1 (kein Titel)

  1. Wir erkennen an, dass sich die Arbeitswelt und die Erwartungen der jungen Generation an diese gewandelt haben.
  2. Die SPD wird sich dafür einsetzen, die gesetzlichen Vorgaben für die Arbeitsgestaltung so zu verändern, dass diese einerseits der von den jungen Arbeitnehmern gewünschten Flexibilität nicht im Wege stehen, aber auch dennoch einen zeitgemäßen Schutz vor (Selbst-)Ausbeutung zu bieten.
  3. Die geänderten Arbeitsformen und Erwerbsbiographien erfordern, die soziale Absicherung neu zu denken.
  4. Konkret fordern wir:
    1. Erhöhung der Möglichkeit steuerfreier Zuschüsse des Arbeitgebers zum Homeoffice des AN bis zu realen Höhe der Kosten des Arbeitnehmers oder wahlweise der ersparten Kosten des Arbeitgebers.
    2. Es muss sichergestellt werden, dass die vorrübergehende Arbeitserbringung aus dem Ausland ohne Veranlassung des Arbeitgebers keine steuerliche Betriebsstätte im Ausland begründet.
    3. In künftigen DBA soll ausdrücklich geregelt werden, dass die Erbringung von Leistungen des eigenen Unternehmens keine Betriebsstätte begründet, wenn dies für weniger als 6 Monate und nur vorübergehend im Ausland erfolgt.
    4. Ein Abweichen von den Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes zuzulassen, soweit der Arbeitnehmer hinsichtlich der Lage seiner Arbeitszeiten zu mehr als 50% frei ist.
    5. Sicherzustellen, dass Arbeitzeitkonten bis mindestens der hälftigen jährlichen Arbeitszeit unproblematisch möglich sind, soweit kein Zwang zum Aufbau von Guthaben besteht.
    6. (Zumindest) Soloselbständige in die gesetzlichen Sozialversicherungssysteme einzubinden („Bürgerversicherung“).
Begründung:

Die derzeit in den Arbeitsmarkt eintretende Generation hat völlig andere Werte und Ziele als die „Babyboomer“ und die „Generation X“. Damit verbunden auch andere Bedürfnisse in und Erwartungen an die Arbeitswelt.

 

Die Digitalisierung eröffnet neue Möglichkeiten und Freiräume, Arbeit zu gestalten. Die Corona-Pandemie hat dazu gezwungen, diese zu nutzen. Diese Entwicklung dreht sich auch nach der Pandemie nicht zurück.

Starre zeitliche und örtliche Grenzen zwischen Freizeit und Arbeit verschimmen immer mehr. Dies bringt einerseits bisher nie geahnte Freiheiten, aber auch die Gefahr, dass die Vereinnahmung durch die Arbeit „total“ werden kann.

 

Die mehr auf Freizeit und Privates ausgerichteten Werte erlauben eine andere und nicht mehr rein auf die Karriereleiter ausgerichtete Lebensgestaltung. Die „Teilzeitfalle“ in der sozialen Absicherung wird damit aber ein Stück weit gefährlicher. Die Bereitschaft, Arbeit auch in Soloselbständigkeit zu erbringen, vertieft das sich aus der mangelnden sozialen Absicherung der Selbständigen ergebende Problem zusätzlich.

 

Letztlich nähert sich die „neue Arbeit“ in Lebensentwurf und Freiheit der Gestaltung der Soloselbständigkeit immer mehr an. Die Grenze zwischen Anstellung und Selbständigkeit wird immer schwerer zu ziehen. Wir müssen uns daher fragen, ob diese Abgrenzung noch Bestand haben kann oder sich Regeln für beide Formen der Arbeit nicht annähern müssen: mehr Freiheit für die Arbeitnehmer  – aber auch mehr Schutz (auch vor sich selbst) in der Selbständigkeit.

 

Arbeitsorte: Homeoffice, remote work, workaction

 

Es wird nicht mehr akzeptiert, dass Arbeit nur dann zählt, wenn diese an einem bestimmten Ort erbracht wird: es gibt keinen Sinn, in ein Büro zu fahren, wenn man eine Aufgabe für sich alleine zu erledigen hat. Dies kann genauso gut auch von Zuhause aus, aus einem Starbucks oder auch mal eben am Strand einer griechischen Insel erledigt werden. Es gibt auch keinen vernünftigen Grund, warum ein Teammeeting in einem Raum mit Neonröhren und lichtgrauen Tischen besser oder effektiver verlaufen sollte, als auf einer Decke im Englischen Garten oder einem Tisch in einem wirklich guten Kaffee mit hausgemachtem Kuchen. Und warum man um 9 Uhr kreativer sein sollte als um 22 Uhr.

 

Allerdings kostet ein gutes Homeoffice auch einfach Geld: die Fläche gibt es nicht kostenlos, ein höhenverstellbarer Schreibtisch ist teurer als ein Schuhschrank und die Heizung kann nicht von 9 bis 17 Uhr gedrosselt werden. Hier ist es zum einen geboten, den Aufwand steuerlich einfach und angemessen anzuerkennen und zum anderen Kostenersatz und Zuschüsse des Arbeitgebers großzügig steuer- und sozialversicherungsfrei zu stellen.

 

Auch darf die gesetzliche Unfallversicherung nicht entfallen, wenn zu Hause oder an einem anderen Ort gearbeitet wird.

 

Es muss sichergestellt werden, dass die Arbeitserbringung des Arbeitnehmers im Ausland nicht zur Begründung einer Betriebsstätte des Arbeitgebers in dem jeweiligen Land führt, da der Arbeitgeber dies sonst vernünftigerweise untersagen muss, da er sonst in beiden Ländern erklärungspflichtig wird und seine Bilanz zwischen den Ländern „zerlegen“ muss.

 

Für den Arbeitnehmer ist das Tätigwerden im Ausland aufgrund der „183-Tages-Regel“ in den meisten BDAs unproblematisch. Wir die Vertragsform der Selbstständigkeit gewählt, besteht jedoch die Gefahr der Begründung einer Betriebsstätte, was zu erheblichem Aufwand im Besteuerungsverfahren führen kann. Dies sollte ausgeschlossen werden.

 

 

Arbeitszeit: verschwommene Grenzen und starke Schwankungen

 

Eine feste zeitliche Grenze zwischen Freizeit und Arbeit wird so nicht mehr akzeptiert.

 

Es ist jungen Menschen nicht mehr nachvollziehbar, warum man zu vordefinierten Zeiten arbeiten soll und außerhalb nicht. Wenn es an einem Mittwochnachmittag strahlenden Sonnenschein hat und keine nicht verschiebbare Aufgabe anliegt, gibt es keinen Grund, nicht raus in die Natur zu gehen – genauso wenig wie es verboten sein sollte, die an einem regnerischen Sonntag die Aktenablage zu erledigen.

 

Immer mehr Menschen erwarten, dass Arbeit einen Sinn machen soll. Sie sind daher nicht bereit, nicht gebrauchte Stunden abzusitzen – andererseits gibt es die Bereitschaft, mehr als üblich zu arbeiten, wenn es wichtig ist und gefühlt Sinn macht.

 

Der Wunsch, längere Zeiträume für Reisen oder Familienarbeit zur Verfügung zu haben nimmt zu. Die Begrenzung auf eine vordefinierte Urlaubszeit wird als beschränkend empfunden. Statt dessen bestehen Wunsch und Bereitschaft, durch Mehrarbeit, wenn diese gebraucht wird, sich lange Auszeiten zu ersparen.

 

In der Selbständigkeit ist all dies kein Problem. Wird aber ein Anstellungsverhältnis gewählt (bzw. durch die Regeln zur Scheinselbständigkeit definiert), steht aber das Arbeitszeitgesetz entgegen, das Sonn- und Feiertagsarbeit grundsätzlich verbietet, die tägliche Arbeitszeit auf 10 Stunden begrenzt, elf Stunden Ruhepausen zwischen den Arbeitsblöcken und im Voraus feststehende Pausenzeiten fordert. Der Arbeitgeber muss Strafbarkeit fürchten, wenn er dem Arbeitnehmer eine freie Arbeitszeitgestaltung durchgehen lässt. Zu hohe Arbeitszeitguthaben stoßen ebenfalls auf rechtliche Probleme.

 

Wir treten dafür ein, Abweichungen vom Arbeitszeitgesetz zuzulassen, wenn der Arbeitnehmer in der Wahl der Lage seiner Arbeitszeiten insoweit frei ist. Arbeitszeitguthaben sollen bis zur Hälfte der jährlichen Arbeitszeit möglich sein.

 

Soziale Absicherung in der Soloselbständigkeit

 

Der Wunsch nach zeitlich und örtlich flexibler Arbeitsgestaltung führt dazu, dass junge Menschen sich für die (Solo-)Selbständigkeit entscheiden.

 

Sieht man von Ärzten, Anwälten und Steuerberatern ab, gibt es keine Zwang zur Altersvorsorge – und auch keinen Zugang zur gesetzlichen Rentenversicherung. Dies führt dazu, dass gerade junge Menschen auf den Aufbau einer entsprechenden Sicherung verzichten. Unsere alte Forderung nach der Einbindung auch der Selbständigen in die gesetzlichen Sozialversicherungssysteme (Bürgerversicherung) gewinnt daher zusätzliche Bedeutung.

 

Dies soll auch verhindern, dass Phasen der Selbständigkeit zu einem Herausfallen aus der solidarischen Krankenversicherung führen. Gerade familienpolitisch ist der Verzicht auf die Mitversicherung von Kindern unvertretbar.

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