Im August des vergangenen Jahres startete die Studentin Antonia Quell eine Petition mit dem Titel „Es ist 2020. Catcalling soll strafbar sein.“ Die Petition wird mittlerweile von der UN Women, Pinkstinks Germany e.V. und The Female Company GmbH unterstützt. Doch worum geht es hier überhaupt?
Die allgemeine Definition des Catcalling betrifft jegliche übergriffigen, sexuell aufgeladenen Kommentare von Männern gegenüber Frauen. Darin enthalten sind Hinterherrufen, Hinterherpfeifen, abfällige Kommentare und andere obszöne Äußerungen und Geräusche. In einer Online-Befragung an der George Washington University gaben 809 von 811 befragten Frauen an, schon einmal Opfer von sexueller Belästigung auf der Straße gewesen zu sein. In anderen Studien global berichten 60-90% der Frauen, Catcalling mindestens einmal in ihrem Leben erlebt zu haben. Doch von Catcalling sind nicht nur Frauen im Sinne der Zweigeschlechtlichkeit betroffen. Oft beziehen sich die Äußerungen auch erniedrigend auf äußere Merkmale, sodass von Catcalling neben vor allem weiblich gelesenen Personen auch allgemein FLINTA*- (Frauen, Lesben, Inter-, nicht-binäre, Agender- und Transpersonen) betroffen sind. Genderforscher:innen bezeichnen Catcalling bereits im Jahr 1993 als eine Form männlicher Herrschaft, weiblicher Unterdrückung und einen Ausdruck patriarchaler Macht. Indem Catcalling nicht als Straftatbestand geahndet wird, wird suggeriert, dass die Körper von FLINTA*-Personen jederzeit verfügbar und kommentierbar sind, ihr Recht auf Privatsphäre wird verletzt und physische und geografische Mobilität eingeschränkt, da sie ihr Verhalten ändern, um Belästigungen auf der Straße zu vermeiden. Catcalling führt somit nicht nur zu Einschränkung im Alltag vieler FLINTA*, es hat auch weitere negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Betroffenen. Catcalling ist sexuelle Belästigung und damit Gewalt an FLINTA*. Die psychischen Folgen reichen von Angststörungen und Depressionen zu etlichen anderen gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Während es für die Täter meist keinerlei Konsequenzen gibt, haben Betroffene mit den Folgen von Catcalling also weit länger zu kämpfen als nur während der Vorfälle selbst.
Aktuell ist Catcalling nicht strafbar. Diese fehlende Strafbarkeit zeigt auch, dass sexualisierte Gewalt viel zu oft unbeachtet bleibt – gesellschaftlich wie rechtlich. Dies verstärkt die Normalisierung von sexualisierter Gewalt. Die einzige Möglichkeit Catcalling zur Anzeige zu bringen, ist aktuell über den Straftatbestand der Beleidigung. Die wissenschaftlichen Dienste des Bundestags haben dazu am 02. November 2020 einen Bericht abgeschlossen. Sie kommen darin zu dem Schluss, dass nach aktueller Rechtsprechung Catcalling nur dann unter Straftatbestand der Beleidigung fällt, wenn neben der sexuell motivierten Äußerung auch eine Beleidigung fällt, wenn also eine „Ehrverletzung“ zu erkennen ist. Somit fallen sexualisierte Äußerungen nicht unter Beleidigungen, sofern der Person nicht beispielsweise auch Geld oder anderes für ihre Sexualität geboten werden würden. Damit ist die Verfolgung von Catcalling als Straftat aktuell sehr schwer umsetzbar.
Catcalling ist aber generell nicht gleichzusetzen mit Beleidigungen, da schon allein die verbalen Äußerungen sexuell konnotiert sind und somit sexualisierte Gewalt darstellen. Für den Straftatbestand der sexuellen Belästigungen setzt die aktuelle Gesetzeslage allerdings eine körperliche Berührung voraus. Somit ist es für Betroffene fast unmöglich sich gegen Catcalling rechtlich zu wehren und Täter fühlen sich somit sicher in ihrem Handeln. Catcalling muss daher endlich aus der rechtlichen Grauzone gehoben werden und juristisch handfest gemacht werden. Betroffene müssen die rechtliche Sicherheit haben, gegen dieses Verhalten vorgehen zu können. Bereits verschiedene europäische Länder haben Catcalling explizit als Straftat eingestuft. In Belgien, Portugal und den Niederlanden beispielsweise ist Catcalling auch ohne Beisein von Polizist:innen (wie in Frankreich) strafbar. Catcalling wird hierbei als ungewollte Äußerung oder Gestik definiert, die sexuell konnotiert ist. Die vorgesehenen Strafen reichen von Geldstrafen bis hin zu einem Jahr Gefängnis.
Die Strafbarkeit von Catcalling wird diese weitverbreitete Form sexualisierter Gewalt allerdings nicht allein vermindern. Breite Aufklärungskampagnen sind dabei notwendig, um das Thema und deren negative Konsequenzen in das Bewusstsein der Öffentlichkeit und insbesondere ins Bewusstsein von Männern zu bringen.
Deshalb fordern wir:
- Die Ergänzung von „geschlechtsspezifisch“ in § 46 II 2 StGB.
- Eine entsprechende Anpassung des Strafgesetzbuchs, so dass Catcalling explizit einen Straftatbestand nach belgischem, niederländischem oder portugiesischem Vorbild darstellt. Die Auslegung des Tatbestands der Beleidigung (§ 185 StGB) sollte deshalb in der Rechtspraxis dahingehend geändert werden, dass nicht körperliche sexuelle Belästigungen, die die Herabwürdigung einer Person zum Sexualobjekt darstellen, als Kundgabe der Nichtachtung oder Missachtung dieser Person zu verstehen sind.
- Die Schaffung eines Straftatbestandes, der weitere Formen der unzumutbar aufgedrängten Sexualität erfasst.
- Catcalling muss eine breitere Öffentlichkeit finden. Wir fordern eine Aufklärungskampagne zu diesem Thema.
Zusätzlich zu der öffentlichen Kampagne muss das Thema bereits in der Schule thematisiert werden, damit Kinder schon früh lernen die körperliche Autonomie von FLINTA: zu respektieren. Dabei sollen insbesondere männliche Kinder und Jugendliche bezüglich ihrer Männlichkeitsbilder sensibilisiert werden.
Adressat*innen ändern auf: Bundestagsfraktion, Bundesparteitag