unserer Gesellschaft zu stärken, sollten diskriminierungskritische Inhalte Bestandteil aller Ausbildungen sein – das gilt somit auch für das Studium. Wir fordern daher die Vermittlung diskriminierungskritischer Inhalte, Kompetenzen und Grundsätze als verpflichtende Bestandteile aller Studiengänge in Bayern – und perspektivisch bundesweit.
Wissenschaftliche Perspektive
“Unter dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz hätte jemand wie Albert Einstein sicherlich keinen Nobelpreis bekommen” sagt der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW). Wer an einer deutschen Universität promoviert, habilitiert oder auf andere Weise seine Qualifikation erhöht, fällt unter eben jenes Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG), das bestimmt, dass wissenschaftliche Mitarbeiter*innen bis zu sechs Jahr vor und sechs Jahre nach ihrer Promotion befristet beschäftigt werden dürfen (in der Medizin sind es sechs beziehungsweise neun Jahre). Die genauen Laufzeiten können die Hochschulen selbst festlegen. Diese Regelungen haben zur Folge, dass es quasi keine unbefristeten Stellen in der wissenschaftlichen Arbeit gibt, sondern alle Mitarbeitenden auf eine Professur hinarbeiten oder die Wissenschaft früher oder später verlassen müssen. 2020 waren laut GEW 89 Prozent aller Verträge wissenschaftlicher Mitarbeiter befristet.
Die Befristungen sollen den wissenschaftlichen Werdegang der nachrückenden Forscher*innen regeln und laut Bundesbildungsministerin Karlicek auch durch mehr personellen Wandel Innovation schaffen und mehr Menschen einen Weg in der Wissenschaft bieten. Doch das WissZeitVG verfehlt dieses Ziel und verschlechtert sogar die Lebensverhältnisse von jungen wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen. Unabhängig davon, ob “Innovation“ tatsächlich durch Befristung entstehen kann, ist es in unseren Augen nicht das primäre Ziel von Wissenschaft innovativ zu sein sondern in erster Linie, wissenschaftliche Qualität durch ordentliche Beschäftigungsverhältnisse sicherzustellen. Nur Wissenschaftler*innen, die sich keine Sorgen um ihre berufliche Zukunft machen müssen, können gut forschen.
- Wer befristet arbeitet, kann keine Familie planen. 49 Prozent der Frauen und 42 Prozent der Männer, die nach der Promotion in der Wissenschaft arbeiten, bleiben kinderlos. Gerade in der Phase zwischen Mitte 20 und Ende 30, in der Familien gegründet und die Lebensplanung geschieht, haben junge Mitarbeiter*innen an Universitäten keine Planungssicherheit, sondern hangeln sich von Vertrag zu Vertrag.
- Die meisten Stellen sind wegen der vielfältigen Aufgaben auf Teilzeit ausgelegt. Mit der Arbeit in Laboren, der Lehre oder der Betreuung studentischer Arbeiten neben der Promotion wird aus einer bezahlten Teilzeitstelle schnell eine gearbeitete Vollzeitstelle. Das eigentliche Ziel, die Promotion oder Habilitation, wird zur Aufgabe in der vermeintlichen Freizeit.
- Die Innovation und die Qualität in der Forschung leiden, denn wer jedes halbe Jahr auf einen neuen Vertrag hoffen muss, wird eher solide Publikationen verfassen anstatt kontroverse Thesen zu vertreten und gängige Standpunkte der Wissenschaft anzugreifen. Zudem herrscht auch hier keine Planungssicherheit, denn wird ein Vertrag nicht verlängert, kann auch die Forschungsarbeit oft nicht fortgeführt werden.
- Das Ziel der Professur ist ein Irrweg, denn nur eine von 23 Bewerbungen hat Erfolg. Auf wenige Stellen kommen so enorm viele Bewerber*innen. Dabei werden hauptsächlich die Zahl der Publikation und die erreichten Drittmittel bei der Auswahl betrachtet, weniger die Qualität der Lehre. Wer keine Professur bekommt, muss in den meisten Fällen nach zwölf Jahren befristeter Arbeit in der Wissenschaft die Hochschule verlassen und in die freie Wirtschaft wechseln. In vielen Fällen ist dieser Schritt aufgrund des Alters schwer und die Karrierechancen sind extrem gering.
Diese Missstände nehmen wir nicht weiter hin! Die wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen sind das Grundgerüst der universitären Forschung und Lehre. Sie unterrichten die künftigen Akademiker*innen und forschen zum Wohl der Allgemeinheit. Deshalb verdienen sie Respekt und Sicherheit, keine prekären Arbeitsverhältnisse. Wir fordern deshalb:
- Als Qualifikationserwerb dürfen nur noch Promotion und Habilitation behandelt werden. Befristete Verträge sollen nur noch in diesen Fällen zulässig sein, nicht mehr bei der Mitarbeit in Forschungsgruppen oder bei der Arbeit an Publikationen.
- Die Dauer der Befristung darf nicht mehr von den Universitäten selbst festgelegt werden, sondern muss stärker gesetzlich beschränkt sein.
- Frauen muss es möglich sein, auch mit Kindern einen wissenschaftlichen Werdegang anzustreben. Dazu müssen sie besonders gefördert werden, dazu zählt beispielsweise die Bereitstellung von Betreuungsplätzen.
- Der geradlinige wissenschaftliche Werdegang mit dem Ziel einer Professur muss verlassen werden. Wissenschaftliche Mitarbeiter*innen müssen stattdessen unbefristet angestellt werden.
- Unser Ziel ist es, alle Beschäftigten deutscher Hochschulen aus prekären, befristeten und unfreiwillig abgeschlossenen Teilzeitverträgen in sozialversicherungspflichtige Dauerstellen zu überführen.
Nur mit diesen Maßnahme können wir den Wissenschaftsstandort Deutschland sichern und jungen Menschen gleichzeitig einen perspektivreichen Weg in die universitäre Forschung eröffnen. Wissenschaftliche Mitarbeiter*innen sollen endlich den Respekt bekommen, den sie verdienen!
Geringfügige Beschäftigung
Grundsätzlich lehnen wir geringfügige Beschäftigungsverhältnisse ab. Diese sind vor allem ein Mittel, mit dem Altersarmut, aber auch Armut im Falle des Jobverlustes gefördert werden, da diese Arbeit keine Rentenpunkte einbringt und zudem auch kein Beitrag in die Sozialversicherung eingezahlt wird. Da Frauen tendenziell häufiger in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen arbeiten, sind sie von diesen Gefahren mehr betroffen als Männer. Arbeitgeber*innen haben aus unserer Sicht eine Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft und diese Verpflichtung besteht darin, Arbeitsplätze zu schaffen, die ein gutes Auskommen, das armutsfest ist, zu garantieren. Dazu gehört neben dem Mindestlohn die Einzahlung in die Renten- und
Sozialversicherung. Wir fordern die Sozialversicherungspflicht ab dem ersten Euro. Verhältnisse, in denen Arbeitgeber*innen Bewerber*innen dazu nötigen, auf Renten- und Sozialversicherungseinzahlungen zu verzichten, müssen unterbunden werden. Hierzu bedarf es der Abschaffung von geringfügigen Beschäftigungen in der heutigen Form. Für Schüler*innen und Studierende braucht es beispielsweise Formen der Beschäftigung, die Einzahlungen in die Renten- und Sozialversicherung generieren, damit bereits diese Arbeit zur Absicherung für später beiträgt. Solange geringfügige Beschäftigungsverhältnisse bestand haben, bedarf es einer besseren Aufklärung darüber, welche Auswirkungen der Verzicht auf Einzahlung von Renten- und Sozialversicherungsbeiträge hat. Viele junge Menschen, die als Schüler*innen ihren ersten Job annehmen, wissen nicht ausreichend darüber Bescheid und lassen sich so leicht von Arbeitgeber*innen davon überzeugen, dass sie auf eine Einzahlung verzichten. Hier muss dringend mehr Wissen vermittelt werden.
Perspektive der Azubis
Mit der Einführung der Mindestvergütung für Auszubildende haben wir Jusos in der letzten Legislaturperiode viel für junge Menschen erreicht – gegen den Widerstand der Union. Die Höhe der Mindestausbildungsvergütung reicht aber immer noch nicht für ein selbstständiges Leben von jungen Leuten aus. Daher kämpfen wir für eine Erhöhung der Mindestausbildungsvergütung, bis dies erreicht ist. Ebenso wollen wir den Geltungsbereich des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) auf alle Ausbildungsberufe ausweiten, sodass die Mindestausbildungsvergütung ebenso wie alle anderen Schutzrechte im BBiG zukünftig für alle jungen Menschen in Ausbildung gelten.
Wir möchten eine Ausbildungsgarantie einführen, die jedem jungen Menschen das Recht auf einen guten Ausbildungsplatz gibt. Denn immer noch verlassen viel zu viele junge Menschen, die gerne eine Ausbildung machen würden die Schule ohne einen Ausbildungsplatz. Der Staat hat hier die Verantwortung jedem jungen Menschen eine gute Zukunftsperspektive zu geben. Die betriebliche Ausbildung hat hier jedoch Vorrang vor dem staatlichen Ausbildungssystem. Daher bleibt es Ziel, dass jeder junge Mensch einen betrieblichen Ausbildungsplatz bekommt.
Inzwischen beteiligen sich rund 80 Prozent der Betriebe gar nicht mehr an der Ausbildung von Fachkräften. Gerade in Zeiten, in denen sich fast alle Arbeitgeberverbände über fehlende Fachkräfte beklagen, es aber immer noch jährlich Zehntausende junge Menschen gibt, die keinen Ausbildungsplatz bekommen, ist das ein Zustand, den wir nicht hinnehmen können. Daher möchten wir durch eine Ausbildungsplatzumlage dafür sorgen, dass sich zukünftig alle Betriebe zumindest finanziell an der Ausbildung von Fachkräften beteiligen. Die Ausbildungsplatzumlage sollte in einen Ausbildungsfonds entrichtet werden, aus dem wiederum die Schaffung von Ausbildungsplätzen (im Rahmen der Ausbildungsgarantie) finanziert werden. Damit Auszubildende berufliche Sicherheit auch nach dem Ende der Ausbildung haben, fordern wir eine Übernahmegarantie in die Festanstellung.
Junge Menschen, die von ihren Eltern nicht finanziell unterstützt werden, haben oft Probleme, die Lebenshaltungskosten während der Ausbildung zu tragen. Mit dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) wurde 1971 eine staatliche Förderung für solche Situationen geschaffen. Heute können aber nur noch wenige Auszubildende diese Förderung in Anspruch nehmen, weil die Grenzen für das Einkommen der Eltern zu niedrig angesetzt sind. Außerdem wird die Beantragung durch viele bürokratische Hürden erschwert.
Wir fordern deshalb eine Umgestaltung des BAföG, die mehr Menschen den Zugang zur Förderung ermöglicht. Dazu zählt beispielsweise, dass das BAföG unabhängig vom Einkommen der Eltern ausgezahlt wird. Auch wollen wir, dass das BAföG nach dem Ende der Ausbildung nicht mehr wie bisher zurückgezahlt werden muss.
Der antifaschistische Kampf für eine befreite Gesellschaft muss auch in den Berufsschulen geführt werden. Die Vermittlung diskriminierungskritischer Konzepte, Inhalte und Grundsätze ist ein weiterer Schritt auf diesem Weg und muss baldmöglichst verpflichtender Teil der Lehrpläne für Berufsschulen in Bayern werden – perspektivisch auch bundesweit.
Ökologische Perspektive
Der Klimawandel ist die zentrale Herausforderung unserer Zeit und wirkt sich damit auf alle Teile unserer Gesellschaft aus. Wenn wir tatsächlichen Klimaschutz umsetzen wollen, müssen wir ihn auch unter dem Eindruck der Arbeit betrachten. Was den Bereich Arbeit in dieser Frage hingegen einzigartig macht, ist, dass sich politische Entscheidungen unmittelbar und entscheidend auf die Lebensgrundlage der Menschen auswirken.
Als sozialistischer Richtungsverband gilt für uns, dass wir Klimaschutz vor dem Hintergrund von Klassenunterschieden betrachten und wir für soziale Gerechtigkeit kämpfen – besonders, wenn es um Arbeit geht.
Wege zur Arbeit
Für viele Menschen in Deutschland ist der tägliche Weg zur Arbeit weiterhin der Normalfall. Mehr als zwei Drittel greifen dabei auf das Auto zurück. Für eine ökologischer gestaltete Arbeit, aber auch die Verkehrswende ist der Arbeitsweg ein guter Ansatzpunkt. Wir wollen den ÖPNV auch durch die flächendeckende Einführung eines Jobtickets vorantreiben. Dieses muss über Landkreisgrenzen hinweg gültig und paritätisch vom Staat und den Unternehmen finanziert werden. Damit schaffen wir auch den Anreiz, den ÖPNV der Anschaffung von Firmenfahrzeugen vorzuziehen.
Bildung und Ausbildung spielen in diesem Zusammenhang ebenfalls eine wichtige Rolle. Für uns als Jusos ist klar, dass Bildung auf allen Ebenen kostenfrei sein muss. Nur so ist sie für jede*n zugänglich. Das bedeutet, dass der Staat auch die Kosten für den Weg zur Schule oder Universität tragen muss. Wir fordern deshalb ein steuerfinanziertes Bildungstickets für Schüler*innen, Auszubildende und Studierende. Auch wer sich für eine Fort- oder Weiterbildung entscheidet, darf auf den Fahrtkosten nicht sitzenbleiben, wenn er*sie nicht bereits ein Jobticket hat. Am Ticket der Auszubildenden sollen sich, wie beim Jobticket, auch die Unternehmen paritätisch an der Finanzierung beteiligen. Zur Schulzeit, der Ausbildung oder dem Studium gehört die Begegnung mit anderen jungen Menschen. Auch die eigenen Interessen bilden sich in dieser Zeit. Mobil zu sein ist dabei besonders wichtig. Wir wollen deshalb, dass die Bildungstickets nicht nur für den Weg zur Schule oder Universität gelten, sondern jungen Menschen auch ermöglichen soll, in größere Städte zu kommen.
Insgesamt wollen wir, dass der ÖPNV für alle zugänglich ist – unabhängig von Beruf oder Alter. Wir wollen den kostenfreien ÖPNV für alle und setzten dabei auch auf massive Investitionen, besonders, um Land und Stadt besser zu verbinden und Querverbindungen zu schaffen. Wenn ausreichend Alternativen bestehen, wollen wir den PKW-Verkehr weniger attraktiv machen und seine Infrastruktur zurück bauen. Dadurch schaffen wir Platz, der wieder allen Menschen zur Verfügung steht.
Für einen sozial-radikalen Wandel
Einige Bereiche unserer Wirtschaft lassen sich nicht klimaneutral umbauen. Das betrifft gerade auch die Arbeit im Kohlebergbau. Die Jobs in diesen Branchen werden deshalb in den kommenden Jahren verschwinden. Für uns gehört es zur Ehrlichkeit, das gegenüber den Beschäftigten so klarzustellen.
Wir stehen besonders in diesem Wandel an der Seite der Arbeiter*innen. Deshalb fordern wir einerseits eine Frührente für Kohlearbeiter*innen, denen der Arbeitsmarkt keine Chancen bietet oder zubilligt. Diese Rente darf das Rentenniveau nicht unterschreiten und muss aus Steuermitteln finanziert werden. Die Rentenbeiträge sollen übernommen werden, damit die Beschäftigten keine Nachteile beim Eintritt in die reguläre Rente haben. Für jüngere Arbeitnehmer*innen fordern wir umfassende Begleit- und Unterstützungsprogramme bei der Umschulung, Weiterbildung und weiteren Arbeitssuche. Während dieser Zeit soll das alte Verdienstniveau durch den Staat garantiert werden.
In Regionen, in denen heute Kohle abgebaut wird, haben sich soziale und kulturelle Strukturen gebildet. Die Schaffung von klimaneutralen Arbeitsplätzen soll deshalb gerade dort gefördert werden. Besonders die zivilgesellschaftlichen Initiativen, gerade solche, die sich für Toleranz, Antifaschismus und Jugendbildung engagieren, müssen umfassend unterstützt werden.
Wenn Produktionsprozesse umgestaltet werden, können in anderen Branchen Arbeitsplätze in eine klimaneutrale Zukunft überführt und neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Dazu wollen wir Fort- und Weiterbildungen fördern. In diesem Zusammenhang fordern wir ein Recht auf lebenslange Bildung. Die Teilnahme an solchen Programmen wollen wir durch mindestens zehn zusätzliche (Bildungs-)Urlaubstage ermöglichen und die Kosten für diese Weiterqualifikation auf die Unternehmen umlegen.
Um die sozial-ökologische Transformation generell aber besonders um sie im Interesse der Beschäftigten voranzubringen wird eine grundlegende Demokratisierung der Betriebe notwendig sein. Wir wollen, dass gemeinsam entschieden wird, wie und was wir produzieren. Ressourcen sind endlich und müssen über demokratische Aushandlung solidarisch verteilt werden.
Ressourcenschonende Arbeit
Klima- und Ressourcenschutz müssen auch am Arbeitsplatz eine Rolle spielen. Es ist Aufgabe der Unternehmensführungen, ihre Arbeitsplätze und Prozesse dementsprechend zu gestalten. Die Digitalisierung schafft hier neue Möglichkeiten. So lassen sich Behördengänge weitestgehend papierlos und von zu Hause aus erledigen und Dienstreisen, besonders mit dem Flugzeug, können durch Online-Konferenzen vermieden werden. In diesen Bereichen brauchen wir einen gezielten Ausbau.
Wir erkennen die Möglichkeit für den Klimaschutz, die das Homeoffice eröffnet. Gleichzeitig sind wir uns der Risiken für Arbeitnehmer*innenrechte und soziale Kontakte bewusst. Wir stehen hier an Seite der Gewerkschaften, um Ausbeutung zu verhindern und gute Arbeitsbedingungen für alle zu schaffen.
Gerade in der Pflege gibt es viel zu tun: Wir sind der Auffassung, dass dem Personalüberlastung nur mit Hilfe eines gesetzlich verbindlichen Personalbemessungsinstrument erfolgreich entgegengewirkt werden kann. Wir müssen zu einer Lohnpolitik kommen, die Einerseits zu einer flächendeckenden Tarifbindung die Lohnentwicklung in den nächsten Jahren sichert, aber andererseits eine Neubewertung der Eingruppierung in den Care-Berufen gewährleistet, die die Komplexität und gesellschaftlichen Relevanz abbildet. Hierbei ist die regelmäßig und häufige Evaluation und Anpassung maßgeblich. Dem Personalmangel kann nur durch eine Ausbildungsoffensive entgegengewirkt werde. Auch die Möglichkeit sich in Care- Berufen akademisch weiterzubilden, muss dringend ausgebaut werden.
Arbeit im Wandel
Wie unsere gesamte Gesellschaft befindet sich auch die Arbeitswelt in einem stetigen Wandel und es kommen neue Herausforderungen auf uns zu, die es zu lösen gilt. Als Teil der Arbeiter*innenbewegung begleiten wir diesen Weg und setzen uns an jeder Stelle für die Belange der Arbeitnehmenden ein. Ausbeutung und ungerechte Behandlung Einzelner müssen ein Ende nehmen.