Der Unterbezirk München beantragt für das Wahlprogramm der BayernSPD 2018 folgende Punkte zur Aufnahme bei den bildungspolitischen Zielen:
Grundsätzliche Ziele, Lehrpläne
Schule dient der Gesellschaft
Schule bereitet auf die gesellschaftliche und berufliche Teilhabe vor. Wir werden uns dafür einsetzen, dass allgemeinbildende Schulen nicht zum Reservoir für möglichst pflegeleichtes „Humankapital“ der Wirtschaft verkommen.
Bildung muss Chancengerechtigkeit für alle bieten
Die Finanzierung von Bildung ist eine staatliche und gesellschaftliche Aufgabe. Menschen dürfen nicht aus finanziellen Gründen von Bildung ausgeschlossen werden. Echte Chancengerechtigkeit ist nur möglich, wenn Bildung kostenfrei zur Verfügung gestellt wird. Die Kostenfreiheit reicht muss dabei von der frühkindlichen Bildung bis zum Master / Meister gelten und alle Kosten im Kontext der Bildung abdecken: Explizit schließt das Lernmittel und beispielsweise die Kostenfreiheit des Schulwegs mit ein.
Bedeutung der frühkindlichen Bildung unterstreichen
Vor dem Hintergrund der Chancengerechtigkeit ist die Bedeutung der frühkindlichen Bildung zu unterstreichen. Flächendeckende Verfügbarkeit von kostenlosen Kindertagesstätten sind elementar, um schon früh Bildung für alle anzubieten und sozioökonomische Faktoren auszugleichen.
Individuelle Förderung für alle
Schule muss ein individualisiertes Angebot für alle Lernenen anbieten. Statt einer Aufteilung auf unterschiedliche Schularten – die massiv zur Erhaltung sozialer Ungleichheit beiträgt – wollen wir ein längeres gemeinsames Lernen und eine Schule für alle.
Innerhalb der Gemeinschaftsschulen sollen einzelne Fächer in unterschiedlicher Stundenzahl
angeboten werden, sodass die Schüler*innen je nach individuellen Interessen wählen können. An der Gemeinschaftsschule können je nach den Zukunftswünschen der Schüler*innen unterschiedliche Bildungsabschlüsse erreicht werden. Hierfür findet eine frühzeitige individuelle Beratung zur Entwicklung des Bewusstseins über Stärken und Interessen für jede*n Schüler*in statt. Auch die Schwerpunktsetzung in den Abschlussprüfungen erfolgt individuell.
Handlungsorientiertes und entdeckendes Lernen sind gleichberechtigt
»Lernen« sollte handlungs- und ergebnisorientiert vermittelt werden, die Fähigkeit, durch Reflexion das Erreichen von Zielen zu überprüfen, ist verpflichtender Bestandteil der Lehrpläne. Denselben Stellenwert räumen wir dem „entdeckenden Lernen und Forschen“ ein. Deshalb wird Kreativität und Entdeckerfreude in allen Fächern belohnt und gefördert, auch im MINT-Umfeld.
Lehrplan fortschrittlich weiterentwickeln
Der vor Kurzem in allen Schularten eingeführte LehrplanPLUS stellt mit seiner Schwerpunktsetzung auf Kompetenzorientierung, eigenständigem Lernen der Schüler_innen, Kontroversität und größerer Freiheit der Lehrkräfte bei der Gestaltung des Unterrichts einen bildungspolitischen Fortschritt dar. Diese Ansätze gilt es beizubehalten und zu vertiefen, besonders bei der Gestaltung des Lehrplans für das wiedereingeführte neunjährige Gymnasium. Weiterhin soll die Stofffülle der Lehrpläne überprüft und gegebenenfalls reduziert werden, um mehr Freiraum für Diskussion und Bewertung im Unterricht zu ermöglichen. Bereits in der Mittelstufe soll die Möglichkeit zur Vertiefung mittels Profilfächern gegeben werden, damit die Schüler_innen sich ihren Interessen widmen können.
Selbstbestimmtes Lernen und demokratische Erziehung
In einer demokratischen Gesellschaft sind Mitbestimmung und Partizipation in Bildungseinrichtungen selbstverständlich. Individuelle Bildungsansätze ermöglichen die Emanzipation von gesellschaftlichen Normen, stärken die eigenständige und kritische Meinungsbildung und lehren die Wertschätzung anderer Meinungen im demokratischen Diskurs. Dies erfordert die flächendeckende Etablierung neuer Unterrichtskonzepte, die die kritische Meinungsbildung von Schüler_innen fördern und bei denen inhaltliche Schwerpunkte individuell festgelegt werden können.
Stärkung der Schüler_innenrechte
Darüber hinaus bedarf es einer Demokratisierung des Schulalltags. Schüler_innen sind elementar und in starker Rolle an allen Entscheidungen zu beteiligen, die die Schule betreffen. Die SMVen müssen zu einer Schüler*innenvertretung werden, die echte Mitspracherechte und Kompetenzen hat. Die Vertretung der Meinungen soll auf Schulebene sowie übergreifend in bildungspolitischen Diskussionen eingebracht und gehört werden. SVen sind dabei mit Ressourcen (Räume, Budget und hauptamtliche Unterstützung) auszustatten.
Alternativen zur Regelschule
Alternative Schulformen (z. B., Montessori-Schulen) sollen weiterhin gefördert werden. Erfahrungen aus diesen Schulformen sollen ebenfalls aufgenommen werden und in die Weiterentwicklung der Regelschulen einfließen. Wir halten am Beschluss einer längeren gemeinsamen Schulzeit fest. Fernziel bleibt eine Schule für alle. Wir wollen, dass alle Kinder und Jugendlichen inklusive staatliche und städtische Schulen besuchen können. Jedes einzelne Kind soll seinen persönlichen Lernweg gehen können und nachhaltig und vernetzt lernen.
Fächerübergreifende und fachfremde Qualifikationen fördern
Recherchieren, Dokumentieren, Präsentieren sowie erklärendes Darstellen von Ergebnissen und Abläufen sind für die Menschen, die in der aktuellen Wissensgesellschaft leben, wichtige Fähigkeiten. Schule muss diese Qualifikationen fördern.
Dabei wird vor Allem auf zielgruppengerechte und sachorientierte Vorbereitung und Durchführung Wert gelegt. Geeignete Medien und Darstellungsformen zu wählen, ist gleichberechtigtes Lernziel.
Informatik und Statistik im Unterricht verankern
Bedienen von Anwendungen ist kein Informatikunterricht! Strukturen in Abläufen, Informationen und Daten zu erkennen, zu beschreiben und zu schaffen, auch unter Zuhilfenahme von Werkzeugen wie Programmiersprachen u.Ä., ist stattdessen das Ziel. Der Informatikunterricht bereitet damit vor auf die Durchdringung der Gesellschaft mit immer mehr Informationen und deren digitale Verarbeitung und Speicherung. Die Schule vermittelt Grundlagen der Statistik und die Fähigkeit, statistische Aussagen kritisch zu bewerten und einzuordnen.
Digitalisierung von Bildung
Die fortschreitende Digitalisierung aller Lebensbereiche bietet Potentiale für die Bildungseinrichtungen. Schule muss einerseits diese Chancen für eine Verbesserung der Wissensvermittlung nutzen andererseits aber auch Risiken und Probleme der Digitalisierung adressieren und eine kritische Auseinandersetzung fördern. Notwendige technische Infrastruktur ist umgehend zu schaffen. Die Digitalisierung muss unter Einbeziehung der Lehrkräfte und Schüler_innen erfolgen und sich an der Lebensrealität der Jugendlichen orientieren. Für diesen Prozess muss ein umfassendes und nachhaltiges Konzept aufgelegt werden, aktionistische Einzelmaßnahmen müssen vermieden werden.
Informieren, Schlussfolgern, Lernen
Auf die Fähigkeit, fallweise Wissen, Information und Daten zu unterscheiden, wird besonderer Wert gelegt. Erworbenes Wissen wird verallgemeinert und zur Lösung von Aufgabenstellungen anderer Art übertragen. Daten und Informationen aus verschiedensten Quellen zu beschaffen, zu bewerten und zur Problemlösung heranzuziehen, wird in allen Fächern eingeübt.
Persönlichkeit fördern
Insbesondere die Lehrerinnen und Lehrer, Schulsozialpädagoginnen und -pädagogen und alle anderen Beteiligten am Bildungsprozess wirken gängigen Rollenmodellen entgegen und ermutigen die Schülerinnen und Schüler, ihren Interessen und Fähigkeiten gemäße Entscheidungen über ihren Bildungsweg zu treffen. Auch bei der individuellen Zusammenstellung und der Ausgestaltung der Unterrichtsinhalte müssen die Persönlichkeit der Schüler_innen sowie ihre Stärken und Schwächen berücksichtigt werden.
Bezahlung sowie sonstige finanzielle, personelle und sachliche Ausstattung
Erhöhung der Bezüge für Lehrkräfte in Ballungszentren
Die Lebenshaltungskosten, insbesondere die Mieten, unterscheiden sich in den verschiedenen Landesteilen Bayerns erheblich. In den Ballungsräumen wie München muss ein deutlich größerer Teil des Verdiensts zur Deckung von Fixkosten aufgewendet werden. Daher ist es ein Gebot der Fairness, dass der Staat seine Angestellten und Beamt_innen entsprechend entlohnt und ihre Bezüge in Ballungszentren erhöht. So kann hier auch dem Lehrermangel entgegengewirkt werden.
Gerechtere Bezahlung der Studienreferendar_innen
Wir fordern eine gerechtere Bezahlung für Studienreferendar_innen. Lehramtsanwärter_innen sind durch Miet- und Lebenserhaltungskosten sowie in vielen Fällen durch die Rückzahlung von Studiendarlehen und Anschaffungskosten für Unterrichtsmaterial mit hohen finanziellen Belastungen konfrontiert. Demgegenüber stehen verhältnismäßig geringe Einnahmen.
[Begründung: Die Anwärterbezüge der Besoldungsgruppe A13+Z für bayerische Studienreferendar_innen am Gymnasium betragen beispielsweise 1385,08 Euro (Stand: 01.01.17). Mit diesem Grundgehalt sind 10 Unterrichtsstunden pro Woche abgedeckt. In der Einsatzschule kann das Stundendeputat der Referendare bei Bedarf auf bis zu 17 Stunden pro Woche erhöht werden. In diesem Fall werden die Studienreferenar_innen ab der elften gehaltenen Stunde mit 32,29 Euro vergütet. Stunden, die z.B. durch Krankheit, Seminartage oder Ferien ausfallen, können nicht abgerechnet werden. Darüber hinaus ist bei der Berechnung des Verhältnisses zwischen Lohn und Arbeitszeit bei Berufsanfängern eine erhöhte zeitliche Belastung für Korrekturarbeiten und Unterrichtsvorbereitung zu verzeichnen. Von einer würdevollen Entlohnung kann keine Rede sein!]
Schaffung von neuen Stellen für Team-Teaching
Wir fordern die Schaffung zusätzlicher Stellen, um an allen Schulen das Konzept des Team-Teachings verbreiten zu können. An allen Schularten, insbesondere am Gymnasium, entsteht ein immer höherer Bedarf nach Binnendifferenzierung. Schüler_innen mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen und Bedürfnissen müssen entsprechend betreut werden. Eine Möglichkeit, diesen Anforderungen gerecht zu werden, stellt das Team-Teaching dar. Wenn zwei oder mehr Lehrkräfte zusammen eine Klasse betreuen, kann insbesondere das eigenständige Lernen der Schüler_innen intensiver begleitet werden. Dies führt nicht nur zur differenzierten Förderung der Lernenden, sondern auch zur Entlastung der Lehrkräfte. Zur Zeit reichen aber zum flächendeckenden Einsatz von Team-Teaching die personellen Kapazitäten bei Weitem nicht aus.]
Schaffung zusätzlicher IT-Stellen an allen Schulen
Wir fordern die Schaffung zusätzlicher Stellen zur Betreuung der schulischen IT. Dies entlastet die Kollegien und stellt die Funktionsfähigkeit der digitalen Geräte sicher. Sowohl von den Lehrkräften als auch den Schüler_innen werden digitale Geräte im Unterricht genutzt, ein sicherer Umgang mit ihnen ist ein zentrales Bildungsziel. Die Betreuung der IT-Infrastruktur stellt eine immer umfangreicher werdende Aufgabe an den bayerischen Schulen dar, insbesondere im Hinblick auf rechtliche Vorgaben (z.B. Datenschutz). Diese wichtige Aufgabe wird allzu oft von einzelnen Mitgliedern des Lehrerkollegiums zusätzlich zu ihrer Vollzeitarbeit übernommen oder nur unzureichend im Stundendeputat ausgeglichen.
Bessere finanzielle Ausstattung der Sachaufwandsträger
Landauf landab befinden sich viele Schulgebäude in einem desolaten Zustand. Oftmals sind aber die zuständigen Sachaufwandsträger, also die Kommunen und Landkreise, nicht in der Lage, für Abhilfe zu sorgen. Daher ist es Aufgabe des Freistaats (Konnexitätsprinzip Art 83, Abs. 3 der Bayerischen Verfassung), die Sachaufwandsträger finanziell besser auszustatten, so dass sie ihren Aufgaben nachkommen können und sich die Situation in den Schulen bessert.
Neuberechnung der Unterrichtspflichtzeit von Lehrer_innen
Wir fordern eine allgemeine Neuberechnung der Unterrichtspflichtzeit und eine spürbare Entlastung von Lehrer_innen mit besonders hoher Korrekturbelastung.
[Begründung: Mittags Feierabend und drei Monate frei im Jahr? Die Vorurteile gegenüber Lehrern halten sich hartnäckig und entbehren jedweder Grundlage! Eine im Januar dieses Jahres veröffentliche Studie der Georg-August-Universität in Göttingen zeigt, dass Lehrer im Durchschnitt deutlich länger als andere Beschäftigte im öffentlichen Dienst arbeiten. Seit Jahren sehen sich die Lehrkräfte immer neuen Aufgaben wie Ganztagsschule, Inklusion oder verstärkter Binnendifferenzierung gegenüber. Die Pflichtstundenanzahl ist dagegen nicht reduziert worden. Für die Lehrerinnen und Lehrer stellt diese Überbelastung ein ernst zu nehmendes Gesundheitsrisiko dar. Die Auswirkungen des Missstandes wirken sich aber auch auf die Gestaltung des Unterrichts und des Schullebens aus. Vor allem Lehrkräften mit besonders hoher Korrekturbelastung fehlt die Zeit für die Organisation von Ausflügen, Vorträgen, Ausstellungen oder anderen bereichernden Veranstaltungen.]
Schulsozialarbeit stärken
Die Beratungsteams an bayerischen Schulen müssen massiv ausgebaut werden. Schulpsycholog*innen und Beratungslehrkräfte müssen ausreichend Anrechnungsstunden für ihre beratende Tätigkeit erhalten. An jeder Schule muss mindestens eine*n Sozialarbeiter*in in Vollzeit und unbefristet eingestellt werden.
Weiteres
Verpflichtendes Schülerfeedback für Lehrkräfte
Feedback durch die Lernenden an die Lehrenden wird von Bildungsforscher_innen nachdrücklich empfohlen. Zahlreiche Kolleg_innen nehmen diese Möglichkeit bereits wahr, um ihren Unterricht weiterzuentwickeln und noch mehr an die Bedürfnisse der Schüler_innen anzupassen. Schülerfeedback soll verpflichtend am Ende der Schulhalbjahre in digitaler, anonymisierter Form eingeführt werden, nicht um den Druck auf die Lehrkräfte zu erhöhen, sondern um ein besseres Arbeitsklima zwischen Schülerschaft und Lehrkräften herzustellen. Das Feedback der Schüler_innen stellt die Grundlage für Schulungsempfehlungen für die Weiterbildung der Lehrkräfte dar.
Besetzung der Kollegien
Die paritätische Besetzung der Kollegien aller Schularten mit Frauen und Männern wird durch geeignete Maßnahmen sichergestellt, z.B. durch die Angleichung der Bezüge von angestellten und verbeamteten Frauen und Männern, sowie gleichen Bezügen unabhängig von der Schulart.
Berufsbildende und akademische Abschlüsse
Die Gleichbehandlung von berufsbildenden und akademischen Abschlüssen wird auf allen Bildungsstufen durchgesetzt.