Wir stellen fest:
Die bestehenden Regelungen zum Arbeitslosengeld II genügen zentralen Anforderungen an Gerechtigkeit und gute Arbeit nicht. Sie verstoßen an zentralen Punkten gegen unsere Grundwerte und den Auftrag an eine moderne Arbeitsmarktpolitik:
- Sie gehen von der Grundannahme aus, dass Arbeitslosigkeit nicht wirtschaftlichen Verhältnissen und unternehmerischen Entscheidungen geschuldet ist, sondern individuellem Versagen. Sie unterstellen Langzeitarbeitslosen, dass sie behördlichen Druckes und weniger der konkreten Hilfe bedürfen, um sich wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern;
- Sie entwerten Erwerbsbiografien und Lebensleistungen, indem sie die Betroffenen nach jahrelanger Arbeit nach einem Jahr zu Grundsicherungsempfängern mit allen Folgen machen;
- Sie zwingen die Menschen, jede Arbeit auf einem zersplitterten und prekären Arbeitsmarkt anzunehmen;
- Sie zementieren selbst in Zeiten guter Arbeitsmarktlage einen umfangreichen Niedriglohnsektor;
- Sie drohen Sanktionen gegen das ohnehin zu niedrig angesetzte Existenzminimum an;
- Sie lösen in weiten Teilen der Arbeitnehmerschaft berechtigte Abstiegsängste aus.
Mit dem von der SPD durchgesetzten Qualifizierungschancengesetz wurden erste richtige Schritte gemacht. Eine umfassende Reform der Arbeitsmarktpolitik ist unumgänglich. Wir brauchen ein Gesamtkonzept anstatt einzelner Reparaturen. Dazu gehören folgende Einzelaspekte:
- Möglichst vielen Menschen wollen wir Langzeitarbeitslosigkeit ersparen und sie vor sozialem Abstieg schützen. Auch geht es darum, möglichst vielen eine Perspektive außerhalb des Hartz- IV-Systems zu eröffnen. Wer langjährig sozialversicherungspflichtig beschäftigt war (10 Jahre), soll deutlich länger im Regelkreis des ALG I verbleiben und dementsprechenden Zugang zu Weiterbildung, intensive Betreuung und Vermittlung haben.
- ALG I muss entsprechend der vorherigen Beschäftigungsdauer länger bezogen werden können und sich bei der Teilnahme an Weiterbildung entsprechend verlängern. Zudem brauchen wir eine Mindesthöhe des ALG I, die eine Aufstockung durch ALG II vermeiden muss und eine zwischenzeitliche Abstufung von mindestens einem Jahr bis zum Bezug von ALG II.
- Arbeitslosengeld II wird Menschen gezahlt, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Wie ursprünglich von der Hartz-Kommission und der
SPD vorgesehen, muss ALG II deutlich oberhalb der Grundsicherung liegen. - Beim ALG II ist von einer individuellen Betrachtungsweise der arbeitsuchenden einzelnen Menschen anstatt der Bedarfsgemeinschaft auszugehen. Eine Anrechnung von Arbeitseinkommen auf andere Familienmitglieder der Bedarfsgemeinschaft muss unterbleiben.
- Als zumutbar gilt in Zukunft nur noch nicht-prekäre, tariflich bzw ortsüblich bezahlte Arbeit.
- Die Förderung für Langzeitarbeitslose ist massiv auszubauen, vor allem, was Qualifizierung und Vermittlung – auch in einen öffentlich geförderten Arbeitsmarkt – betrifft. Für den Aufbau öffentlich geförderter Beschäftigung muss der Passiv-Aktiv-Tausch muss den Kommunen generell ermöglicht werden; dies soll nicht mehr von der Zustimmung des jeweiligen Bundeslandes abhängen.
- Arbeitslose sollen künftig einen Rechtsanspruch auf Beratung zur Weiterbildung erhalten. Die finanziellen Rahmenbedungen für Teilnehmende an einer abschlussbezogenen Weiterbildung müssen verbessert werden. Der Zugang zu Weiterbildungsmaßnahmen muss erleichtert werden. Dazu gehören zu den Fördermaßnahmen passende Angebote der Kinderbetreuung, Weiterbildung in Teilzeit. Insbesondere muss mit besonderen Angeboten auf Menschen mit negativen Bildungserfahrungen eingehen. Ebenso wie im Bereich der Arbeitslosenversicherung muss auch im Hartz-IV-System ein Haushaltstitel für Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung geschaffen werden.
- Die Grundsicherung ist bedarfsgerecht nach den Vorschlägen der Wohlfahrtsverbände anzuheben. Diese existenzsichernde Leistung ist sanktionsfrei. Kinder benötigen eine eigene Grundsicherung, in der alle ihnen zustehenden Leistungen zusammengefasst werden.
- Zeiten des Bezuges von ALG II sind künftig wieder als Beitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung mit einem halben Entgeltpunkt zu werten.
- Vermögen sollten weitestgehend anrechnungsfrei bleiben, soweit es sich nicht um größere Summen handelt. Die Bedürftigkeitsprüfung stellen wir grundsätzlich in Frage. Die derzeitigen Grenzen sind viel zu niedrig, entwürdigend und angstauslösend. Zudem erfordert die Kontrolle überproportionalen bürokratischen Aufwand, der besser bei der Bekämpfung der Schwarzarbeit und des Lohndumpings eingesetzt werden sollte. So sollten die Job-Center bei ihrer Vermittlungstätigkeit die Arbeitsbedingungen der aufnehmenden Betriebe prüfen.
- Die Bundesagentur unterstützt die Kommunen dabei, Beschäftigungsgesellschaften aufzubauen und zu unterhalten, die die Integration von Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt abgestimmt auf die lokale Situation ermöglichen.
- Im Bundeshaushalt müssen ausreichend Mittel für die Personal- und Verwaltungskosten bereitgestellt werden. Es darf nicht sein, dass Mittel für die aktive Arbeitsmarktförderung für die Deckung von Personal- und Verwaltungskosten herangezogen werden müssen.
Das Lohnabstandsgebot muss durch die Austrocknung des Niedriglohnsektors erreicht werden. Deshalb brauchen wir einen deutlich höheren, armutsfesten Mindestlohn, die Erhöhung der Tarifbindung, die Neuregelung der Minijobs mit einer Beendigung der faktischen Subventionierung, wirksame Kontrollen bei der Einhaltung der gesetzlichen Regelungen zu den Arbeitsbedingungen auch durch die Arbeitsverwaltung. Diese soll dem verfassungsrechtlichen Existenzminimum (derzeit 619 Euro) entsprechen und mit steigendem Einkommen auf einen Mindestbetrag (derzeit 300 Euro) abschmelzen. Dieser Mindestbetrag soll der maximalen Entlastung durch die steuerlichen Kinderfreibeträge entsprechen.
Änderungsanträge
Status | Kürzel | Aktion | Seite | Zeile | AntragstellerInnen | Text | |
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Annahme | Ä6 zum A4 | 54 | Philipp Dees | Füge ein in Zeile 54 nach „betrifft“: „Für den Aufbau öffentlich geförderter Beschäftigung muss der Passiv-Aktiv-Tausch muss den Kommunen generell ermöglicht werden; dies soll nicht mehr von der Zustimmung des jeweiligen Bundeslandes abhängen.“ | |||
Annahme | Ä7 zum A4 | 54 | Philipp Dees | Füge ein nach Zeile 54 als neuen Aufzählungspunkt: „Arbeitslose sollen künftig einen Rechtsanspruch auf Beratung zur Weiterbildung erhalten. Die finanziellen Rahmenbedungen für Teilnehmende an einer abschlussbezogenen Weiterbildung müssen verbessert werden. Der Zugang zu Weiterbildungsmaßnahmen muss erleichtert werden. Dazu gehören zu den Fördermaßnahmen passende Angebote der Kinderbetreuung, Weiterbildung in Teilzeit. Insbesondere muss mit besonderen Angeboten auf Menschen mit negativen Bildungserfahrungen eingehen. Ebenso wie im Bereich der Arbeitslosenversicherung muss auch im Hartz-IV-System ein Haushaltstitel für Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung geschaffen werden.“ | |||
Annahme | Ä3 zum A4 | 69 | Philipp Dees | Ergänze nach Zeile 69 als zusätzlichen Aufzählungspunkt: „Die Bundesagentur unterstützt die Kommunen dabei, Beschäftigungsgesellschaften aufzubauen und zu unterhalten, die die Integration von Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt abgestimmt auf die lokale Situation ermöglichen.“ | |||
Annahme | Ä5 zum A4 | 69 | Philipp Dees | Füge an nach Zeile 69 als zusätzlichen Aufzählungspunkt: „Im Bundeshaushalt müssen ausreichend Mittel für die Personal- und Verwaltungskosten bereitgestellt werden. Es darf nicht sein, dass Mittel für die aktive Arbeitsmarktförderung für die Deckung von Personal- und Verwaltungskosten herangezogen werden müssen.“ | |||
Annahme | Ä4 zum A4 | 75 | Philipp Dees | Füge an nach Zeile 75: „Die dem Hartz-IV-System vorgelagerten Leistungen, vor allem das Wohngeld und das Kindergeld, müssen weiterentwickelt werden. Kein Haushalt mit einem Einkommen aus Vollzeit-Erwerbstätigkeit soll Hartz IV beziehen müssen, nur weil er Kinder hat oder die Wohnkosten zu hoch sind.“ | |||
Annahme | Ä2 zum A4 | 1 | Wolfgang Schmid, SPD Büchenbach | Empfänger sollen auch sein: Bundesparteitag, Bundestagsfraktion | |||
Annahme | Ä1 zum A4 | 36, 37, zwischen 41 und 42, nach Zeile 58 | Wolfgang Schmid, SPD Büchenbach | Füge in Zeile 36 nach Beschäftigungsdauer ein: "und dem Alter" Füge ein Zeile 37 nach "länger" ein: " ,auf bis zu 36 Monate," Der Satz sollte dann lauten: ALG I muss entsprechend der vorigen Beschäftigungsdauer und dem Alter länger, auf bis zu 36 Monate, bezogen werden können und sich bei der Teilnahme an Weiterbildung entsprechend verlängern. Füge ein zwischen Zeile 41 und 42: Die Zuverdienstmöglichkeiten müssen ohne Stufen und Deckel erhöht werden, d.h., nach dem Freibetrag von 100 Euro kann immer 20% des Zuverdienstes pro Monat behalten werden. Füge ein in Zeile 58 nach: "Kinder benötigen eine eigene Grundsicherung, in der alle ihnen zustehenden Leistungen zusammengefasst werden": Diese soll dem verfassungsrechtlichen Existenzminimum (derzeit 619 Euro) entsprechen und mit steigendem Einkommen auf einen Mindestbetrag (derzeit 300 Euro) abschmelzen. Dieser Mindestbetrag soll der maximalen Entlastung durch die steuerlichen Kinderfreibeträge entsprechen. |
Wir stellen fest:
Die bestehenden Regelungen zum Arbeitslosengeld II genügen zentralen Anforderungen an Gerechtigkeit und gute Arbeit nicht. Sie verstoßen an zentralen Punkten gegen unsere Grundwerte und den Auftrag an eine moderne Arbeitsmarktpolitik:
- Sie gehen von der Grundannahme aus, dass Arbeitslosigkeit nicht wirtschaftlichen Verhältnissen und unternehmerischen Entscheidungen geschuldet ist, sondern individuellem Versagen. Sie unterstellen Langzeitarbeitslosen, dass sie behördlichen Druckes und weniger der konkreten Hilfe bedürfen, um sich wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern;
- Sie entwerten Erwerbsbiografien und Lebensleistungen, indem sie die Betroffenen nach jahrelanger Arbeit nach einem Jahr zu Grundsicherungsempfängern mit allen Folgen machen;
- Sie zwingen die Menschen, jede Arbeit auf einem zersplitterten und prekären Arbeitsmarkt anzunehmen;
- Sie zementieren selbst in Zeiten guter Arbeitsmarktlage einen umfangreichen Niedriglohnsektor;
- Sie drohen Sanktionen gegen das ohnehin zu niedrig angesetzte Existenzminimum an;
- Sie lösen in weiten Teilen der Arbeitnehmerschaft berechtigte Abstiegsängste aus.
Mit dem von der SPD durchgesetzten Qualifizierungschancengesetz wurden erste richtige Schritte gemacht. Eine umfassende Reform der Arbeitsmarktpolitik ist unumgänglich. Wir brauchen ein Gesamtkonzept anstatt einzelner Reparaturen. Dazu gehören folgende Einzelaspekte:
- Möglichst vielen Menschen wollen wir Langzeitarbeitslosigkeit ersparen und sie vor sozialem Abstieg schützen. Auch geht es darum, möglichst vielen eine Perspektive außerhalb des Hartz- IV-Systems zu eröffnen. Wer langjährig sozialversicherungspflichtig beschäftigt war (10 Jahre), soll deutlich länger im Regelkreis des ALG I verbleiben und dementsprechenden Zugang zu Weiterbildung, intensive Betreuung und Vermittlung haben.
- ALG I muss entsprechend der vorigen Beschäftigungsdauer und dem Alter länger, auf bis zu 36 Monate, bezogen werden können und sich bei der Teilnahme an Weiterbildung entsprechend verlängern. Zudem brauchen wir eine Mindesthöhe des ALG I, die eine Aufstockung durch ALG II vermeiden muss und eine zwischenzeitliche Abstufung von mindestens einem Jahr bis zum Bezug von ALG II.
- Die Zuverdienstmöglichkeiten müssen ohne Stufen und Deckel erhöht werden, d.h., nach dem Freibetrag von 100 Euro kann immer 20% des Zuverdienstes pro Monat behalten werden.
- Arbeitslosengeld II wird Menschen gezahlt, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Wie ursprünglich von der Hartz-Kommission und der
SPD vorgesehen, muss ALG II deutlich oberhalb der Grundsicherung liegen. - Beim ALG II ist von einer individuellen Betrachtungsweise der arbeitsuchenden einzelnen Menschen anstatt der Bedarfsgemeinschaft auszugehen. Eine Anrechnung von Arbeitseinkommen auf andere Familienmitglieder der Bedarfsgemeinschaft muss unterbleiben.
- Als zumutbar gilt in Zukunft nur noch nicht-prekäre, tariflich bzw ortsüblich bezahlte Arbeit.
- Die Förderung für Langzeitarbeitslose ist massiv auszubauen, vor allem, was Qualifizierung und Vermittlung – auch in einen öffentlich geförderten Arbeitsmarkt – betrifft.
- Arbeitslose sollen künftig einen Rechtsanspruch auf Beratung zur Weiterbildung erhalten. Die finanziellen Rahmenbedungen für Teilnehmende an einer abschlussbezogenen Weiterbildung müssen verbessert werden. Der Zugang zu Weiterbildungsmaßnahmen muss erleichtert werden. Dazu gehören zu den Fördermaßnahmen passende Angebote der Kinderbetreuung, Weiterbildung in Teilzeit. Insbesondere muss mit besonderen Angeboten auf Menschen mit negativen Bildungserfahrungen eingehen. Ebenso wie im Bereich der Arbeitslosenversicherung muss auch im Hartz-IV-System ein Haushaltstitel für Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung geschaffen werden.
- Die Grundsicherung ist bedarfsgerecht nach den Vorschlägen der Wohlfahrtsverbände anzuheben. Diese existenzsichernde Leistung ist sanktionsfrei. Kinder benötigen eine eigene Grundsicherung, in der alle ihnen zustehenden Leistungen zusammengefasst werden. Diese soll dem verfassungsrechtlichen Existenzminimum (derzeit 619 Euro) entsprechen und mit steigendem Einkommen auf einen Mindestbetrag (derzeit 300 Euro) abschmelzen. Dieser Mindestbetrag soll der maximalen Entlastung durch die steuerlichen Kinderfreibeträge entsprechen.
- Zeiten des Bezuges von ALG II sind künftig wieder als Beitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung mit einem halben Entgeltpunkt zu werten.
- Vermögen sollten weitestgehend anrechnungsfrei bleiben, soweit es sich nicht um größere Summen handelt. Die Bedürftigkeitsprüfung stellen wir grundsätzlich in Frage. Die derzeitigen Grenzen sind viel zu niedrig, entwürdigend und angstauslösend. Zudem erfordert die Kontrolle überproportionalen bürokratischen Aufwand, der besser bei der Bekämpfung der Schwarzarbeit und des Lohndumpings eingesetzt werden sollte. So sollten die Job-Center bei ihrer Vermittlungstätigkeit die Arbeitsbedingungen der aufnehmenden Betriebe prüfen.
Das Lohnabstandsgebot muss durch die Austrocknung des Niedriglohnsektors erreicht werden. Deshalb brauchen wir einen deutlich höheren, armutsfesten Mindestlohn, die Erhöhung der Tarifbindung, die Neuregelung der Minijobs mit einer Beendigung der faktischen Subventionierung, wirksame Kontrollen bei der Einhaltung der gesetzlichen Regelungen zu den Arbeitsbedingungen auch durch die Arbeitsverwaltung.